Poorya Amini, CEO Risklick, im Interview

Poorya Amini

Poorya Amini, CEO Risklick. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Amini, klinische Studien sind essenziell, um sicherzustellen, dass neue medizinische Therapien und Verfahren sicher und effektiv für den Einsatz am Menschen sind, bevor sie für die breite Anwendung zugelassen werden. Welches sind die wichtigsten Aspekte?

Die wichtigsten Aspekte, die wir bei Risklick mit höchster Priorität verfolgen, sind:

  1. Patientensicherheit: Höchste Priorität durch sorgfältige Überwachung und ethische Standards.
  2. Studienplanung und -design: Durchdachte Designs basierend auf Wissenschaftlicher Evidenz für aussagekräftige Ergebnisse.
  3. Regulatorische Compliance: Einhaltung aller relevanten Vorschriften.
  4. Datenqualität und -integrität: Strenge Prozesse zur Sicherstellung hochwertiger Daten.

Geben Sie uns einen Einblick: Wie läuft eine klinische Studie ab?

Jede klinische Studie beginnt mit dem Verfassen eines Dokuments, das als Protokoll bezeichnet wird. Das Protokoll ist das wichtigste Dokument einer klinischen Studie, da es die Details der Studie und deren Durchführung beschreibt. Ein Protokoll ist das Hauptdokument, das den Erfolg oder Misserfolg einer Studie bestimmt. Sobald das Protokoll finalisiert ist, wird es der Regulierungsbehörde vorgelegt. Nach der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde rekrutieren wir Freiwillige und Patienten und führen die Studie wie im Protokoll beschrieben durch. Dann sammeln wir die Daten, analysieren sie und überprüfen, ob unsere Hypothese bestätigt oder abgelehnt wird.

Sie haben während Ihrem Doktorat in Pharmakologie am Inselspital Bern einen Master in Clinical Trial Management an der Universität Basel absolviert. Während Ihrer Tätigkeit als Projektmanager in diesem Bereich haben Sie festgestellt, dass bei klinischen Studien nicht alles optimal läuft und viele davon scheitern. Welches sind die häufigsten Fehlerquellen?

Die häufigste Fehlerquelle liegt darin, dass wir üblicherweise den Inhalt und die Entscheidungen aus unserer vorherigen Studie in die neue Studie kopieren und einfügen, in der Annahme, dass diese beiden Studien ähnlich sind. In Wirklichkeit sind sie jedoch nicht ähnlich, und wir übernehmen mit diesem Ansatz nur die Probleme von einer Studie zur anderen. Derzeit ist dies die einzige mögliche Vorgehensweise, da es keine Lösung gibt, die es Experten ermöglicht, die grosse Menge historischer Daten zu analysieren, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen und diese effizient zu formulieren. Mit Protocol AI werden wir es Experten ermöglichen, evidenzbasierte Entscheidungen mit ein paar Klicks zu treffen und die Entscheidungen kohärent in das Protokoll zu integrieren. Wir möchten den Copy-and-Paste-Ansatz ändern.

«Mit Protocol AI werden wir es Experten ermöglichen, evidenzbasierte Entscheidungen mit ein paar Klicks zu treffen und die Entscheidungen kohärent in das Protokoll zu integrieren.»
Poorya Amini, CEO Risklick

Mit welchen möglichen Folgen?

Die möglichen Folgen sind vielfältig und gravierend. Fehler in der Datenanalyse können zu Verzögerungen in der Entwicklung und Markteinführung neuer Therapien führen sowie die Gesamtkosten erheblich erhöhen. Ausserdem kann eine unzureichende Dateninterpretation gefährliche Nebenwirkungen übersehen und damit die Patientensicherheit gefährden. Dazu kommt, dass fehlerhafte Studien das Vertrauen der Öffentlichkeit in die klinische Forschung und neue Therapien beeinträchtigen können.

Ihre Erfahrungen haben zur Gründung von Risklick geführt, einem Spin-off der Universität Bern, und zur Protocol AI-Software. Was bringt die künstliche Intelligenz hier?

Künstliche Intelligenz, speziell durch unser Tool Protocol AI, bringt mehrere wesentliche Vorteile in die Entwicklung und Planung klinischer Studien. Zum einen hilft AI bei der Bewältigung und Analyse der enormen Datenmengen, die bei klinischen Studien anfallen. Dies ermöglicht es, die Intuition und Erfahrung der Spezialisten durch fundierte, evidenzbasierte Erkenntnisse zu unterstützen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass AI eine zusätzliche Kontrolle ermöglicht, indem sie eine emotionslose und vorurteilsfreie, differenzierte Analyse durchführt. Die KI versteht auch menschliche Entscheidungen und kann den Entwurf des Dokuments automatisch erstellen sowie Änderungen effizienter handhaben.

«Künstliche Intelligenz, speziell durch unser Tool Protocol AI, bringt mehrere wesentliche Vorteile in die Entwicklung und Planung klinischer Studien.»

Wenn wir das auf den Ablauf einer klinischen Studie umlegen – wie verbessert das den Ablauf?

Das Protocol AI stellt sicher, dass Entscheidungen nicht nur schneller, sondern auch zuverlässiger getroffen werden können. Die Fähigkeit der AI, riesige Datenmengen effizient zu verarbeiten, reduziert das Risiko menschlicher Fehler und verbessert die Gesamtqualität und Integrität der Studienergebnisse. Es reduziert auch die Zeit für die Protokollentwicklung, die im Durchschnitt 15 Monate beträgt, und kann zu schnelleren klinischen Studien und einer schnelleren Verfügbarkeit von Behandlungen auf dem Markt zum Nutzen aller führen

Wo kommen die Daten her, mit denen die Algorithmen ihrer KI-Software trainiert werden?

Die Daten stammen aus den 18 weltweit öffentlich zugänglichen Studienregistern. In den letzten fünf Jahren haben wir eine akribische Datenpipeline entwickelt, die diese Daten wöchentlich aktualisiert und normalisiert. Die Kunst dabei liegt nicht im Sammeln der Daten – da diese öffentlich zugänglich sind, ist dies relativ einfach. Die Schwierigkeit besteht darin, diese Daten zu normalisieren, da die Register unterschiedliche Formate und Sprachen umfassen, was eine erhebliche Herausforderung bei der Harmonisierung und Standardisierung der Informationen darstellt. Dieser Prozess ist entscheidend, um konsistente und verlässliche Daten für die Algorithmen unserer KI-Software sicherzustellen.

Risklick erhöht die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs von klinischen Studien in einer kürzeren Zeit. Lässt sich das beziffern?

Protocol AI wurde kürzlich veröffentlicht und der Ablauf einer klinischen Studie ist ein langwieriger Prozess. Um genaue Zahlen zu liefern, müssen die ersten klinischen Studien, die Protocol AI nutzen, abgeschlossen sein und eine genaue Analyse der Effizienz durchgeführt werden. Aus Gesprächen mit Experten, die Protocol AI einsetzen, lässt sich jedoch eine zuversichtliche Prognose treffen: Wir erwarten, dass der Prozess um mehrere Monate beschleunigt werden kann. Wir haben einige retrospektive Studien durchgeführt und versucht zu simulieren, wie viel Zeit und Kosten wir einsparen könnten, und die Zahlen stammen aus diesen retrospektiven Studien.

Für Ihre Software benötigen Sie Kunden, die sie einsetzen. Ist dies bereits der Fall?

Wir haben mehrere Pilotstudien mit grossen und mittelgrossen biopharmazeutischen Unternehmen sowie klinischen Forschungsorganisationen geplant, in denen sie die realen Einsparpotenziale bei Werten, Zeit und Kosten testen und messen werden.

Für den Einsatz von KI in klinischen Studien braucht es medizinische Fachkenntnisse. Wie ist das Team von Risklick zusammengestellt?

Das multidisziplinäre Team besteht aus Datenwissenschaftlern, medizinischen und klinischen Experten sowie Softwareentwicklern, die eine gemeinsame Vision verfolgen mit dem Ziel, klinische Studienprotokolle durch AI-Technologie zu revolutionieren, um Studien zum Nutzen aller schneller, kostengünstiger und sicherer zu gestalten.

«Ich sehe KI als ergänzendes Werkzeug, das den Menschen effizienter machen und seine emotionalen Entscheidungen, Faulheit und andere menschliche Schwächen ausgleichen kann, nicht als eine Software, die den Menschen ersetzt und uns alle überflüssig macht.»

Letzte Frage: Welche Rolle wird die künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren generell in der Medizin übernehmen?

Künstliche Intelligenz ist derzeit in allen Bereichen unserer Gesellschaft auf dem Vormarsch. Ich bin überzeugt, dass KI, wenn sie sorgfältig integriert wird, einen enormen Nutzen in der Medizin bringen kann. Ich sehe KI als ergänzendes Werkzeug, das den Menschen effizienter machen und seine emotionalen Entscheidungen, Faulheit und andere menschliche Schwächen ausgleichen kann, nicht als eine Software, die den Menschen ersetzt und uns alle überflüssig macht. Der Mensch bleibt der Entscheidungsträger, der die Verantwortung für die Prozesse übernimmt. Deshalb nutzen wir oft die Analogie des Co-Piloten, um unsere Software Protocol AI zu beschreiben. Wir wollen den Menschen eine verlässliche Assistenz bieten, jedoch bleibt der Mensch der finale Entscheidungsträger und Verantwortliche.

Zur Person:
Dr. Poorya Amini hat einen Master in Veterinärmedizin und promovierte in Immunologie. Nach einem Diplom in klinischer Studienpraxis und -management arbeitete er über sieben Jahre für eine klinische Forschungsorganisation, bevor er Risklick gründete.

Risklick
Risklick ist ein Spin-off der Universität Bern und zielt darauf ab, biopharmazeutischen Unternehmen und Herstellern medizinischer Geräte zu ermöglichen, die Erfolgsraten von Studien zu erhöhen und die Bereitstellung neuer Behandlungen für Patienten zu beschleunigen. Das multidisziplinäre Team besteht aus Datenwissenschaftlern, medizinischen und klinischen Experten sowie Softwareentwicklern, die eine gemeinsame Vision verfolgen mit dem Ziel, klinische Studienprotokolle durch AI-Technologie zu revolutionieren, um Studien zum Nutzen aller schneller, kostengünstiger und sicherer zu gestalten.

Exit mobile version