Ralph Schiess, CEO ProteoMediX AG
Ralph Schiess, CEO ProteoMediX AG. (Foto: de Vigier Stiftung)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Schiess, die ProteoMediX AG hat von der de Vigier-Stiftung den am höchsten dotierten Förderpreis für Schweizer Jungunternehmen erhalten. Was bedeutet der Preis für Sie persönlich und das Unternehmen?
Ralph Schiess: Der Preis bringt zum einen Geld, in diesem Fall CHF 100’000, welches wir in der weiteren Entwicklung unseres Produktes sehr gut einsetzen können. Viel wichtiger aber noch ist die Beurteilung und das Feedback von den Experten in der Jury. Die Anerkennung unserer wissenschaftlichen Grundlage und deren unternehmerische Umsetzung durch angesehene Experten gibt uns zusätzliche Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Zu guter Letzt ist der de Vigier Preis ein sehr renommierter Preis und die damit verbundene Publicity ist natürlich gerade für ein junges Unternehmen wie wir es sind sehr wertvoll.
Zur Früherkennung von Prostata-Krebs wird heute in der Regel der PSA-Test durchgeführt. Bei erhöhten PSA-Werten wird meist eine Gewebeprobe aus der Prostata entnommen. Wie genau sind diese PSA-Tests und welche Risiken birgt eine Biopsie?
Der PSA Test hat eine sehr gute Sensitivität, d.h. der Prostatakrebs wird meistens entdeckt. Der Preis dafür ist eine schlechte Spezifität, welche dazu führt, dass 75% der Männer durch den PSA Test eine falsch-positive Diagnose erhalten. Anders ausgedrückt wird also 3 von 4 Männern mit einem positiven PSA Test fälschlicherweise gesagt, dass sie mit grosser Wahrscheinlichkeit Prostatakrebs haben. Eine Biopsie, welche für die weitere Abklärung dann häufig durchgeführt wird, ergibt dann, dass diese Männer gar keinen Krebs haben. Eine solche Biopsie ist nicht nur relativ teuer, sondern kann auch zu Blutungen und Entzündungen führen. Bedenkt man, dass 75% der Biopsien „unnötig“ durchgeführt werden, sieht man die grossen Nachteile des PSA Tests.
«Die Anerkennung unserer wissenschaftlichen Grundlage und deren unternehmerische Umsetzung durch angesehene Experten gibt uns zusätzliche Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»
Ralph Schiess, CEO ProteoMediX AG
Sie wollen nun mit einem neuen Test die hohe Rate an Fehldiagnosen reduzieren. Wie funktioniert dieser Test, resp. wie werden genauere Diagnosen möglich?
Unser Test basiert auf der Messung von 4 Proteinen im Blut. Während PSA organspezifisch ist, können unser Protein sehr genau den Krebs diagnostizieren. Durch die Kombination von PSA mit unseren Proteinen erhalten wir eine spezifischere Prostatakrebsdiagnose und können so unnötige Biopsien verhindern.
Wird damit der PSA-Test überflüssig oder wird der Screening-Test von ProteoMediX erst ergänzend bei erhöhten Werten vorgenommen?
Wir planen, dass unser Test dann eingesetzt wird, wenn ein erhöhter PSA-Wert gemessen wird. Dies hat sowohl regulatorische wie auch marketingstrategische Gründe.
Welche Studienresultate liegen bisher vor?
Wir haben unsere 4 Proteine zusammen mit PSA in 143 Patienten mit Prostatakrebs oder gutartigen Veränderungen, welche oft zu falsch-positiven Diagnosen führen, getestet. So konnten wir zeigen, dass wir die Spezifität drastisch erhöhen können. Die Studienresultate konnten letztes Jahr im renommierten amerikanischen Wissenschaftsjournal PNAS veröffentlicht werden.
«Zurzeit sind wir mit der Entwicklung des finalen Tests beschäftigt, welchen wir in Europa zertifizieren lassen wollen.»
Welche weiteren Studien laufen derzeit?
Zurzeit läuft eine grössere Studie in London, an welcher wir beteiligt sind. Zudem sind wir mit einer Gruppe von Ärzten dabei, eine grössere Multicenterstudie mit bis zu acht Spitälern in der Schweiz aufzusetzen. Der Start ist für Ende Jahr geplant.
Wann rechnen Sie mit einer Markteinführung des Endproduktes?
Zurzeit sind wir mit der Entwicklung des finalen Tests beschäftigt, welchen wir in Europa zertifizieren lassen wollen. Je nach Studienlänge kann es noch 3-4 Jahre dauern, bis der Test auf dem Markt erhältlich ist.
Eine frühzeitige Erkennung von Krebs erhöht die Überlebenschance der Betroffenen. Lassen sich auf der Basis des von Ihnen erläuterten Tests auch Proben hinsichtlich anderer Krebsarten entwickeln?
Unser wissenschaftlicher Ansatz lässt sich fast beliebig auf andere Krankheiten ausweiten. Zurzeit laufen an der ETH Zürich ähnliche Projekte für andere Indikationen. Es sind bereits erste erfolgsversprechende Resultate erzielt worden. Langfristig wollen wir auch für andere Krebsarten diagnostische Tests entwickeln.
«Ich bin der festen Überzeugung, dass die Diagnostik in naher Zukunft auch für die Behandlung von Patienten eine wichtige Rolle spielen wird.»
Ist nicht nur die genauere und frühestmögliche Diagnose, sondern auch die Behandlung von Prostata-Krebs für ProteoMediX ein Thema?
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Diagnostik in naher Zukunft auch für die Behandlung von Patienten eine wichtige Rolle spielen wird, zumal viele Patienten auf bestimmte Behandlungen nicht oder nur schlecht ansprechen. Wir haben hierzu erste vielversprechende Resultate erzielt. Wir konnten in einer klinische Phase 2 Studie zeigen, dass unsere Proteine das Ansprechen von Patienten auf ein Medikament von Novartis voraussagen können. Dies ist für uns ein erster Schritt in Richtung Personalisierte Medizin.
ProteoMediX wurde 2010 als Spin-off der ETH gegründet. Wie kam es dazu?
Die Idee kam erstmals auf, als wir unsere Resultate patentierten. Mein Ziel war es, die Forschung bis zur Anwendung voranzutreiben, da mir bewusst war, dass wir mit besseren diagnostischen Tests ein grosses klinisches Bedürfnis ansprechen. Ich habe dann meinen Kollegen Christian Brühlmann, der Betriebsökonom ist, auf die Idee einer Firmengründung angesprochen. Er war sofort davon überzeugt und hat mitgemacht. Zusammen haben wir dann 2010 die ProteoMediX AG gegründet.
Derzeit kann das Unternehmen noch keine Umsätze generieren, ist also auf Fremdfinanzierung angewiesen. Wie schwierig ist es, Investoren zu finden? Wer sind die Investoren?
Es gab sicher schon bessere Zeiten, um Fremdfinanzierungen abzuschliessen. Allerdings sind wir mit unserer Idee auf viele offene Ohren gestossen und konnten so Ende letzten Jahres eine Finanzierungsrunde über CHF 2.6 Millionen abschliessen. Zu unseren Investoren gehören Altos Venture (Allschwil), eine Kapitalgesellschaft welche von Dr. Walter Fischli (Mitgründer der Actelion) präsidiert wird, sowie einer Gruppe von Business-Angels und der Zürcher Kantonalbank.
Herr Schiess, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Ralph Schiess, Jahrgang 1978, studierte Biochemie an der Universität Zürich. Danach absolvierte er ein Praktikum am Institut für Systembiologie in Seattle, USA. Im Jahr 2008 promovierte er an der ETH Zürich (Dr. sc. ETH). Die entsprechende Doktorarbeit bildet die wissenschaftliche Grundlage der ProteoMediX AG.