von Patrick Gunti
Moneycab.com: Frau Demarmels, Emmi hat in der ersten Jahreshälfte den Umsatz organisch gehalten und einen höheren Gewinn erzielt. Wie würden Sie das Umfeld beschreiben, in dem dieses Resultat erzielt wurde?
Ricarda Demarmels: Die Emmi Gruppe bewegt sich in einem anhaltend anspruchsvollen Marktumfeld. Während sich die Konsumstimmung in vielen europäischen Märkten auf tiefem Niveau erholte, ist diese in den USA weiterhin getrübt. Dennoch gelang es uns, zu breit abgestütztem profitablem Volumenwachstum zurückzukehren und wichtige operative Fortschritte in ausländischen Gesellschaften zu erzielen. Unterstützend wirkten neben der kontinuierlichen Portfoliotransformation, Massnahmen zur Produktivitätssteigerung, konsequente Effizienzprogramme, unsere strategisch vorausschauende Einkaufspolitik und hohe Kostendisziplin.
Wie hat sich das Geschäft in der Schweiz entwickelt, der nach Nettoumsatz noch immer knapp grössten Division?
In der Division Schweiz entwickelte sich insbesondere die innovationsstarken Marken Emmi Caffè Latte, Emmi Energy Milk, Aktifit und Luzerner Rahmkäse gut, ebenso das Industriekundengeschäft mit Milchpulver. Es resultierte ein Nettoumsatz von 854.8 Millionen Franken und ein organischer Umsatzrückgang von 0.2 %, der auf die Milchpreisreduktion der Branchenorganisation Milch zurückzuführen ist. In den Segmenten Molkereiprodukte resultierte aufgrund der Milchpreisreduktion, und im Segment Käse, unter anderem wegen erneut gestiegener Käseimporte, organische Umsatzrückgänge. Im zweiten Halbjahr dürfte die Division insgesamt wieder eine positive Wachstumsdynamik verzeichnen.
In der Division America war Brasilien ein Wachstumstreiber. Welche Bedeutung hat die im April angekündigte Übernahme des brasilianischen Molkereiunternehmens Verde Campo für die Entwicklung im drittgrössten Emmi-Markt?
Brasilien ist einer der strategischen Schlüsselmärkte der Emmi Gruppe und der grösste Markt für Milchprodukte in Lateinamerika. Die Marke Verde Campo ergänzt das Produktportfolio von Emmi mit seiner in Brasilien gut etablierten, innovativen und funktionellen Premium-Milchprodukten. Wir beschleunigen damit die kontinuierliche Portfoliotransformation und sind überzeugt vom Potenzial der Marke sowie von der Qualität der Produkte mit hochwertigen Proteinen – einem wichtigen Trend in der Milchbranche.
«Wir haben es als Emmi erreicht, mit Caffè Latte einen Lifestyle zu schaffen, den es in dieser Form zuvor nicht gab: kalter Kaffeegenuss für unterwegs.»
Ricarda Demarmels, CEO Emmi
Im Rahmen der Portfoliotransformation hat Emmi im ersten Halbjahr auch den langjährigen Röstpartner Hochstrasser übernommen. Die Akquisition soll vor allem die Qualität und Innovationskraft von Emmi Caffè Latte sichern. Wie halten Sie die Erfolgsgeschichte Caffè Latte über die Qualität hinaus am Laufen?
Unsere ikonische Marke zeichnet sich durch ihre hohe Innovationskraft, Barista-Qualität und 100% natürliche Zutaten aus. Mit der Akquisition unseres langjährigen Partners sichern wir die hohe Kaffeequalität, die Expertise in der Herstellung sowie die Kapazität an Kaffeebohnen, die Emmi für die wachsenden Produktkategorie Emmi Caffè Latte benötigt.
Im 20. Jubiläumsjahr blicken wir auf eine erfolgreiche Produktgeschichte zurück. Wir haben es als Emmi erreicht, einen Lifestyle zu schaffen, den es in dieser Form zuvor nicht gab: kalter Kaffeegenuss für unterwegs. Entscheidend war es, unsere Produktinnovationen entlang der Bedürfnisse unserer Konsumentinnen und Konsumenten zu entwickeln und dabei immer die Marktorientierung im Blick zu haben. Wir feiern den Lifestyle des Produkts mit zielgruppengerechten Kampagnen, so, wie wir es besonders in diesem Jahr mit zahlreichen Marketingaktivitäten seit dem offiziellen Geburtstag am 15. März in der ganzen Schweiz erleben können. Neben innovativen Rezepturen mit nachhaltig produzierter Schweizer Milch setzen wir auch auf innovative Verpackungskonzepte, wie den neuen PET-Flaschen, die kreislauffähig sind und stärken damit gleichzeitig die Nachhaltigkeitsaspekte.
Nach welchen Kriterien werden neue Geschmacksrichtungen entwickelt?
Wir beobachten aktuelle Markttrends sehr genau. Unsere Market Insights zu den für uns wichtigsten Trends fliessen dabei in klar definierte Wachstumsfelder. Wir entwickeln unsere Produkte entlang der wichtigsten Konsumentenbedürfnisse innerhalb dieser Wachstumsfelder. Unsere Innovationspipeline wird aber nicht ausschliesslich davon geprägt, wir versuchen heute schon über aktives internationales Trendscouting die künftigen Bedürfnisse unserer Kunden und Konsumentinnen und Konsumenten zu antizipieren.
Ist Caffè Latte ein Ganzjahres-Getränk oder zeigen sich Verkaufsdellen bei in diesem Jahr doch lange Zeit schlechtem Sommerwetter?
Wir sehen natürlich eine gewisse Saisonalität, wie es sich dieses Jahr auch im regnerischen Juni gezeigt hat.
«Der Launch von «I’m your meal» war erfolgreich und das Produkt wurde von Seiten unserer Konsumenten sehr gut aufgenommen.»
Mit der Trinkmahlzeit «I’m your meal» wurde in diesem Jahr eine neue Produktekategorie lanciert. Wie wurde das Produkt aufgenommen?
Der Launch war erfolgreich und das Produkt wurde von Seiten unserer Konsumenten sehr gut aufgenommen. Unsere im Vorfeld durchgeführten Marktanalysen haben sich bestätigt und wir freuen uns vor allem in Punkto Geschmack in dieser Produktkategorie zu überzeugen. Die Resonanz unserer Handelspartner war ebenfalls durchwegs positiv.
Aktuell ist «I’m your meal» in den Geschmacksrichtungen Vanille und Schokolade erhältlich. Wann kommen neue Geschmäcker hinzu?
Die beiden Geschmacksrichtungen sind gleichermassen beliebt. Wir sehen das klare Bedürfnis nach hochwertigen Trinkmahlzeiten und sind in der Planung weiterer Geschmacksrichtungen für die Lancierung 2025.
Im Rahmen der bisher grössten Akquisition der Firmengeschichte übernimmt Emmi für 900 Millionen Euro die französische Patisserie-Gruppe Mademoiselle Desserts und stärkt damit die strategische Nische Premium Desserts. Wie wird das angestrebte «Desserts Powerhouse» nach Abschluss der Übernahme aufgestellt sein?
Mit der Schaffung des neuen Emmi «Desserts Powerhouse» werden die Emmi Dessert-Gesellschaften in Italien und den USA zusammen mit Mademoiselle Desserts übergreifend von Didier Boudy geführt, um die strategische Weiterentwicklung des Dessert-Geschäfts ganzheitlich voranzutreiben. Emmi hat über die letzten 10 Jahre im Rahmen der kontinuierlichen Portfoliotransformation ihre Dessert-Kompetenz durch eine Reihe von Akquisitionen mit Schwerpunkt auf italienisch-inspirierten Desserts aufgebaut.
Die Akquisition eröffnet Emmi neue Marktopportunitäten, vor allem mit der Ergänzung des In-Store-Bakery-Bereichs sowie in der Stärkung des Food Service, um eine führende Rolle in der weltweit wachsenden Dessertkategorie einzunehmen. Wir rechnen mit einer Umsatzverdopplung der strategischen Nische Premium-Desserts von 9% auf 17%. Die Integrationspläne werden aktuell in enger Zusammenarbeit mit dem Managementteam von Mademoiselle Desserts im Detail ausgearbeitet.
«Wir rechnen mit einer Umsatzverdopplung der strategischen Nische Premium-Desserts von 9% auf 17%.»
Nach Produktgruppen ist Käse mit einem Anteil von 28,2 % am Nettoumsatz noch immer die grösste Produktgruppe. Hier hat Emmi mit Kaltbach, dem Luzerner Rahmkäse oder dem Scharfen Maxx starke Marken aufgebaut – wie aber läuft das Käsegeschäft insgesamt?
Das Geschäft mit Spezialitätenkäse hat sich erholt, dennoch ist weiterhin eine Verschiebung zu preiswerterem Käse und Importen zu erkennen, insbesondere in der Schweiz und in den USA. In der Schweiz hat sich unser Markenkäse wie Luzerner Rahmkäse bewährt und besonders gut entwickelt. In Europa konnten wir erfreuliche Umsatzzuwächse mit Premium-Käsespezialitäten von Kaltbach in Deutschland und den Niederlanden verzeichnen.
Nachhaltigkeit ist für Sie ein grosses Thema und Emmi bekennt sich zu Netto Null bis 2050. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Wir senken unsere Emissionen entlang eines konkreten Reduktionspfades, um unsere Vision netZERO 2050 zu erreichen. Ein integrierter Teil davon sind unsere diesbezüglichen Reduktionsziele mit Horizont 2027 über deren Fortschritte wir transparent berichten. So können wir beispielsweise durch die Installation einer Biomasseanlage am chilenischen Standort in Loncoche jährlich rund 5600 t Emissionen einsparen. Die Anlage deckt damit aktuell den gesamten Primär-Energiebedarf des Standorts ab. Darüber hinaus gehen wir Partnerschaften mit Pionierunternehmen und Forschungsinstitutionen ein, um uns den Zugang zu zukunftsweisenden grünen Technologien zu sichern. Langfristig werden wir auch den Einbezug von Negativemissions- und anderen grünen Technologien prüfen sowie in Partnerschaften und branchenübergreifende Initiativen investieren.