von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Pichler, bevor wir über Mode sprechen, ein Blick auf die neusten Zahlen. Calida hat sich mit 2,6 Prozent Umsatzwachstum auf 380,6 Mio CHF in schwierigem Umfeld wieder einmal sehr wacker gehalten. Ihr Ausblick bleibt aber sehr vorsichtig. Warum nur?
Reiner Pichler: Wir gehen davon aus, dass die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter herausfordernd bleiben. Ausserdem investieren wir in unsere Marken und unsere Organisation: Die weitere Modernisierung der Marke CALIDA, die Internationalisierung der Millet Mountain Group und Aubade, die Investition ins Contract-Geschäft der Lafuma Mobilier und nicht zuletzt die Integration von Reich Online und damit die Zentralisierung unserer E-Commerce-Aktivitäten.
Diese Investitionen in die Entwicklung Ihrer zahlreichen Marken sollten sich doch rechnen?
Natürlich. Aber ich denke es ist jetzt entscheidend, die Weichen zu stellen, um in Zukunft erfolgreich zu sein, und dafür braucht es erst Investitionen.
In diesem Jahr wird der Online-Anteil beim Umsatz zweistellig ausfallen. Degradiert das Internet die Läden immer mehr zum Showroom?
Überhaupt nicht. Erstens sind unsere Geschäfte hoch profitabel und deshalb ein wichtiger Geschäftsbereich, und zweitens ist die Zukunft Omnichannel, das heisst die Verbindung unserer Geschäfte und Wholesale-Aktivitäten mit unserem E-Commerce-Geschäft.
«Das Verkaufspersonal ist hochmotiviert – sonst könnten wir uns nicht deutlich besser entwickeln als der Markt.»
Reiner Pichler, CEO Calida Group
Wie gelingt es Ihnen denn vor diesem Hintergrund, das Verkaufspersonal zu motivieren?
Das Verkaufspersonal ist hochmotiviert – sonst könnten wir uns nicht deutlich besser entwickeln als der Markt. Ausserdem sieht unser Vertriebsteam Omnichannel als Chance, die Umsätze und Frequenz in den Geschäften zu steigern.
Im Herbst 2017 erfolgte die Umstellung auf ein Konsignationsmodell mit einem wichtigen Key Account-Kunden. Wird das ein neues Geschäftsmodell werden?
Wir praktizieren dieses Modell bereits erfolgreich mit einigen internationalen Kunden. Wir bringen mit diesem Modell unsere Retailkompetenz im Handel auf die Flächen unserer Partner.
Vergleicht man den Weg, den Calida seit gut 15 Jahren gegangen ist, so stellt man fest, dass Calida im Vergleich zu einer Charles Vögele, die mit Biederkeit brillierte und dafür am Schluss den Preis zahlen musste, immer auf Innovation und Perfektion gesetzt hat. Wieviel Prozent Ihres Umsatzes fliesst denn in die Entwicklung neuer Materialien?
Das ist nicht einfach zu berechnen, und in dem Zusammenhang geht es auch nicht nur um Materialien. Es ist die Kombination von Material, Design und Form. Was immer wichtiger wird, ist das gezielte Entwickeln von Innovationen, denn nur Innovationen bewegen Konsumenten in Zeiten stagnierender Märkte. Für Calida war dies jüngst zum Beispiel die Daily Functionwear -Funktionswäsche für jeden Tag und jede Nacht. Oder die Synthesis-Jacke der Marke Millet, die superleicht, atmungsaktiv, extrem warm und ganz ohne Nähte daherkommt.
Das Nachhaltigkeitslabel ist Teil eines Komplettpakets, mit dem Calida sich als umfassende Premium-Marke positioniert. Wieviel lässt sich Calida die OEKO-TEX®-Zertifizierungen für verantwortliche Textilproduktion kosten?
Nimmt man alle unsere Aktivitäten in dem Bereich zusammen, ist es ein sechsstelliger Betrag. Für uns ist das aber enorm wichtig, denn Nachhaltigkeit ist bei Calida nicht nur ein Vermarktungsthema, es ist seit Anbeginn Teil unserer Unternehmenskultur. Wir nehmen unsere Verantwortung der Umwelt gegenüber mit vielen Aktivitäten wahr. Eine ist zum Beispiel die jährliche Gletscherreinigung «Mer de Glace» unseres Millet-Teams. In zehn Jahren wurden 28 Tonnen Müll gesammelt.
«OEKO-TEX-Zertifizierungen sind uns einen sechsstelligen Betrag wert.»
Noch etwas mehr als in der Schweiz setzt die Calida-Gruppe in Frankreich um. Dort sitzt aber das Geld seit rund 30 Jahren nicht mehr besonders locker. Spüren Sie seit der Machtübernahme von Macron eine Veränderung?
Ich denke, die Regierung Macron hat viele richtige Ansätze. Es ist aber zu früh, um eine echte Beurteilung abzugeben.
Die französische Lafuma Mobilier, welche Outdoormöbel herstellt und vertreibt, war im Berichtsjahr erneut die rentabelste Division. Haben die Schwierigkeiten der zweitgrössten Europäischen Möbelgruppe Steinhoff einen positiven Spilloff-Effekt?
Nein, die Steinhoff-Gruppe ist grösstenteils in einem anderen Marktsegment tätig.
Calida zeigt bei Lafuma, dass man auch mit Möbel Geld verdienen kann. Bei Möbeln ist ja das Design entscheidend. Allerdings auch bei der Wäsche. Die Calida-Gruppe arbeitet oft und gerne mit namhaften Designern zusammen. Wie hoch ist dafür das Budget?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt von der Art der Zusammenarbeit ab.
Seit 2013 fiel der bereinigte Betriebsgewinn. War 2017 das Jahr der Trendwende?
2013 war das Jahr, in dem wir die Lafuma-Gruppe gekauft haben, und die Aufgabe war, die Gruppe zu restrukturieren. Wir sind mit der Restrukturierung gut vorangekommen, und der Betriebsgewinn zeigt das im Ergebnis.
Zur Person:
Reiner Pichler ist seit 1. April 2016 CEO der Calida Group. Der 53-jährige Deutsche, der auch die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt, begann seinen Berufsweg bei der Hugo Boss AG, wo er zum Mitglied der Verkaufsleitung Deutschland aufstieg. Von 1991 bis 1994 war er Geschäftsführer Vertrieb des Gruppo Finanziario Tessile, Turin/Deutschland für die Region D/A/CH (Marken Giorgio Armani und Valentino). Danach übernahm Reiner Pichler als CEO die Leitung der Holy Fashion Group, die weltweit 1400 Personen beschäftigt, in mehr als fünfzig Ländern arbeitet und die Marken Strellson, Joop! und Windsor sowie bis 2012 die Lizenz von Tommy Hilfiger Tailord für Europa umfasst. Ende 2013 wechselte Pichler als CEO zum deutschen Modekonzern s.Oliver.
Zum Unternehmen:
Die CALIDA Gruppe ist eine global tätige Bekleidungsgruppe mit Hauptsitz in der Schweiz. Sie besteht aus den Marken CALIDA und AUBADE im Lingeriesegment sowie den Marken MILLET, OXBOW, EIDER und LAFUMA im Alpinsport- und Outdoorsegment und erzielte 2017 einen Umsatz von über 380 Millionen Franken mit rund 3‘000 Mitarbeitenden. Die CALIDA Gruppe ist an der SIX Swiss Exchange kotiert.