Remo Brunschwiler, CEO Swisslog
Remo Brunschwiler, CEO Swisslog. (Foto: Swisslog)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Brunschwiler, Swisslog hat in H1 den Umsatz um 16,2 % und den EBIT um einen Drittel steigern können. Was trug hauptsächlich zu diesem Plus bei?
Remo Brunschwiler: Es sind im Wesentlichen zwei Faktoren: Der erste ist das verbesserte Ergebnis der Division Healthcare Solutions, mit der wir automatisierte Logistiklösungen für Spitäler anbieten. Der zweite Faktor ist die Reduktion von Fixkosten.
Sonderkosten für das Optimierungsprogramm Score! belasteten die Profitabilität. Wie hoch sind die Kosten von Score! ?
Wir rechnen für Score! mit Einmalkosten von insgesamt rund 7 Mio Franken, die im Geschäftsjahr 2012 anfallen werden. Im ersten Halbjahr betrugen die Kosten 4,5 Mio Franken; damit ist der grössere Teil bereits verbucht.
Welche Hauptziele werden mit dem Programm verfolgt?
Das Hauptziel ist die nachhaltige Erhöhung der Profitabilität um 8-10 Mio Franken bis zum Jahr 2014. Das Programm umfasst zwei Stossrichtungen: Eine zielt auf die Optimierung der Kosten ab, mit der anderen wollen wir Wachstumspotenziale erschliessen. Bei beiden Stossrichtungen gibt es mehrere Ansatzpunkte.
«Ich bin mit dem Projektfortschritt von Score! sehr zufrieden.»
Remo Brunschwiler, CEO Swisslog
Und welche Fortschritte konnten bisher erzielt werden?
Ich bin mit dem Projektfortschritt sehr zufrieden. Insbesondere bei den Teilprojekten, denen für die Profitabilitätssteigerung die grösste Bedeutung zukommt, sind wir gut vorangekommen.
Während die Division Healthcare Solutions einen um rund einen Viertel höheren Auftragseingang zu verzeichnen hatte, sank dieser bei Warehouse & Distribution Solutions WDS um 43 %. Wie erklärt sich dieser Rückgang?
Die Division WDS akquirierte in der Vorjahresperiode einen Grossauftrag mit einem aussergewöhnlich hohen Auftragswert; er belief sich auf rund 100 Mio Franken. Solche Projekte kommen nicht jedes Jahr. Die Reduktion entsprach deshalb unseren Erwartungen. Wenn man diesen Grossauftrag ausklammert sind wir mit dem Auftragseingang von WDS durchaus zufrieden.
Wie wird sich der Auftragseingang der beiden Divisionen in H2 entwickeln?
Das Geschäftsumfeld in unseren Zielmärkten ist stabil. Wir rechnen mit einem insgesamt guten Auftragseingang. Ganz genau lässt sich das im Projektgeschäft aber nicht prognostizieren.
Der Auftragsbestand lag per Mitte Jahr nahezu unverändert bei knapp einer halben Milliarde Franken. Welche Erwartungen sind entsprechend mit dem 2. Semester verbunden?
Dieser hohe Auftragsbestand wird uns erlauben, die gegenüber der Vorjahresperiode erzielte Steigerung des Umsatzes fortzuschreiben. Weiter werden wir im zweiten Halbjahr mehr Projekte umsetzen, die eine höhere Marge aufweisen. Deshalb erwarten wir beim Ebit eine deutliche Verbesserung gegenüber den ersten sechs Monaten. Wir gehen davon aus, dass wir Ende Jahr bei Umsatz und Ebit gemäss unseren Prognosen abschliessen.
«Dieser hohe Auftragsbestand wird uns erlauben, die gegenüber der Vorjahresperiode erzielte Steigerung des Umsatzes fortzuschreiben.»
Das Geschäft von Healthcare Solutions verlief sehr erfolgreich. In welchen Regionen war dies besonders der Fall?
Nordamerika war einmal mehr unser stärkster Markt. Wir verfügen dort über eine breite Kundenbasis und geniessen eine erstklassige Reputation im Markt. Das hat uns auch im ersten Halbjahr 2012 viele Aufträge eingebracht. In Asien stellen wir eine kontinuierlich positive Entwicklung fest. In Singapur und China konnten wir erste Aufträge für PillPick, unsere Lösung für den automatisierten Medikationsprozess in Spitälern, akquirieren. Wir werten dies als klares Zeichen, wohin die Reise geht. In Europa war der Markt stabil.
Die Schuldenkrise hat viele Länder Europas fest im Griff. Wie wirkt sich dies auf das Geschäft der beiden Divisionen aus, in welchen Ländern lief das Geschäft gut, in welchen weniger?
Der Spitalmarkt ist generell stabiler. Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen nimmt weltweit zu, auch auf hohem Niveau. Die Division Healthcare Solutions profitiert dadurch von einem grundsätzlich positiven Trend.
Bei den Lösungen für Verteilzentren sind die Schwankungen ausgeprägter. Unser Fokus liegt auf den Branchen Detailhandel, Nahrungsmittel & Getränke sowie Pharma. Zwar gibt es auch in diesen Industrien einen langfristigen Trend zugunsten der Logistikautomation, aber unsichere Aussichten führen vergleichsweise schneller zu einer Aufschiebung oder Redimensionierung von Projekten. Das gilt gerade für Grossaufträge.
«Mit Logistikautomation lässt sich Zeit und Geld sparen – das gilt für Verteilzentren genauso wie für Spitäler.»
Der finanzielle Druck auf das Gesundheitswesen ist allgegenwärtig. Welchen Einfluss hat er auf die Entwicklung neuer Automatisierungslösungen für die Krankenhauslogistik?
Mit Logistikautomation lässt sich Zeit und Geld sparen – das gilt für Verteilzentren genauso wie für Spitäler. In Spitälern betrifft dies einerseits die umfangreichen Materialtransporte, die täglich anfallen. Mit Automatisierungslösungen für das Verpacken, Lagern und Verteilen von Medikamenten können aber auch die Ausgaben für Medikamente deutlich reduziert werden. Diese Einsparungen an Zeit und Geld kommen anderen Tätigkeiten zugute. Ein Beispiel dafür ist die Patientenpflege. Eine Krankenschwester soll ja möglichst viel Zeit für ihre Kernaufgabe, die Betreuung von Patienten, einsetzen können anstatt für Botengänge oder Materialtransporte.
Welchen Stellenwert hat die Patienten/Medikations-Sicherheit bei der Entwicklung entsprechender Lösungen?
Die Patientensicherheit ist zweifellos der wichtigste Treiber in diesem Marktsegment. Die Spitäler sind nicht nur gefordert, effizienter zu arbeiten, sondern zusätzlich den immer höheren Qualitätsanforderungen zu genügen. Die Fehlertoleranz nimmt ab – was ja grundsätzlich richtig ist, wenn es um die Sicherheit von Patienten geht. In den USA haben viele Spitäler automatisierte Systeme für den Medikationsprozess im Einsatz, die die Gefahr von Medikationsfehlern erheblich reduzieren. Wie erwähnt haben kürzlich führende Spitäler in Singapur und China unsere PillPick-Lösung bestellt. Das zeigt, dass dieser Aspekt auch in Asien an Bedeutung gewinnt. In Europa sind die Investitionen der Spitäler in die Patientensicherheit recht unterschiedlich – eigentlich erstaunlich.
Welche Trends sind im Bereich Warehouse & Distribution Solutions feststellbar?
Hier geht der Megatrend eher wieder in Richtung dezentraler Strukturen, weil die Liefergeschwindigkeit steigt und dazu die Produktvielfalt stetig zunimmt. Denken Sie zum Beispiel an den Umsatz und das Sortiment in den Tankstellenshops, die in kurzer Zeit massiv gewachsen sind. Dies bedingt eher hoch automatisierte und kompakte Lager in der Nähe der Endkunden. Zudem gewinnt die Modernisierung von Anlagen an Bedeutung. Weitere Trends sind Ergonomie und Nachhaltigkeit. Manuelle Prozesse bedeuten in Verteilzentren oft eine hohe Körperbelastung. Diese möchte man mit neuen Lösungen soweit wie möglich reduzieren. Die Nachhaltigkeit hat mit etwas Verspätung auch die Intralogistik erreicht. Dazu passt, dass Kunden vermehrt nicht nur auf die Erstellungskosten einer Anlage achten, sondern auf die Gesamtkosten über deren ganzen Lebensdauer, also inklusive Wartungskosten, Energieverbrauch und Modernisierungsbedarf.
Herr Brunschwiler, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person:
Remo Brunschwiler ist Chief Executive Officer der Swisslog-Gruppe seit März 2003. Zudem leitete er von April 2010 bis Ende 2011 ad interim die Division Healthcare Solutions. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel und schloss einen MBA am Insead in Fontainebleau ab. Von 1996 bis 2003 stand er der Eurocargo Division von Danzas vor. Von 1989 bis 1996 war er als Berater bei McKinsey in der Schweiz und in Deutschland für Logistik- und Pharma-Unternehmen tätig. Seine berufliche Laufbahn startete er als strategischer Planer bei Ciba-Geigy in Basel und als Produktmanager für pharmazeutische Produkte bei Ciba-Geigy in Italien. Remo Brunschwiler ist Mitglied des Verwaltungsrats der Holcim (Schweiz) AG sowie der gategroup Holding AG.
Zum Unternehmen:
Swisslog ist eine weltweit agierende Anbieterin integrierter Logistiklösungen für Spitäler, Verteilzentren und Lagerhäuser. Die Leistungspalette umfasst die Erstellung komplexer Logistikanlagen inklusive der Implementierung von eigener Software und Technologie sowie innerbetriebliche Logistiklösungen für Spitäler.
Die Lösungen von Swisslog ermöglichen den Kunden, die Produktions-, Logistik- und Distributionsprozesse zu optimieren, um die Flexibilität, die Reaktionsfähigkeit und die Qualität der Serviceleistungen zu steigern sowie Logistikkosten zu minimieren. Auf die langjährige Erfahrung von Swisslog in der Entwicklung und Umsetzung von integrierten Logistiklösungen verlassen sich Kunden in weltweit über 50 Ländern.