Robert Itschner, CEO BKW, im Interview

Robert Itschner, CEO BKW, im Interview
BKW-CEO Robert Itschner. (© BKW)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Itschner, die BKW hat ein starkes Halbjahresergebnis mit einem Gewinnsprung präsentiert. Ärgert es Sie, dass das gute Resultat in der Diskussion um die Strompreiserhöhungen fast unterging?

Robert Itschner: «Ärgern» ist wohl das falsche Wort. Denn es ist natürlich verständlich, dass höhere Stromtarife viel zu reden gibt und auch die Leute beschäftigt. Aus Sicht der BKW war das Timing wahrscheinlich etwas unglücklich, dass das gute Ergebnis der BKW stark mit der Tarifkommunikation in Verbindung gebracht wurde. Denn Fakt ist: Die Ergebnisse der BKW im Geschäftsjahr 2022 und im ersten Halbjahr 2023 entstanden nicht zulasten der Kundinnen und Kunden der BKW. Denn dieses Ergebnis wurde im Grosshandelsmarkt erzielt, der über die europäische Strombörse abgewickelt wird.

In welchen Bereichen ausserhalb der Grundversorgung konnten Sie in der ersten Jahreshälfte die grössten Gewinne erzielen?

Wie bereits im Geschäftsjahr 2022 war auch im ersten Halbjahr 2023 das Energiegeschäft massgeblich am sehr guten Gesamtresultat beteiligt. Auf Basis einer soliden Liquiditätsausstattung und eines adäquaten Risikomanagements der Bewirtschaftungsaktivitäten konnte die BKW die sich durch die Normalisierung der Energiemärkte ergebenden Opportunitäten optimal nutzen. Dies beinhaltete die Realisierung von höheren Preisniveaus bei der Absicherung der Produktion aus BKW-eigenen Erzeugungsanlagen.

Aber, und das möchte ich noch hervorheben, die Ergebnisse der BKW im Geschäftsjahr 2022 und im ersten Halbjahr 2023 entstanden nicht zulasten der grundversorgten Kundinnen und Kunden der BKW. Dieses Ergebnis wurde im Grosshandelsmarkt erzielt, der über die Börse abgewickelt wird. Die BKW macht mit höheren Stromtarifen in der Grundversorgung keinen höheren Gewinn. denn die Tarife in der Grundversorgung sind reguliert.

«Fakt ist: Die Ergebnisse der BKW im Geschäftsjahr 2022 und im ersten Halbjahr 2023 entstanden nicht zulasten der Kundinnen und Kunden der BKW. Denn dieses Ergebnis wurde im Grosshandelsmarkt erzielt, der über die europäische Strombörse abgewickelt wird.»

Das Energiegeschäft florierte dank eines starken Handelsergebnisses und auch im Dienstleistungsbereich konnte der Umsatz gesteigert werden. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, aber die Profitabilität blieb hinter Ihren Erwartungen zurück. Wo liegen die Gründe und welche Massnahmen treffen Sie?

Das stimmt, der Umsatz im Dienstleistungsbereich hat um 6 Prozent zugenommen. Aber als externe Faktoren belasten nach wie vor die konjunkturelle Lage, erhöhte Materialkosten und schwierige Lieferkettenbedingungen den Ertrag im Dienstleistungsgeschäft. Wie bereits anlässlich der Publikation des Geschäftsberichts 2022 kommuniziert, hat die BKW die notwendigen Prozesse eingeleitet, um den Fokus nun auf die Profitabilität und das organische Wachstum in diesen weiterhin attraktiven Märkten zu legen. Einen wichtigen Grundstein für diese Entwicklung legen wir Building Solutions per 1. Januar 2024 mit der Bündelung ihrer Kompetenzen in den Bereichen Heizung, Lüftung, Kälte und Sanitär für den Grossanlagenbau im Wirtschaftsraum Zürich zusammen. Damit erweitert die BKW Building Solutions ihr Angebot an umweltschonenden Kundenlösungen und stärkt die Effizienz in der Projektabwicklung. Wir sind zuversichtlich, mit diesen Massnahmen in Zukunft die Profitabilität zu steigern.

Nochmals zurück zu den Strompreiserhöhungen: Die BKW produziert den Strom im Gegensatz zu vielen anderen Versorgern selbst. Während sie letztes Jahr nur die Tariferhöhung der Swissgrid an die Kundschaft weiterreichte, schlägt der Gesamttarif für den Strom per 2024 um rund 20 Prozent auf. Weshalb dieser deutliche Aufschlag?

Die Stromtarife in der Grundversorgung setzen sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Preissteigernd wirkten sich die anhaltend hohen Strommarktpreise indirekt – zum Beispiel über die Pumpenergie – auf die Gestehungskosten der Kraftwerke aus. Erschwerend für die Energieproduktion kamen die Hitzeperioden im Jahr 2022 hinzu. Dadurch konnten Kraftwerksbetreiberinnen wie die BKW weniger Strom aus Wasserkraft erzeugen, was die Produktionskosten pro Kilowattstunde Strom gesteigert hat. Zusätzlich wird schweizweit ab 2024 die neu eingeführte Stromreserve den Kundinnen und Kunden verrechnet. Diese deckt die Kosten für die Massnahmen, die der Bund zur Erhöhung der Versorgungssicherheit im Winter ergriffen hat. Ein weiterer Kostenfaktor sind der Um- und Ausbau des Stromnetzes für die Energiewende, insbesondere auch das sogenannte Smart Metering. Denn ab 2024 startet die BKW den flächendeckenden Roll-out der intelligenten Stromzähler. Trotz dieser Erhöhung liegen die Stromtarife der BKW mit rund 30 Rappen pro Kilowattstunde im unteren Mittelfeld aller Schweizer Energieversorgungsunternehmen. Und was mir wichtig ist, zu sagen: Die BKW hat durch die höheren Stromtarife in der Grundversorgung keinen höheren Gewinn. Denn die Tarife in der Grundversorgung sind reguliert. Die Erlöse dürfen insgesamt maximal die anrechenbaren Kosten decken.

Die BKW setzt den Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie planen zum Beispiel zusammen mit dem Flughafen Bern und Energie Wasser Bern im Belpmoos die grösste Freiflächen-Solaranlage der Schweiz. Wie nicht anders zu erwarten, hat sich auch bei diesem Projekt Widerstand formiert. Wie sehr wird die Energiewende durch jahrelange Verfahren gefährdet?

Ja, das ist durchaus ein Problem. Wir haben beispielsweise im Berner Jura zwei Windparks, welche seit bald 20 Jahren im Bewilligungsverfahren stecken. Das ist sehr zehrend und bringt wenig Investitionssicherheit. Ein wichtiges Element beim Erreichen der Ziele der Energiestrategie 2050 ist deshalb die Dauer von Bewilligungsverfahren für Produktionsanlagen aus erneuerbaren Energiequellen sowie die dafür notwendige Netzinfrastruktur. Der Bundesrat hat im Sommer den sogenannten Beschleunigungserlass verabschiedet. Die BKW und die Branche sprechen sich bereits seit langem dafür aus, dass die Verfahren beschleunigt werden müssen, um die ambitionierten Ausbauziele zu erreichen. Die Vorlage enthält einige sinnvolle Elemente, welche zu einer Beschleunigung der Verfahren von erneuerbaren Energien führen dürften. Ein Thema wurde jedoch, wie beim Solarexpress, vernachlässigt: das Verteilnetz. Denn das Verteilnetz ist das Rückgrat der Energiewende und muss rasch ausgebaut werden, um die Energie zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu transportieren.

«Ein wichtiges Element beim Erreichen der Ziele der Energiestrategie 2050 ist die Dauer von Bewilligungsverfahren für Produktionsanlagen aus erneuerbaren Energiequellen sowie die dafür notwendige Netzinfrastruktur.»

Es scheint einfacher, grünen Strom aus dem Ausland zu importieren. Zuletzt hat die BKW einen langfristigen Abnahmevertrag für Solarstrom mit der deutschen MaxSolar abgeschlossen. Hier ist die Planungs- und Investitionssicherheit gegeben…

Die BKW investiert in die ganzheitliche Energiewende. Dazu gehören Investitionen in die BKW-eigene Produktion und seit einigen Jahren in die Bearbeitung des PPA-Marktes mit einer Mischung aus kurz- und langfristigen Laufzeiten in den Kernmärkten. Die Abnahme von Grünstrom über PPA ermöglicht somit die Energiewende in der Schweiz sowie im Ausland.

Sie haben Ihre Aktivitäten im Bereich mit langfristigen Stromlieferverträgen (PPA) in diesem Jahr bereits massiv ausgebaut und wollen das Transaktionsvolumen mit Grünstrom noch in diesem Jahr verdoppeln. Steht dabei Windkraft weiter im Fokus?

Tatsächlich hat die BKW im Bereich Grünstrom-Abnahmeverträge im ersten Halbjahr 2023 PPAs von über 500 MW (Leistung) abgeschlossen. Die BKW prüft kontinuierlich PPA-Verträge für Wind, Onshore wie auch Offshore, und Solar im Hinblick auf die Ergänzung des vorhandenen Portfolios. Das aus einer Portfoliosicht angestrebte Verhältnis sieht Anteile von ca. 2/3 Wind und 1/3 Solar vor und beinhaltet den Einsatz von Batterien on-site.

Photovoltaikanlagen sind ein wichtiges Element in der Energie- und Klimawende. Wie viele private Anlagen schliesst die BKW in der Schweiz ans Verteilnetz an und wo liegen dabei die grössten Herausforderungen?

Die BKW hat in diesem Jahr bereits mehr PV-Anlagen an ihr Verteilnetz angeschlossen als im bisherigen Rekordjahr 2022. Im Juni dieses Jahres ging die 20’000ste Photovoltaik-Anlage in unserem Versorgungsgebiet ans Netz. Pro Tag werden 21 PV-Anlagen an das Verteilnetz der BKW angeschlossen. 2022 waren dies noch 14 Anlagen. Tendenz weiterhin stark steigend. Das ist doch eine beträchtliche Zahl.

«Pro Tag werden 21 PV-Anlagen an das Verteilnetz der BKW angeschlossen. 2022 waren dies noch 14 Anlagen. Tendenz weiterhin stark steigend. «

2024 startet die BKW die flächendeckende Installation der intelligenten Stromzähler. Wie viele dieser Smart Meter müssen installiert werden und bis wann soll der Austausch abgeschlossen sein?

Als grösste Verteilnetzbetreiberin hat die BKW einiges vor: Wir starten den flächendeckenden Einbau der Smart Meter für unsere Kundinnen und Kunden im Sommer 2024. Insgesamt tauschen wir dabei bis Ende 2028 über 400’000 Zähler aus. Das bedeutet, bis Ende 2028 erhalten alle Kundinnen und Kunden der BKW einen Smart Meter installiert.

Letzte Frage: Herbst und Winter stehen vor der Tür. Könnte es wie im letzten Winter zu einer Stromkrise kommen?

Heute eine Prognose zu machen, ist sehr schwierig. Eine mögliche Strommangellage ist stark vom Wetter abhängig. Dennoch: Die Schweiz hat bislang gut reagiert. Mit der Wasserkraftreserve haben wir eine Reserve von rund 400 Gigawattstunden bis zum Ende des Winters. Mit gelockerten Bedingungen für den Betrieb von Notstromaggregaten steht ausserdem ein virtuelles Kraftwerk bereit. Hinzu kommt das Not-Gaskraftwerk Birr. Allerdings kann auch künftig der Strom in Europa einmal knapp werden. Insbesondere, wenn ein Winter sehr kalt wird und es zu ungeplanten Ausfällen von Kraftwerken im In- und Ausland oder zu einer Beschränkung der Importkapazitäten kommt. Eine Vorbereitung ist deshalb wichtig. Ausserdem sind Energiesparbemühungen generell immer sinnvoll.

Herr Itschner, besten Dank für das Interview.

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