Rainer Isenrich, CEO und CFO von Edisun Power. (Foto: Edisun Power)
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Isenrich, Sie wollen einen radikalen Kapitalschnitt als ersten Schritt zur Sanierung von Edisun Power durchführen. Wie hoch wird danach der Kapitalbedarf sein?
Rainer Isenrich: Unser Motto ist „reculer pour mieux sauter“: Wir setzen auf eine massiv tiefere Kostenbasis , um danach durchzustarten. Wie das Durchstarten aussieht oder wie viel Kapital benötigt wird, ist heute noch nicht vorherzusagen, insbesondere auch nicht im hoch dynamischen Photovoltaik-Umfeld.
Müssen Ihre Anleihegläubiger zittern?
Auf keinen Fall. Wir besitzen aktuell mehrere Millionen Franken Liquidität, mit denen wir bereits aus heutiger Sicht die in diesem Jahr zur Rückzahlung fälligen Obligationsanleihen und den Grossteil der Anleihen für 2014 zurückzahlen könnten. Zudem generieren unsere Anlagen jährlich einen EBITDA von gut 4 Millionen, welcher für Zins- und Rückzahlungen verwendet werden kann. Aus der Bereinigung des Anlagenportfolios sind Verkaufserlöse möglich, welche für die Investition in neue, besser in das Portfolio passende Anlagen verwendet oder welche zur Zurückzahlung weiterer Anleihen verwendet werden können.
Ist ein dezentraler Stromproduzent mit 15 MegaWatt installierter Leistung einfach zu klein zum Überleben?
Wir haben in den letzten 2 Jahren intensiv strategische oder finanzielle Partnerschaften evaluiert, ohne dass sich aber ein befriedigender Fit für beide Seiten ergeben hätte. Mit den massiven Kostenreduktionen ist es möglich, auch ohne Partner ein nachhaltig positives Ergebnis zu realisieren, um auf dieser Basis wieder stark zu wachsen. Denn es ist schon so, dass für ein attraktives Ergebnis aus heutiger Sicht eine installierte PV Leistung von 30 MW bis 50 MW notwendig ist.
Welche Anlagen liessen sich denn durch Verkauf am besten zu Geld machen?
Alle unsere Anlagen laufen gut bis sehr gut, von da her sind alle Anlagen für einen Käufer interessant. Von unserer Seite stehen vor allem Anlagen, welche nicht finanziert sind – beispielsweise einige Anlagen in Frankreich – oder auch die vielen sehr kleinen Anlagen in der Schweiz zur Disposition.
Könnte dabei ein Buchgewinn realisiert werden?
Wir wollen die Anlagen nur verkaufen, wenn der Preis auch wirklich stimmt, das heisst wenn aus dem Verkauf ein Gewinn resultiert. Die Chancen sind sehr gut, da die Anlagen sehr gut unterhalten sind und gut produzieren. Zudem sind gut laufende Photovoltaik-Anlagen, gerade auch in der Schweiz, sehr gefragt.
«In unserem Fall sind die hohen Kosten und die noch zu kleine Leistung sowie regulatorische Einflüsse in gewissen Ländern ursächlich an unserem Verlust.»
Rainer Isenrich, CEO und CFO von Edisun Power
Die ganze europäische Solarbranche vom Stromproduzenten bis zum Solarzellenbauer liegt danieder. Muss man alle Schuld den Politikern geben?
Die Antwort muss differenziert ausfallen. So sind gerade die Solar-Stromproduzenten von der Krise nicht direkt betroffen. Es gibt Konkurrenten, welche sehr gute Gewinne schreiben. In unserem Fall sind die hohen Kosten und die noch zu kleine Leistung sowie regulatorische Einflüsse in gewissen Ländern ursächlich an unserem Verlust. So mussten wir in Spanien ein Grundstück abschreiben, auf welches wir in 2011 noch eine Anlage mit einer interessanten Rendite hätten bauen können. Der spanische Staat hat dann über Nacht ein Moratorium eingeführt, welches unser Pläne vorerst zur Makulatur werden liessen.
Die Politik hat natürlich auch Geburtshilfe gegeben…
Richtig, die Politik hat in den letzten 10 Jahren, vor allem angestossen durch Deutschland, Geburtshilfe für eine weltweite Industrie geschaffen, welche in 30 bis 50 Jahren ein wesentliche Basis für die elektrische Stromversorgung weltweit sein wird. Insofern haben die Politiker in gewissen Ländern durchaus weitsichtig und gut gehandelt. Unschön ist, dass die Förderungen teilweise zu grosszügig waren (gerade auch in Spanien), so dass diese nach kurzer Zeit wieder zum Teil auch noch rückwirkend reduziert werden mussten. Und dies ist natürlich Gift für eine sehr langfristige Investitionssicherheit, wie sie die Energieversorgung benötigt. Eine stabile, massvolle, langfristig ausgerichtete Förderpolitik ist von Nöten, leider endet diese immer wieder kurz vor den nächsten Wahlen.
Grundsätzlich muss in Zukunft aber in der elektrischen Energieversorgung auch bei neuen erneuerbaren Energien der freie Markt spielen, um kosteneffiziente Lösungen und Innovation zu fördern. Dies ist heute gerade auch in der Schweizerischen Energieversorgung überhaupt nicht der Fall. Sämtliche Versorger sind staatlich und monopolistisch organisiert, was volkswirtschaftlich grosse Kosten verursacht. Notwendig sind klare, langfristige Rahmenbedingungen, möglichst wenig staatliche Regulierungen, faire CO2 Preise und der Einbezug aller externer Kosten. In dieser Hinsicht machen die Politiker in der Tat keinen guten Job, sondern lediglich Interessenspolitik.
«Wir gehen davon aus, dass mit den verschiedenen regulatorischen Anpassungen (…) das Schlimmste in Spanien vorüber ist.»
Wie lange wird Sie die zähe Wirtschaftskrise in Spanien, wo Sie ja die meisten Watt installiert haben, behindern?
Wir gehen davon aus, dass mit den verschiedenen regulatorischen Anpassungen – Deckelung von Erträgen bei gewissen Anlagen, das Moratorium für neue geförderte Anlagen, die Energiesteuer – das Schlimmste in Spanien vorüber ist. Zudem sind die Produktionskosten für Photovoltaikstrom in Spanien heute praktisch auf dem Niveau der Marktpreise für Strom, bei ca. 5 bis 6 Cents, was die Abhängigkeit von Fördertarifen reduziert, vor allem bei neuen Anlagen.
Dem Windkraftwerkbetreiber Iberdrola geht es in Spanien glänzend. Wird bei der Auftragsvergabe und den Tarifen mit zweierlei Mass gemessen?
Das kann generell so nicht gesagt werden. Iberdrola ist zwar stark im Bereich Windenergieproduktion, ist aber auch sehr diversifiziert. Die Schwierigkeit von kleinen, unabhängigen Produzenten ist, dass diese eine wesentlich kleinere politische Lobby haben, und dies ist gerade in administrationsintensiven Ländern wie Spanien ein Nachteil. Gerade wenn es um regulatorische Aktivitäten geht, haben die grossen, oft auch staatsnahen Firmen einen entscheidenden Vorteil. So ist der Einfluss der 7%-igen Stromsteuer, welche ab anfangs 2013 in Spanien erhoben wird, für einen reinen PV- oder Windhersteller vielmals grösser, weil dieser die zusätzlichen Kosten nicht an die Kunden weitergeben kann, Iberdrola als diversifizierte Firma trifft dies aber wesentlich weniger.
«Wie in anderen Ländern werden wir in Frankreich bis auf Weiteres keine Anlagen mehr entwickeln.»
In Frankreich läuft die Wirtschaft alles andere als rund. Droht dort für Edisun Power weiteres Ungemach?
Das „Ungemach“ kam bereits Ende 2011 auf uns zu, als die Förderpolitik für erneuerbare Energien geändert wurde, was etwa dazu führte, dass wir in 2012 keine grossen Anlagen bauen konnten. Wir haben reagiert und entsprechend Personal abgebaut. Wie in anderen Ländern werden wir in Frankreich bis auf Weiteres keine Anlagen mehr entwickeln sondern nur an das Netz angeschlossene Anlagen kaufen. Zudem – und das ist das Schöne an unserem Geschäftsmodell – hängen unsere Erträge nur vom Sonnenschein ab – und nicht von der wirtschaftlichen Entwicklung in einem Land.
Bei Edisun Power sollen die Personalkosten um die Hälfte gesenkt werden. Das klingt nach Kahlschlag, selbst wenn es nur 11 Mitarbeitende betrifft.
Es sind in der Tat harte Massnahmen, welche schmerzen, da das ganze Team hervorragende Arbeit geleistet hat. Durch die Tatsache, dass wir im Moment keine Anlagen mehr entwickeln, benötigen wir aber auch weniger interne Ressourcen. Zudem wollen wir vermehrt gezielt Dienstleistungen, welche bis jetzt intern erbracht wurden, extern einkaufen, was das Fixkostenniveau reduziert und uns trotzdem die Flexibilität gibt, bei Bedarf auf Ressourcen zuzugreifen. Wir tun dies z.B. bereits in Deutschland und Spanien, wo wir kein Personal haben, aber dafür sehr zuverlässige externe Partner.
Für Edisun Power wäre in seiner jetzigen Situation ein starker Partner in der Tat sicher hilfreich. Wer stünde auf einer Wunschliste?
Wie gesagt, wir richten uns mit den diversen Massnahmen so aus, dass wir auch ohne Partner nachhaltig erfolgreich sein könnten. Trotzdem sind Partnerschaften eine interessante Option und in Zukunft wohl ein Muss. Es gibt zwei Richtungen, in welche sich Edisun Power mit einem Partner positiv entwickeln könnte: Als Partner in gewissen Ländern in einer Partnerschaft von PV-Herstellern oder als PV-Spezialist in einem diversifizierten Stromhersteller, respektive –verteiler. Die Industrie der Hersteller erneuerbarer Energien ist im Moment sehr fragmentiert, jeder grosse und kleine regionale Stromhersteller versucht, selber PV-Anlagen zu entwickeln, erstellen und betreiben. Dies ist längerfristig nicht effizient und wird zu Konsolidierungen führen.
Auch Investoren stehen auf Ihrer Wunschliste. Welches ROI könnten Sie denen nach einer Sanierung realistischerweise versprechen?
Unsere Projekte rentieren, je nach Land, mit 5 bis 10 Prozent. Durch Fremdfinanzierungen können wir diese in den Bereich von mindestens 10 Prozent erhöhen.
Zum Unternehmen:
Als kotierter europäischer Solarstromproduzent entwickelt, finanziert und betreibt die Edisun Power Gruppe Solarstromanlagen in verschiedenen europäischen Ländern. Edisun Power Europe AG startete ihr Engagement auf diesem Gebiet bereits 1997. Seit September 2008 ist das Unternehmen am Hauptsegment der Schweizer Börse SIX kotiert. Edisun Power konnte in den vergangenen Jahren kontinuierlich wachsen und verfügt heute bei der Realisierung sowohl nationaler als auch internationaler Projekte über breite Erfahrung. Mitte Februar 2013 besass Edisun Power Europe AG 72 Solarstromanlagen mit einer Leistung von insgesamt 14.9 MW in der Schweiz, in Deutschland, Spanien und Frankreich.
Zur Person:
Rainer Isenrich, Jahrgang 1960, Schweizer Staatsbürger, studierte Elektrotechnik (dipl. El. Ing. ETH, Zürich) und Management (MSc Georgia Institute of Technology, Atlanta, USA). Er weist eine breite internationale Erfahrung als Projektleiter, Verkäufer, Chief Information Officer, Branchen- und Spartenleiter auf, welche er bei den Firmen Mettler Toledo, Accenture, Georg Fischer, Multi-Contact und Infranor sammelte. Dabei hat er verschiedene Firmen und Einheiten in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, den USA, Singapur und in China geführt. Seit 2006 ist er als damaliger CEO von Multi-Contact (Schweizer Marktführer mit Steckverbindern für Photovoltaik Module) in der Solarbranche engagiert. Rainer Isenrich ist verheiratet, hat 3 erwachsene Kinder und wohnt in der Region Basel.