von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Meier, in den letzten Jahren gingen Sie durch ein Wechselbad der Gefühle. 2020 wurden die Sportbahnen Atzmännig vom Lockdown fast stillgelegt. 2021 wurde ein Rekordergebnis hingelegt. Was machen Sie jetzt mit der Million Gewinn?
Roger Meier: In der Tat war es so, dass von grosser Unsicherheit bis zum tollen Rekordergebnis alles enthalten war. Nun: zum einen hat uns eine gute Liquidität eben auch sicher durch die Krise gebracht. Daher werden wir den Gewinn auch verwenden, diese aufrecht zu halten. Zum anderen dürfen wir im Kanton St.Gallen keine Rückstellungen für Grossinvestitionen tätigen. Da wir um das Grossprojekt mit Erneuerung der Sessel- und Rodelbahn wissen, werden wir in den nächsten 5-8 Jahren auch grosse Investitionen tätigen müssen, womit eine Äufnung der Mittel unabdingbar ist.
Mit fünfeinhalb Millionen machten Sie 2021 rund 50% mehr Umsatz. Was waren für Sie die überraschendsten Treiber?
Es war wohl weniger die Überraschung, sondern vielmehr auch der Fakt, dass wir 2021 zu den Profiteuren der Covid-Massnahmen zählten. Blieben die Indoorangebote bis Juni geschlossen, so durften die Outdoorangebote entsprechend mehr Gäste begrüssen. Wenn ich aber eine Überraschung aufzählen müsste, dann ist es wohl, dass trotz hohen Auflagen viele Wintergäste im Januar und Februar sich dem Schneesport widmeten.
Letztes Geschäftsjahr brachte der April und der Mai den Kickstart. Und dieses Jahr?
65% bis 70% unseres Geschäftes sind vom Faktor Wetter abhängig. Die bereits getätigten Gruppenreservation lassen uns positiv ins Jahr 2022 blicken. Aber wie effektiv das Geschäft läuft, können wir aufgrund der erwähnten Faktoren jeweils erst im Nachhinein feststellen.
«Die bereits getätigten Gruppenreservation lassen uns positiv ins Jahr 2022 blicken.»
Roger Meier, Geschäftsführer Sportbahnen Atzmännig AG
Die Indoor-Sportanlagen sind ja als Konkurrenz im laufenden Jahr offen. Ist das ein Problem?
Jeder hat es verdient, sein Geschäftsmodell wieder vollends einsetzen zu können. Was heisst Problem? Wenn man heute selbst an schönen Tagen sieht, wie Familien und Personen zu Tausenden in die Einkaufszentren strömen, stellen diese die grosse Konkurrenz zu den Freizeitanlagen im Freien dar.
Das kleine Atzmännig hat im Gegensatz zu Grossbahnen im Umfeld wie Flumserberg oder Kronberg auch durch die 1200 kostenlosen Parkplätze eine entspannte Situation, wie ich mich gut erinnere. Sind die unkomplizierte Erreichbarkeit mit dem Auto und die vielen Parkiermöglichkeiten eine USP?
Die Parkplätze sind seit Mitte Juni 2021 nicht mehr kostenlos. Wir bewirtschaften nun auch diese. Allerdings mit einem humanen Preis von CHF 1.00 pro Stunde und maximal CHF 5.00 für 24 Stunden. Aber auch hier gilt der «Customer-Journey». Die Convenience des Reiseablaufes und die damit verbundene sorglose Anfahrt, Erreichbarkeit und das Wegfallen der Parkplatzsuche sind bei der Entscheidungsfindung des Naherholung-Suchenden elementar.
«Wenn man heute selbst an schönen Tagen sieht, wie Familien und Personen zu Tausenden in die Einkaufszentren strömen, stellen diese die grosse Konkurrenz zu den Freizeitanlagen im Freien dar.»
Von 2006 bis 2012 leiteten Sie den Marketing- und Eventbereichs der Arosa Bergbahnen. Was ist ausser der Grösse der grosse Unterschied zwischen beiden Betrieben?
Die Arosa Bergbahnen sind ein klarer Winter-Saisonbetrieb, wogegen wir ein Ganzjahresbetrieb sind. Die saisonalen Schwankungen wie bei den grossen Winterdestinationen sind bei uns im Wochenrhythmus, jeweils auf das Wochenende vorhanden. Der Zyklus ist somit über das ganze Jahr noch intensiver und kurzfristiger. Der zweite grosse Unterschied ist, dass Arosa als Destination Ferientourismus anbietet und somit den überregionalen Wochengast im Fokus anspricht. Wir betreiben Ausflugs-, respektive Naherholungstourismus und sprechen somit den nahen regionalen Markt an und zielen auf die bevölkerungsreiche Agglomeration.
Was machen die Kleinen besser?
Ich glaube nicht, dass man von besser oder schlechter sprechen kann. Wir sehen grosse Unternehmen, welche hoch innovativ, erfolgreich, flexibel und sehr nahe am Marktgeschehen funktionieren. Aber es gibt auch bei den grossen Organisationen solche, die sich mit Änderungen, Strukturen und Neuausrichtungen schwer tun. Unsere Stärke ist bestimmt das sehr schnelle, effiziente und flexible Handeln. Zudem wurden tiefergelegene, auf den Winter ausgerichtete, Freizeitanbieter früher mit der Thematik «kein Schnee» konfrontiert. Diesbezüglich besteht also ein Zeitvorsprung mit der Umstellung auf Ganzjahresbetrieb mit Fokus Sommer. Dies alles auf einem gesunden finanziellen Fundament aufgebaut, führt zur aktuellen Erfolgsstory.
Im Atzmännig können Geburtstagskinder gratis die Sessel- und Rodelbahn sowie den Rutschturm benutzen, im Übrigen auch als Erwachsen. Wie viele Gratisfrequenzen vergeben Sie damit im Jahr?
Die können im Winter auch gratis Skifahren (lacht). Im Jahr 2021 waren es genau 271 Geburtstagskarten.
Die Nachtski-Piste kann für Gruppen exklusiv reserviert werden. Kostet das extra und wird das rege genutzt?
Es wird ein Pauschalpreis von 990.00 Franken fällig. Ein wirklich tolles Angebot. Dazu kommt dann die Konsumation in der Brustenegg-Hütte oder der Atzmännig-Lodge noch kommen. Aufgrund der unsicheren Schneelage wird das Angebot jedoch wenig genutzt, da Firmen, Gruppen, oder Vereine meist nicht so kurzfristig Anlässe organisieren.
Könnte die Destination Atzmännig auch etwas im Wellness-Tourismus unternehmen?
Wo beginnt Wellness? Da lach ich und bin der Meinung, dass wir dies bereits tun. Denn Entschleunigung auf dem Sessel, das sich öffnende Panorama, naturnahe Übernachtung im Podhouse und am Abend dem Vogelgezwitscher zuzuhören sind bereits Wellness. Aber in der Tat kann man auch mit dem Töffli zur Bleiche-Wald fahren, welche einen kleinen und sehr feinen Wellnessbereich anbieten. Es besteht also bereits die Möglichkeit.