René Kamm, CEO MCH Group, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Kamm, mit der Übernahme von MC2, einem Event Marketing-Dienstleister in den USA, tätigt die MCH Group die mit Abstand grösste Akquisition ihrer Unternehmensgeschichte. Welches sind die Hintergründe des Deals?
Wir verfolgen seit Jahren eine Unternehmensstrategie, die sich auf drei Pfeiler stützt: Ausbau des Dienstleistungsangebots, Internationalisierung und Digitalisierung. Bezüglich MC2 ging es vor allem darum, im Bereich unserer «Live Marketing Solutions» einen Partner zu finden, der uns den Zugang zum wichtigen amerikanischen Markt ermöglicht und uns gleichzeitig in der Betreuung von global tätigen Kunden weiter stärkt.
Was hat MC2 zum idealen Übernahmeziel gemacht?
Mit 14 Standorten in den USA deckt MC2 den amerikanischen Zielmarkt sehr gut ab. Das Unternehmen ist mit seinem Dienstleistungsangebot nicht nur im klassischen Messe- und Eventstandbau etabliert, sondern auch bei mobilen Marketing-Kampagnen und permanenten Einrichtungen. Es hat ein sehr attraktives und stabiles Kundenportfolio mit über 350 Kunden, darunter zahlreiche führende Marken wie Toyota, Canon, Samsung, Caterpillar, General Electric, Motorola, Bloomberg oder Volvo.
Welche Vorteile erhoffen Sie sich, welche Synergien ergeben sich?
Aus der Sicht der beiden Unternehmen: MC2 ermöglicht uns, wie gesagt, einen starken «Foodprint» in den USA; umgekehrt hilft die MCH Group, dass MC2 in den USA Marktanteile gewinnen und international neue Marktsegmente erschliessen kann. Gemeinsam können wir nun lokal und global tätige Kunden in allen wichtigen Märkten – Europa, USA, Asien und Mittlerer Osten – und in allen Live Marketing Bereichen bedienen. Wir können lokale Kunden mit unseren autonomen Gesellschaften und global tätige Kunden durch das Netzwerk unter dem Dach der MCH Global betreuen.
«Bezüglich MC2 ging es vor allem darum, im Bereich unserer «Live Marketing Solutions» einen Partner zu finden, der uns den Zugang zum wichtigen amerikanischen Markt ermöglicht und uns gleichzeitig in der Betreuung von global tätigen Kunden weiter stärkt.»
René Kamm, CEO MCH Group
Bis wann soll die Integration abgeschlossen sein?
MC2 bleibt eine eigenständige Organisation innerhalb unserer Division der «Live Marketing Solutions», als eigenständiger Brand und mit ihrer eigenen «DNA». Wichtig für uns ist vor allem das Zusammenwachsen im «Business», das heisst, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und die gemeinsame Ausrichtung auf abgestimmte Marketing Strategien. Daran werden wir nun intensiv arbeiten, aber solche Entwicklungen lassen sich nur schwer exakt terminieren.
2016 war für die MCH Group zyklusbedingt es ein gutes Messejahr. Sie konnten einen Konzerngewinn von 34,3 Mio Franken ausweisen. Sie beklagen aber spürbar schwierigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. In welchen Bereichen treffen diese die MCH Group besonders?
Auf nationaler Ebene kämpfen wir schon seit Jahren mit einer relativ starken Marktsättigung, die durch die zunehmende De-Industrialisierung verstärkt wird. Hinzu kommt seit 2015 die Frankenstärke. Nun haben sich auch auf internationaler Ebene negative Folgen von Entwicklungen wie beispielsweise der wirtschaftlichen Situation in den BRIC-Staaten akzentuiert. Gleichzeitig führt die rasant fortschreitende Digitalisierung dazu, dass neue «Marketing-Wege» beschritten werden können und müssen, womit neue Anforderungen an die Marketing-Dienstleister verbunden sind. Diese und weitere Veränderungen haben unter anderem zu Umsatzeinbussen und Marktkonsolidierungen in der Uhren- und Schmuckbranche geführt, deren Folgen wir bei unserer Weltmesse für Uhren und Schmuck unmittelbar spüren.
Die Baselworld verzeichnete dieses Jahr weniger Aussteller und entsprechend auch weniger Fachbesucher. Was bringt Ihnen die beschlossene Verkürzung der Messe um zwei Tage? Die Kosten dürften ja kaum sinken.
Unsere Kosten sinken in der Tat nur marginal, aber diese Massnahme geht einher mit einem ganzen Paket, welches letztlich die Beteiligungskosten aller Aussteller senkt. Zudem werden derzeit weitere konzeptionelle Anpassungen geprüft. Für uns ist das natürlich mit entsprechenden Ertragseinbussen verbunden.
«Auf nationaler Ebene kämpfen wir schon seit Jahren mit einer relativ starken Marktsättigung (…). Hinzu kommt seit 2015 die Frankenstärke. Nun haben sich auch auf internationaler Ebene negative Folgen von Entwicklungen wie beispielsweise der wirtschaftlichen Situation in den BRIC-Staaten akzentuiert.»
Die MCH Group hat als Antwort auf die Einnahmeausfälle verschiedene strategische Initiativen eingeleitet und zum Teil bereits umgesetzt. Worauf haben Sie die Schwerpunkte gelegt?
Neben der verstärkten Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation, die eigentlich in allen Bereichen und auf allen Stufen ansetzt, verfolgen wir vor allem zwei strategische Initiativen:
Erstens: Der Ausbau und die Internationalisierung im Bereich «Live Marketing Solutions», in dem wir unseren Kunden weltweit umfassende «One-Stop-Shop»-Lösungen anbieten wollen. Hier haben wir nun mit der Akquisition der MC2 einen Riesenschritt nach vorne getan.
Und zweitens: Die «Global Art Market Strategy», mit der wir unsere Position im globalen Kunstmarkt weiter ausbauen wollen. Die «Global Art Market Strategy» umfasst zwei Teilstrategien: Mit verschiedenen Initiativen wie den «Art Basel Cities, der Herausgabe des «Global Art Market Report» und der Weiterentwicklung der digitalen Plattform soll die Art Basel von der weltweit führenden Kunstmesse zur weltweit führenden Kunstmarkt-Plattform weiterentwickelt werden. Daneben wollen wir unabhängig von der Art Basel ein neues Portfolio mit rund zehn führenden regionalen Kunstmessen aufzubauen.
Und dazu gehört auch die 25,1-%-Beteiligung der MCH Group an der Art Düsseldorf?
Ja, nach der Mehrheitsbeteiligung an der India Art Fair im September 2016 ist die Beteiligung an der ART DÜSSELDORF das zweite Projekt in diesem neuen Portfolio. Weitere werden aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr folgen.
Im Januar wurde die erste MCH-Niederlassung in den Vereinigten Arabischen Emiraten eröffnet. Welche Pläne verfolgen Sie in dieser Region und welche Rolle spielt diese in Ihrer Internationalisierungsstrategie?
Wir haben Anfang 2016 die MCH Global gegründet, welche unsere Dienstleistungen im Bereich der «Live Marketing Solution» bündeln und als Gesamtpakte den Kunden anbieten kann. Die MCH Global ist mittlerweile in Shanghai, Astana und Dubai präsent. Die Niederlassungen in Astana und Dubai erfolgten im Hinblick auf die kommenden Weltausstellungen in diesen Städten. An der Expo 2017 Astana zum Beispiel darf unsere Firma Expomoblia den Schweizer Pavillon bauen.
«Für mich sind «hybride Eventkonzepte» eines der Gebote der Zukunft im «Live Marketing».»
Trotz der eingeleiteten Initiativen erwarten Sie aber für Geschäftsjahr 2017 ein Ergebnis, das deutlich unter den Vorjahren liegen wird…
Ja, mit diesen – und weiteren – vielversprechenden strategischen Projekten können marktbedingte Rückgänge im Geschäftsverlauf kurzfristig noch nicht kompensiert werden.
Sie haben die Digitalisierung angesprochen. Wie verändert sie – oder bedroht möglicherweise – das Geschäftsfeld des Live Marketings?
Eine Bedrohung sehe ich nicht, aber gewaltige Veränderungen. Sie kann je nach Branche grossen Einfluss auf das Konsumentenverhalten und die Vertriebsstrukturen haben, was neue Marketing-Strategien und -Konzepte erfordert. Für mich sind «hybride Eventkonzepte» eines der Gebote der Zukunft im «Live Marketing»: Es gilt, mit integrierten Ansätzen die physischen und digitalen Komponenten eines Events miteinander zu verschmelzen und wechselseitig optimal zu ergänzen.
Wo sehen Sie den grössten Nutzen der Digitalisierung für Messeveranstalter? Bei den Services?
Der grosse Nutzen besteht sozusagen in der «Hyperkonnektivität», das heisst, in der Verbindung von Menschen, realem Umfeld, Geräten und Technologie mit Plattformen, Kommunikationskanälen und Netzwerken sowie schliesslich mit Inhalten, sozialen Beziehungen und Erlebnissen. Die virtuelle Erweiterung eines Events und die interaktive Beteiligung erhöhen die Aufmerksamkeit der Besucher, die gleichzeitig viel persönlicher und intensiver erreicht werden können.
Wechseln wir aus den Ausstellungshallen noch kurz auf den grünen Rasen: Sie sind seit 2011 im Verwaltungsrat des FC Basel, treten nun aber wie der gesamte VR Ende Saison zurück und überlassen das Feld dem Team um Bernhard Burgener. Ist Ihnen dieser Schritt schwer gefallen?
Natürlich… wer verlässt schon gerne eine solche Erfolgsgeschichte? Wir sind im VR aber zum Schluss gekommen, dass dies wohl der bestmögliche Zeitpunkt ist die Geschicke in neue Hände zu geben. Einerseits tritt die bisherige Equipe mit blanker Weste ab, denn sie produzierte nur Meistertitel und satte Gewinne. Andererseits macht man dies noch mit einer schönen Steilvorlage, da die neue Führung mit der direkten CL-Qualifikation für die Saison 2017/18, sowohl sportlich wie finanziell die bestmöglichen Perspektiven erhält.
Der FCB ist das Aushängeschild des Schweizer Fussballs und dominiert national nach Belieben. Was erhoffen Sie sich von der neuen Ära?
Als Fan des FCB erhoffe ich mir weitere schöne Erfolge und spektakuläre Spiele auf dem grünen Rasen. Ich hoffe aber auch, dass die nationale Konkurrenz es besser macht als in der Vergangenheit und wieder mehr Spannung in den Wettbewerb bringt.
Herr Kamm, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
René Kamm ist seit 1. Januar 2003 CEO der ehemaligen Messe Schweiz und heutigen MCH Group und gleichzeitig die Division Exhibitions. Er war nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel in leitenden Funktionen im In – und Ausland in der Konsumgüterbranche (u.a. Unilever) und Uhrenindustrie (u.a. Tag Heuer) tätig. René Kamm war von 2005 bis 2012 Vizepräsident (2009 Präsident) der European Major Exhibition Centres Association EMECA und ist Vorstandsmitglied des Weltverbandes der Messeindustrie UFI (Union des Foires Internationales). Er ist Mitglied des Verwaltungsrats der FC Basel 1893 AG und der FC Basel Holding AG sowie der Winter Holding AG, Engelberg. MC2