Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Stalder, die Übernahme im Oktober 2020 durch die Post sollte KLARA neue Optionen eröffnen. Wie hat sich das konkret bisher ausgewirkt, welche Möglichkeiten konnten realisiert werden?
Renato Stalder: Wir konnten die Verantwortung für das Produkt ePost übernehmen und haben dieses von Grund auf neu aufgebaut. Das digitale Versenden, Empfangen und Archivieren von Dokumenten und Rechnungen ist damit sehr einfach geworden. Darum ergänzt ePost die Business-Software von KLARA ideal. Dass wir seit 2020 zur Post gehören, hatte auch eine positive Wirkung auf unsere grossen Ecosystem-Partner wie Banken oder Versicherungen. Das Umsetzen gemeinsamer Projekte mit diesen Partnern ist sicher etwas einfacher geworden.
«Man kann der oneAPI-Schnittstelle jede Art von Input übergeben, vom SMS über eine PDF-Rechnung bis zum digital signierten Vertrag. oneAPI nimmt all diese Inputs entgegen und sucht automatisch den effizientesten Weg zum Empfänger.» Renato Stalder, CEO KLARA
Aus einem digitalen Assistenten für die Vereinfachung administrativer Abläufe bei KMU ist in den letzten sechs Jahren ein umfassendes Ökosystem für Behörden, Ämter, Unternehmen und Privatpersonen geworden. Wie weit entspricht dieses Ökosystem schon Ihren Vorstellungen, welche wichtigen Komponenten fehlen noch?
Das heute vorhandene Potenzial haben wir ungefähr zu 80 Prozent ausgeschöpft, insbesondere bei den Unternehmen. So gesehen bin ich zufrieden. Jedoch wäre bei Behörden und Ämtern noch sehr viel mehr möglich. Beim heutigen Prozess der Steuerverwaltung muss man zum Beispiel immer mal wieder eine Datei herunterladen oder hochladen, statt sie auf Knopfdruck übermitteln zu können. Doch so lange die Steuerverwaltung diesen Prozess als «digital» empfindet, reicht ihr das. Sobald sich die Verwaltung aber bewegt, entstehen neue Potenziale für unser Ökosystem, welche wir dann wiederum nutzen können.
Die ePost soll der digitale Briefkasten für die Schweiz werden, eine wichtige Komponente ist dabei die Schnittstelle “oneAPI”. Was ist das Besondere dieser Schnittstelle, wie offen ist sie?
Das Besondere an oneAPI ist die Gutmütigkeit. Man kann dieser Schnittstelle jede Art von Input übergeben, vom SMS über eine PDF-Rechnung bis zum digital signierten Vertrag. oneAPI nimmt all diese Inputs entgegen und sucht automatisch den effizientesten Weg zum Empfänger. Falls er digital erreichbar ist, etwa via eBill oder E-Mail, wird automatisch dieser Kanal verwendet. Falls nicht, wird der Input gedruckt und per Post verschickt. Für den Versender ist diese Lösung sehr komfortabel und zuverlässig. Und offen ist oneAPI auch – IT-Profis haben die Anbindung im Handumdrehen erledigt.
Welche Synergien zwischen KLARA und der Post konnten bei der Entwicklung der ePost-Plattform genutzt werden?
Es war weniger eine Synergie als ein klarer Auftrag: Die Post gab den Namen ePost, wir haben die ganze IT gemacht. Von der Vorgängerlösung wurden viele Ideen und Erfahrungen übernommen. Synergien zwischen KLARA und der Post gibt es aber auf einem anderen Gebiet, der Adressprüfung. Die Post hat hier eine enorm hohe Kompetenz, die wir sehr schätzen. Diese Dienstleistung erhalten wir aber nicht gratis, sondern bezahlen sie wie jeder andere Post-Kunde.
Anfang März haben Sie den «Communication Billing Hub» der Firma eCom Consulting auf der ePost-Kommunikationsplattform integriert. Welche zusätzlichen Funktionen ergeben sich daraus für Kunden der ePost-Plattform?
Bis jetzt druckten Grossversender wie Banken oder Krankenkassen ihre Rechnungen gewissermassen en bloc. Mit dem ePost Hub können diese Dateien in Einzeldokumente zerlegt werden. Jedes dieser Dokumente geht dann auf unsere oneAPI, die erkennt, welcher Kanal passt: eBill, E-Mail oder eben die Papierrechnung. Und der Clou ist: Alle Rechnungen, die noch gedruckt und versendet werden müssen, stellen wir wieder zu einer einzigen Datei zusammen, die wie bisher «uf ei Chlapf» bearbeitet werden kann. Als Versender muss ich also weder IT-Systeme anpassen noch ein internes Projekt aufziehen, sondern kann einfach den ePost Hub nutzen. Und das Beste daran: Weil wir jede Veränderung sofort aufnehmen, kann das Digitalisierungspotenzial endlich genutzt werden. Ab dem Tag, an dem ein Kunde sich bei eBill anmeldet, erhält er die Rechnung als eBill. Das kann keine andere Software bieten.
Während Buchhaltungs-, Vertrags-, oder Lohnsysteme schon weitgehend digitalisiert und automatisiert sind, scheint der ganze Bereich der Treuhänder und Steuerberater noch unberührt davon zu sein. Welche Pläne haben Sie, diesen Bereich in Ihrem Ökosystem ebenfalls zu integrieren?
Dieses Jahr werden wir die Treuhänder noch mehr ins Boot holen, etwa mit einer Review-Funktion: Wenn ich als KLARA-Kunde bei einer Buchung nicht ganz sicher bin, kann ich diese dem Treuhänder vorlegen. Daneben wird es noch einige weitere tolle Features geben, die den Treuhändern das Leben einfacher machen.
Obschon heute praktisch niemand mehr Handgeschriebenes verschickt, also fast alle Informationen ursprünglich digital vorhanden sind, gibt es immer noch sehr viele Medienbrüche und wird immer noch Vieles ausgedruckt und auf Papier verschickt. Was braucht es, dass sich auch hier reine digitale Abläufe durchsetzen?
Digitalisierung ist auch eine Willensfrage. Solange keiner will, haben wir die klassische Mikado-Situation: Wer sich bewegt, verliert. Dieses Zuwarten und Aufschieben ist so lange attraktiv, bis sich ein Mitbewerber dann doch bewegt. Dann reden wir nicht mehr von Mikado, sondern von Domino. Was aber bestimmt steigen wird, ist der Bedarf an Dolmetschern. Es braucht Unternehmen, die eine Datenquelle in ein anderes Format übersetzen können. Hier sind wir stark, zum Beispiel mit dem ePost Hub.
«Ab dem Tag, an dem ein Kunde sich bei eBill anmeldet, erhält er die Rechnung als eBill. Das kann keine andere Software bieten.»
Künstliche Intelligenz, lernende Maschinen und auf riesigen Datenmengen basierende Sprachmodelle wie ChatGPT, kommen immer breiter zum Einsatz. Wie verwenden Sie bei KLARA solche Mittel, wo sehen Sie die Grenzen der Künstlichen Intelligenz?
Bei KLARA setzen wir oft auf Künstliche Intelligenz, etwa bei der Verarbeitung von Rechnungen. Wir analysieren diese und zeigen dann den mutmasslichen Buchungssatz der KLARA-Kundschaft an. Dieser Ablauf wird akzeptiert, nicht aber die vollautomatische Verbuchung. Es geht also um Vertrauen. Weniger kritisch ist KI im Bereich Übersetzungen. Wir nutzen DeepL, damit unsere Kunden zum Beispiel Webshop-Artikelbeschreibungen automatisch übersetzen können. Diese Funktion wird sehr stark genutzt. Die Übersetzungen sind vielleicht nicht perfekt, aber eben gut genug.
Welches sind die wichtigsten Projekte, die Sie 2023 beschäftigen?
Bei KLARA setzen wir den Schwerpunkt auf die weitere Automatisierung von Buchhaltung und Lohnsystem. Bei ePost wollen wir die Kanäle bei oneAPI weiter ausbauen. Hier geht es vor allem um Secure Email. Wir entwickeln eine Lösung, damit unsere Kunden die gesamte Infrastruktur unter ihrem Namen und mit ihrer eigenen Domain als Absender nutzen können. Das wird spannend.
Zum Schluss des Interview haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Als erstes wünsche ich mir, dass der Ukrainekrieg beendet wird – auch wenn ich nicht weiss, wie man das lösen kann.
Zweitens wünsche ich mir, dass wir zum guten alten Schweizer Pragmatismus zurückfinden. Es muss nicht alles immer überkompliziert geregelt werden, wir dürfen uns auch gerne am gesunden Menschenverstand orientieren.