Pierre-Olivier Haenni, Lyman SA, im Interview

Pierre-Olivier Haenni, Lyman SA, im Interview
Die Reed Blake-Gründer v.l.n.r.: Jérémy Christillin, Servais Micolot und Pierre-Olivier Haenni. (© S.Liphardt)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Haenni, Sie haben 2019 zusammen mit zwei anderen Unternehmern aus der Westschweiz die High-End-Schuhmarke Reed Blake aus der Taufe gehoben. Was können Sie uns über den Hintergrund erzählen?

Pierre-Olivier Haenni: Ich bin schon seit langem ein Schuh-Liebhaber. Meine ersten «schönen» Schuhe habe ich als ich 20 Jahre alt war in Venedig gekauft. Damals kosteten sie exorbitante 300.000 Lire, ca. 300 Franken. Aber dank ihrer hervorragenden Qualität konnte ich sie problemlos 10 Jahre lang aufbewahren. Einige Jahre später erregte dann ein Artikel in einer Zeitschrift in der Westschweiz meine Aufmerksamkeit. Der Herausgeber sprach über die – fast intime – Beziehung, die er zu seinem Paar Alden-Schuhe hatte. Schliesslich war ich immer auf der Suche nach einer qualitativ hochwertigen, klassischen und langlebigen Schuhmarke zu einem vernünftigen Preis. Wenn in diesem Bereich Qualität vorhanden ist, ist das Preisniveau immer extrem hoch. Dies war der Ausgangspunkt für die Schaffung der Reed Blake Marke.

Von Ihrem Werdegang her – Sie waren bei der SNB, arbeiteten in der Schmuck- und Uhrenindustrie, bei Orange oder auch bei Aevis Victoria – sind Schuhe jetzt nicht unbedingt der nächste Schritt. Was fasziniert Sie an Schuhen?

Ich bin irgendwie fasziniert von Schuhen. Sie sind diejenigen, die uns jeden Tag tragen, die uns vor dem Wetter schützen, die es uns ermöglichen, vorwärts zu kommen. Aber Schuhe spiegeln zum Teil auch die Persönlichkeit derer wider, die sie tragen, unabhängig von Modell und Stil. Sie sind auch ein wesentlicher Bestandteil der Garderobe. In jedem Fall müssen sie immer gut gepflegt und in einem guten Zustand sein. Abgesehen von diesen Überlegungen sind die verschiedenen Arten des Zusammenbaus eines Qualitätsschuhs, die verwendeten Materialien so viele Elemente, die sie mit viel handwerklichem Geschick zu einzigartigen Objekten machen. Es sind nicht weniger als 207 Schritte, 32 Komponenten und 9 Tage notwendig, bis ein Paar Reed Blake-Schuhe das Licht der Welt erblickt.

«Von der Schaffung der eleganten und komfortablen Formen bis zum Design der Modelle haben wir uns auf modernste digitale Techniken verlassen.»
Pierre-Olivier Haenni, Lyman SA

Wie präsentiert sich das «digital only»-Konzept von Reed Blake?

Mit meinen beiden Partnern, Jérémy Christillin und Servais Micolot, wurde alles digitalisiert, was wir bei der Entwicklung des Konzepts digitalisieren konnten. Von der Schaffung der eleganten und komfortablen Formen bis zum Design der Modelle haben wir uns auf modernste digitale Techniken verlassen. Was uns aber vor allem von anderen Marken unterscheidet, ist unser exklusiver Vertrieb über das Internet und die Konzeption, der von Reed Blake entwickelten volumetrischen Messanwendung. Dadurch konnten wir bei der Entwicklung der Marke schneller sein, aber auch die Besonderheiten eines reinen Web-Verkaufs besser berücksichtigen.

Lyman Reed Blake war ja ein genialer Erfinder, u.a. der ersten Nähmaschine, mit der sich der Schaft bei der industriellen Fertigung mit der Sohle des Schuhs vernähen liess. Wie haben Sie diese Techniken ins digitale Zeitalter überführt?

Ja, Lyman Reed Blake war ein aussergewöhnlicher Unternehmer und Ingenieur. Mit der Marke Reed Blake wollen wir dieser wenig bekannten Persönlichkeit die Ehre erweisen. Lyman Reed Blake hat uns dazu inspiriert, das Konzept einer High-End-Schuhmarke auf eine revolutionäre Art und Weise zu überdenken. Wäre er noch bei uns, hätte Lyman Reed Blake zweifellos den Online-Handel für den Verkauf seiner Produkte gewählt. Und er hätte sicherlich die App Reed Blake 1835 entwickelt.

Was ermöglicht diese App?

Die App Reed Blake 1835 ist die erste, die es Ihnen ermöglicht, die ideale Grösse anzubieten, ohne das gewählte Paar Schuhe anprobieren zu müssen. Mit drei Fotos pro Fuss modelliert die App Reed Blake 1835 die Füsse des Kunden in 3D. Dann überlagern wir die 3D-Modelle der Füsse des Kunden mit den Volumen der Modelle und Grössen aus der Reed Blake-Kollektion, um die ideale Grösse vorzuschlagen. Die App ist Android- und IOS-kompatibel und kann im App Store und im Google Play Store heruntergeladen werden. Auf diese Weise vermeiden wir den Frust, dass wir ein Paar Schuhe aufgrund der falschen Grösse zurückschicken müssen. Wir werden unseren Algorithmus sicherlich im Laufe der Monate weiter verfeinern müssen, aber wir sind zuversichtlich, dass wir die Rücklaufquote in einigen Monaten auf etwa 5% reduzieren können, während die Rücklaufquote der heute im Internet gekauften Schuhe eher in der Grössenordnung von 40-50% liegt.

«Die App Reed Blake 1835 ist die erste, die es Ihnen ermöglicht, die ideale Grösse anzubieten, ohne das gewählte Paar Schuhe anprobieren zu müssen.»

Auch über die Retouren hinaus wollen Sie den CO2-Fussabdruck so tief wie möglich halten. Mit welchen Massnahmen erreichen Sie dieses Ziel?

Schon bei der Konzeption der Marke Reed Blake war es wichtig, Umweltkriterien zu integrieren. So sind die Schuhe bei Reed Blake klassisch und zeitgemäss. Auf diese Weise vermeiden wir modische Effekte, die die Verbraucher zum Schuhwechsel ermutigen, nur weil ein neues, modischeres Modell auf den Markt kommt. Aber wir haben uns auch auf die Qualität aller Komponenten konzentriert, um einen Schuh der Spitzenklasse anzubieten, der bei minimaler Wartung 20 Jahre halten kann. Daher ermutigen wir unsere Kunden, ihre Schuhe zu pflegen, indem wir jedem Paar ein Basis-Pflegesset beilegen. Reed Blake-Schuhe sind zu 99% biologisch abbaubar.

Wir haben uns sogar für ein Stück Holz anstelle von Metall entschieden: das Gelenkstück, das den mittleren Teil des Schuhs stützt. Das Gelenkstück ist nicht nur aus Holz und damit natürlich, sondern macht es auch überflüssig, die Schuhe beim Passieren der Sicherheitsschleusen am Flughafen auszuziehen. Schliesslich werden wir dank der Reed Blake 1835 App in der Lage sein, den C02-Fussabdruck zu reduzieren, indem wir den Hin- und Rücktransport von Waren und den Verbrauch von Verpackungsmaterialien stark einschränken.

High-End-Schuhe stehen für Klasse, Langlebigkeit und entsprechend hochwertige Materialien. Woher beziehen Sie die Komponenten für die insgesamt 64 Modelle, die zur Auswahl stehen?

Die Wahl der Materialien war eines unserer Hauptanliegen während der Entwicklungsphase. Wir reisten durch ganz Europa auf der Suche nach den besten Komponenten. An der Entwicklung des Produkts sind daher mehrere Lieferanten beteiligt, darunter die Tanneries du Puy in Frankreich (im Besitz der Hermes-Gruppe), die das Leder für die gesamte Produktion liefern. Die Produktion ist letztlich eine «made in Europe»-Produktion.

Und wo werden die Schuhe gefertigt?

Es gibt in Europa noch einige wenige Produktionsstätten, die in diesem Bereich Spitzenleistungen erbringen können. Aber dies bleibt ein eifersüchtig gehütetes Geheimnis, da die Suche nach einem solchen Produktionsort heutzutage sehr schwierig geworden ist.

«Die Marke Reed Blake ist eine subtile Kombination aus traditioneller Handwerkskunst, digitaler Technologie und Achtung der Umwelt.»

Welchen Anteil an Ihren Schuhen hat letztlich Schuhen hat letztlich der Computer – und welcher noch das Handwerk?

Die Marke Reed Blake ist eine subtile Kombination aus traditioneller Handwerkskunst, digitaler Technologie und Achtung der Umwelt. Für den Vorbereitungs- und Planungsteil überwiegt offensichtlich der Einsatz von Computern recht weit. Andererseits basiert der Produktionsteil natürlich sowohl auf digitalen als auch auf traditionellen Maschinen, bleibt aber im Wesentlichen handwerklich. Jedes Paar wird von den Händen von mehr als 60 verschiedenen erfahrenen Fachkräfte zusammengebaut.

Mit Preisen ab 380.- Franken sind Ihre Schuhe trotz hochwertiger Materialien, renommierter Lieferanten und erfahrener Handwerker vergleichsweise günstig. Wie viel bringt Ihnen der Verzicht auf Zwischenhandel und Verkaufsstellen?

Mit einer traditionellen Vertriebsstruktur (Distributor, Einzelhändler) wären wir niemals in der Lage, unsere Produkte zu diesen Konditionen zu verkaufen. In einem solchen Vertriebsmodel müssten wir die Kosten für die Vertriebshändler, Einzelhändler einschliesslich Personal, Miete und Schulung tragen. Wir glauben daher, dass unsere Produkte zu mehr als dem doppelten Preis verkauft werden sollten, um wirtschaftlich rentabel zu sein, hätten wir uns für einen traditionellen Vertrieb entschieden.

Die Marke ist nun lanciert, die Produktion nimmt Fahrt auf. Wie sehen Ihre Pläne für die Entwicklung von Reed Blake aus?

Zum Start lancieren wir die Marke in der Schweiz. Dann werden wir in einem zweiten Schritt die Märkte in Österreich und Deutschland ansprechen. Andere Länder werden hoffentlich folgen. Was die Produktentwicklung betrifft, so werden wir unsere Bemühungen fortsetzen, die Reed Blake 1835 App mit den neuesten digitalen Technologien weiter zu entwickeln. Wir werden auch die Möglichkeit bieten, bestimmte Modelle zu personalisieren und schliesslich auch Schuhe nach Mass anzufertigen. Aber das wird erst in 18 Monaten sein.

Herr Haenni, besten Dank für das Interview.

Reed Blake

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