von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Baumgartner, Sie haben vor einigen Monaten zusammen mit Ihren Geschäftsleitungkollegen der E-Commerce-Agentur MySign, Mike Müller und Urs Koller, die gebührenfreie Online-Ticketing-Plattform Ticketfrog gegründet. Wie kam es dazu?
Reto Baumgartner: Es ist Teil unserer Vision in der MySign, das Potential, das wir mit unseren 40 Online-Spezialisten haben, auch für eigene Businessideen zu nutzen. Dafür setzen wir jedes Jahr beträchtliche interne Ressourcen ein, ohne dass wir dafür einen Auftraggeber haben, sondern aus eigenem Antrieb und somit auch eigenfinanziert. So entstanden vor Jahren schon die Linsenmax AG, heute einer der grössten Anbieter von Kontaktlinsen im Internet, sowie VJii Productions, ein Unternehmen zur Produktion und Verbreitung von Videoreportagen im Internet.
Erzählen Sie uns mehr über die Idee hinter Ticketfrog.
Ticketfrog erfüllt ein grosses Bedürfnis von vielen kleinen und mittleren Veranstaltern: Nämlich Tickets einfach, verlässlich und auf einem finanziell tragbaren Weg übers Internet zu verkaufen. Alle bestehenden Ticketing-Anbieter verlangen Gebühren, welche teilweise massiv sind und somit gerade für kleine Veranstalter nicht interessant. Ticketfrog ist der erste und einzige Anbieter, der ein komplett kostenloses Online-Ticketing anbietet. Wir übernehmen sogar die Kreditkartengebühren! Dies ist möglich, weil das Businessmodell von Ticketfrog nicht auf Gebühren basiert, sondern auf Werbung. Wir nutzen das attraktive Ticketing-Umfeld für zielgruppengenaue Werbung. Der Veranstalter kann die Werbung selber bringen, dann profitiert er sogar noch zusätzlich davon. Ansonsten kümmern wir uns darum.
«Wir setzen bei MySign jedes Jahr beträchtliche interne Ressourcen ein, ohne dass wir dafür einen Auftraggeber haben, sondern aus eigenem Antrieb und somit auch eigenfinanziert.»
Reto Baumgartner, Mitgründer und GL-Mitglied Ticketfrog
Wie funktioniert das Ticketing für den Veranstalter?
Ticketfrog bietet den Veranstaltern ein Online-Tool, um ihre Veranstaltung zu erfassen inkl. Ticketkategorien, Zahlungsarten und sogar der Möglichkeit ihren eigenen Saalplan exakt zu zeichnen und somit sitzplatzgenaue Tickets anzubieten. Dies alles ist komplett kostenlos und der Veranstalter kann es selbständig tun – es handelt sich somit um ein kostenloses Selfservice-Ticketing. Wenn der Veranstalter unsicher ist oder Fragen hat, dann hilft ihm aber selbstverständlich ein telefonischer Support jederzeit dabei, die Veranstaltungen zu erfassen.
Sie finanzieren dies über Werbung auf den Tickets. Kümmert sich Ticketfrog selbst um die Werbung oder kann der Veranstalter darauf Einfluss nehmen?
Sowohl als auch. Grundsätzlich muss sich der Veranstalter nicht darum kümmern, um vom kostenlosen Ticketing profitieren zu können. Ticketfrog sucht und platziert die Werbung möglichst zielgruppengenau. Der Veranstalter kann aber die Werbeplätze auf seinen Tickets selbst verkaufen – dann profitiert er sogar noch von attraktiven Provision.
Was kosten die Werbeplätze?
Das ist volumenabhängig – und in Zukunft auch zielgruppenabhängig. Im Moment bewegen sich die Werbeflächen im Bereich von 20-50 Rappen.
«Das Ticketing bewegt sich in einem attraktiven, emotionalen Umfeld. Das macht die Werbung attraktiv.»
Events sprechen Emotionen an. Wie lässt sich darauf eingehen?
Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb wir an unser Businessmodell glauben. Das Ticketing bewegt sich in einem attraktiven, emotionalen Umfeld. Das macht die Werbung attraktiv. Und wenn sie sogar noch zielgruppengenau ist, umso mehr.
Ticketcorner und Starticket sind die Platzhirsche. An welche Veranstalter richtet Ticketfrog sein Angebot?
Der Fokus von Ticketfrog liegt eben gerade nicht auf Grossveranstaltungen, sondern auf den vielen mittleren und kleinen Events, die regional stattfinden. Von der Balletaufführung über den Turnerabend bis zum Club-Konzert.
Ist es auch möglich, für das gleiche Event neben Ticketfrog andere Anbieter einzubeziehen?
Im Gegensatz zu den meisten anderen Ticketing-Anbietern verlangen wir keine Exklusivität von den Veranstaltern. Er ist komplett frei, Tickets auch auf anderen Plattformen zu verkaufen. In den allermeisten Fällen ergibt es sich aber, dass Ticketfrog exklusiver Ticketing-Partner ist. Denn für die Mehrheit der Events, die wir mit Ticketfrog ansprechen, ist es angesichts der Fixkosten und Gebühren gar nicht attraktiv, bei einem anderen Ticketinganbieter auch noch Tickets zu verkaufen. Und wenn sie es tun, dann wälzen sie die Mehrkosten meist auf einen höheren Ticketpreis ab, was wiederum für die Ticketkäufer nicht attraktiv ist.
Wenden Sie sich nur an Veranstalter oder auch an Künstler, die ihre Auftritte selber vermarkten wollen?
Natürlich können das neben Veranstaltern und Veranstaltungslokalen auch Künstler sein, aber auch Kursanbieter, Referenten und andere. Im Prinzip ist jeder, der einen Anlass organisiert und eine Kontrolle darüber haben will oder muss, wer und wieviele Besucher teilnehmen, ein potentieller Nutzer von Ticketfrog. Die Plattform eignet sich auch hervorragend für kostenlose Anlässe, die aber eine Anmeldung erfordern, beispielsweise Businessevents.
Welches war das bisher grösste über Ticketfrog abgewickelte Event?
Die Schlagernacht Olten, die Kunstturn-Schweizermeisterschaften, der Bike Worldcup in der Lenzerheide oder gerade aktuell die Konzertreihe Carmina Burana gehören zu den grössten Events, die bisher über Ticketfrog liefen, mit jeweils mehreren tausend Tickets.
«Im Prinzip ist jeder, der einen Anlass organisiert und eine Kontrolle darüber haben will oder muss, wer und wieviele Besucher teilnehmen, ein potentieller Nutzer von Ticketfrog.»
Mit der «Entry»-App kann der Veranstalter die Tickets beim Eintritt scannen. Wann kommt das Mobile Ticket?
Für uns hatte das Print@Home Ticket Priorität, da es bei der Zielgruppe der kleinen und mittleren Veranstaltern immer noch die bevorzugte Ticketform ist. Das Mobile Ticket ist aber selbstverständlich in unserer Entwicklungs-Pipeline und wird in den kommenden 6 Monaten kommen.
Was würden Sie zum aktuellen Zeitpunkt als grösste Herausforderung für Ticketfrog bezeichnen?
Die grösste Herausforderung bei Ticketfrog liegt wie bei fast jedem Internet-Startup darin, an Bekanntheitsgrad zu gewinnen, möglichst schnell zu wachsen und damit verbunden auch das nötige Kapital für dieses Wachstum zu erhalten. Wir haben das Glück, dass wir die erste Finanzierungsrunde relativ rasch sicherstellen konnten und auch für die nächsten Runden bereits eine Reihe von Interessenten haben. Um das Businessmodell von Ticketfrog aber über die Schweiz hinaus zu skalieren, braucht es in 2-3 Jahren bestimmt noch weiteres Kapital.
Sie gehen von einer grossen Umwälzung des Ticketingmarktes in den kommenden Jahren aus. Wie schätzen Sie das Entwicklungspotenzial von Ticketfrog ein?
Im Markt der kleinen Veranstalter sind professionelle Online-Ticketing Lösungen gar noch nicht so verbreitet. Das ist sozusagen noch Brachland. Im Markt der mittleren und grossen Veranstalter herrscht eine sehr grosse Unzufriedenheit gegenüber den heutigen Angeboten. Da stossen wir mit dem kostenlosen Selfservice-Modell von Ticketfrog auf offene Türen. Dies betrifft nicht nur die Schweiz, sondern ist ein internationales Thema. Und was das Businessmodell angeht, so sehen wir neben der zielgruppengenauen Werbung bereits heute viele weitere Möglichkeiten zur Monetarisierung, die teilweise sogar noch mehr Potential haben als die Coupons auf den Tickets. Wir sind überzeugt, wir stehen mit Ticketfrog erst ganz am Anfang. Das Potential ist riesig.
Herr Baumgartner, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Der Unternehmer und E-Commerce Experte Reto Baumgartner ist einerseits Gründer und Mitinhaber der E-Commerce Agentur MySign in Olten mit 40 Mitarbeitern und dort in der Geschäftsleitung in erster Linie verantwortlich für Marketing/Kommunikation, Akquisition und Key Account Management. Andererseits hat er die Geschäftsführung der als Tochterfirma gegründeten Linsenmax AG inne, einem der grössten Onlineshops für Kontaktlinsen und Pflegemittel in der Schweiz. In der neu gegründeten Ticketfrog AG ist er als Mitgründer und Mitinhaber neben der Weiterentwicklung des Businessmodells vor allem für Marketing, Kommunikation und PR zuständig. Nebenbei ist er als Dozent im Bereich E-Commerce an verschiedenen Weiterbildungsinstituten tätig.