Roger Süess, CEO Green, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Süess, die sichere Energieversorgung ist auch in der Schweiz ganz weit oben auf der Sorgenliste der Wirtschaft, die Strompreise sind massiv gestiegen, je nach Situation droht eine Verknappung bis hin zu einer Mangellage mit staatlichen Eingriffen. Was heisst das für die sehr energieintensive Betreibung von Rechenzentren, inwieweit haben Sie diese Entwicklung in Ihrer Strategie berücksichtigt?
Roger Süess: Der unterbruchsfreie Betrieb unserer Rechenzentren ist zentral, denn der Finanzsektor, aber auch Lebensmittelproduzenten, Spitäler, Behörden und viele weitere Branchen bis hin zu grossen Public Cloud Anbietern vertrauen für den Betrieb ihrer IT-Infrastruktur auf uns. Das bedeutet, dass wir die Betriebssicherheit nicht nur bei Mangellagen sicherstellen, sondern auch generell bei Notfallsituationen wie z.B. bei einem Stromunterbruch.
«Mit der Auslagerung in moderne Datacenter könnten Unternehmen den Energieverbrauch um bis zu 46 Prozent reduzieren.» Roger Süess, CEO Green
Der Ausfall eines Datacenters hätte fatale Auswirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Unsere Datacenter verfügen alle über umfassende, autonome Notstromaggregate. So stellen wir den lückenlosen Betrieb auch ohne externe Netzversorgung sicher und sind sogar Teil der Lösung beim Stützen des Schweizer Stromnetzes. Zudem ist der Betrieb moderner Datacenter, wie jenen von Green, auf maximale Energieeffizienz ausgerichtet. Dagegen sind ältere, firmeneigene Rechenzentren laut neuster Studie deutlich ineffizienter und energieintensiver. Mit der Auslagerung in moderne Datacenter könnten Unternehmen den Energieverbrauch um bis zu 46 Prozent reduzieren. Hocheffiziente Rechenzentren sind daher ein zentrales und wichtiges Element einer energiesparenden Lösung.
In Dielsdorf baut Green den “Metro-Campus Zürich”. Dort sollen auf 46’000 Quadratmetern drei Rechenzentren und mehrere Bürogebäude eröffnet werden. Wie steht es um die Energiebilanz und die gesicherte Versorgung des neuen Komplexes, welche innovativen Lösungen kommen zum Einsatz, um den Energieverbrauch möglichst tief zu halten (Wärmerückgewinnung, Kreislaufwirtschaft…)?
Der Metro-Campus Zürich verbindet Energieeffizienz, Leistung und Sicherheit und darf als eines der energieeffizientesten und modernsten Datacenter Europas bezeichnet werden. Von der Architektur, über das Raumdesign und die Kühlung bis hin zu den Anlagen und der Abwärmenutzung ist alles auf maximale Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ausgerichtet. Das ist uns bei Green besonders wichtig: Wir wollen nicht nur über gute Lösungen diskutieren, sondern das Richtige tun. Mit unseren eigenen Engineers haben wir die Abwärmenutzung konzipiert und setzen sie in Zusammenarbeit mit unseren Partnern und dem Wärmenetzbetreiber um.
Dank der Abwärme aus dem Rechenzentrum können Öl- und Gasheizungen in Haushalten und Bürobauten ersetzt werden. Das spart bis zu 20’000 Tonnen CO2 pro Jahr. Von der Abwärmenutzung profitieren über 3’500 Haushalte sowie Industrie- und Gewerbe, indem sie mit klimaneutraler Heiz- und Prozesswärme versorgt werden. Zudem haben wir Photovoltaik-Anlagen ins Design integriert und nutzen dazu Dächer und Fassaden der Gebäude.
Zu den wichtigsten Standortvorteilen der Schweiz gehören die Rechtssicherheit, die verlässliche Infrastruktur und die Qualität der Ausbildung. Wie beurteilen Sie die Entwicklung in diesen Bereichen, wie die Position der Schweiz im internationalen Wettbewerb?
Die Schweiz verfügt über viele Vorteile, die einen guten Datenstandort auszeichnen. Verlässlichkeit, Stabilität, Rechtssicherheit und gute ausgebildete Fachkräfte, sowie gut ausgebaute Infrastrukturen sprechen klar für uns. Insbesondere sensitive Daten profitieren von einer Datenspeicherung in der Schweiz.
«Der Ausfall eines Datacenters hätte fatale Auswirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Unsere Datacenter verfügen alle über umfassende, autonome Notstromaggregate. So stellen wir den lückenlosen Betrieb auch ohne externe Netzversorgung sicher und sind sogar Teil der Lösung beim Stützen des Schweizer Stromnetzes.»
Interessant ist für Unternehmen zudem, dass sie ein attraktives, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Lösungsangebot in unseren Datacentern vorfinden. Das bedeutet, dass sie sämtliche hybriden IT-Architekturen – von der Private Cloud bis zur Direktanbindung an die Public Cloud in den Green-Datacentern umsetzen können. Redundanz sowie kurze Distanzen in der Datenübertragung sind weitere Vorteile, welche die Cloud Journey vereinfachen. Das Datenvolumen nimmt exponentiell zu. Daher ist es wichtig, dass die Schweiz als zentraler Datenhub auch künftig auf diese Standortvorteile zählen kann, ohne einschneidende Verordnungen und Einschränkungen. Green investiert in weitere Standorte. Mit einer optimalen Planung und Expertise gelingt eine energieeffiziente, sichere und nachhaltige Datenhaltung. Wir sehen bereits jetzt beim Metro-Campus in Dielsdorf , wie wichtig es ist, von Beginn weg optimal planen zu können.
Green gehört seit Ende 2017 zu 100% der französischen Beteiligungsgesellschaft Infravia. Welche Strategie hat Infravia für Green?
InfraVia Capital Partners investiert mit langfristigem Horizont in europäische Infrastruktur- und Technologieunternehmen und verfolgt mit Green eine Wachstumsstrategie. Beide Bereiche, unser Privatkunden-Geschäft mit Internet/TV und Hosting/Domain sowie unser Geschäftskunden-Bereich mit dem gesamten Datacenter-Angebot sollen wachsen. Eine weitere Refinanzierungsrunde für unser Datacenter-Wachstumsprogramm wurde im Januar 2023 abgeschlossen. Geplant ist der Bau zusätzlicher Datacenter auf dem Campus in Dielsdorf, der Ausbau des bestehenden Hochleistungscampus in Lupfig und Projekte an neuen Standorten in der Schweiz.
Green tritt seit Anfang 2021 als einheitliche Marke auf für das Privatkunden- und Datacenter-Geschäft. Was ist der Grund für den Strategiewechsel im Markenauftritt, welche Synergien können Sie damit realisieren?
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Nicht nur Unternehmen nutzen massgeschneiderte Connectivity- und Access-Lösungen, sondern auch jede einzelne Privatperson nutzt tagtäglich digitale Inhalte und braucht dafür verlässliche Provider. Die neue, digitale Freiheit ist heute nicht mehr wegzudenken. Mit dem Markenauftritt Green vereinen wir, was per se zusammengehört, vereinfachen Prozesse, bieten ein bedürfnisorientiertes Angebot und ein durchgängiges Kundenerlebnis.
Kundinnen erhalten ein umfassendes Lösungsangebot und können frei wählen, welcher Service zu ihrem vernetzten Leben und Arbeiten passt. Die Grundlage der Marke Green bilden unsere Werte, die wir gemeinsam mit unseren Teams entwickelt haben. Moving. Forward. Together ist unser Leitsatz, unter welchem wir unsere Gestaltungskraft ausschöpfen, neue Lösungen kunden- und nachfrageorientiert entwickeln und in einem Umfeld der Wertschätzung und des Vertrauens gemeinsam vorwärtsgehen. Dabei ist uns wichtig, dass wir uns nachhaltig weiterentwickeln und die bestmögliche Lösung für Umwelt, Mensch und den langfristigen Unternehmenserfolg erzielen.
Green bietet die ganze Palette von Leistungen für Privatkunden (Internet, TV, Telefonie, Webhosting, Domain) und Geschäftskunden (Datacenter, Cloud-Dienste, Hosting) an. Wie sehen die Umsatz- und Gewinn-Anteile der verschiedenen Bereiche aus, wo wird es in nächster Zukunft das grösste Wachstum geben?
Wir haben die erfreuliche Situation, dass beide Bereiche wachsen. Durch die steigenden Investitionen der Unternehmen in die Digitalisierung und in die Cloud Adoption wächst unser Geschäftskundenbereich jedoch stärker. Unsere Privatkunden profitieren bei Green von einem äusserst kundenfreundlichen lokalen Support sowie von sehr guten Angeboten auf einer Top-Infrastruktur. Unsere Services werden regelmässig weiterempfohlen und schneiden in Tests immer wieder sehr gut ab.
Im Datacenter-Geschäft ist Grösse ein wichtiger Erfolgsfaktor. Mit der Eröffnung des “Metro-Campus Zürich” dürfte Green seine Spitzenposition in der Schweiz festigen. Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie aus, welche Pläne gibt es zu einer möglichen Internationalisierung?
Wir haben ein herausragendes, nachhaltiges Wachstumsprogramm in der Schweiz. Wir konzentrieren uns derzeit darauf, überprüfen aber auch die Erschliessung von europäischen Datenstandorten für unsere Kunden.
Wie so häufig ist es nach einer Hype-Phase um das Internet der Dinge (IoT) ein wenig ruhiger geworden, was vermuten lässt, dass es jetzt um die Umsetzung in der Praxis geht. Welchen Einfluss hat das Internet der Dinge für den Datacenter-Betrieb, welches sind die grössten Wachstumstreiber in den nächsten Jahren?
Das Internet der Dinge (IoT) ist schon in vielen Anwendungen Realität, das Potenzial aber noch längst nicht ausgeschöpft. Gerade in der Logistik, bei intelligentem Energiemanagement, in der Fertigung wie auch in den Bereich Smart Home und Health stecken wir meiner Meinung nach erst in den Anfängen. Treiber des Datacenter-Geschäfts sind alle neuen, datenintensiven Technologien – so zum Beispiel auch Künstliche Intelligenz, Blockchain-Anwendungen oder wenn wir weiter in die Zukunft schauen autonome Systeme. Die Digitalisierung, die durch alle Branchen hinweg weiter fortschreitet, spüren wir sehr stark. Diese führt zu mehr Daten und diese brauchen letztendlich einen modernen, sicheren und energieeffizienten Datenstandort – im Idealfall dort, wo die Daten anfallen.
Welche technologischen Entwicklungen werden für das Rechenzentrums-Geschäft in den kommenden Jahren die grösste Bedeutung haben?
Ein Schlüsselfaktor moderner Datacenter ist ihre Energieeffizienz – das wird sich in den nächsten Jahren weiter verstärken. Dass wir schon seit Jahren kontinuierlich unsere Energieeffizienz optimieren, verschafft uns einen Wissens- und Technologievorsprung. Hier sind nicht nur einzelne Technologien wichtig, sondern das optimale Zusammenspiel aller Faktoren. Wir stehen in engem Austausch mit Kunden, Lieferanten, Verbänden und Hochschulen, um uns laufend gemeinsam weiterzuentwickeln.
«Von der Abwärmenutzung profitieren über 3’500 Haushalte sowie Industrie- und Gewerbe, indem sie mit klimaneutraler Heiz- und Prozesswärme versorgt werden.»
Ein weiteres Thema sind die CO2-Emissionen. Das schliesst nicht nur die Energieversorgung sondern auch die gesamte Supply Chain ein, die wir in Bezug auf Nachhaltigkeit überprüfen. Zudem werden neue Konzepte, wie die Abwärmenutzung – die wir bereits einsetzen, Einzug halten. Diese sind jedoch nur mit spezifischem Fachwissen, geeigneten Standorten und in Zusammenarbeit mit den Energienetzbetreibern möglich. Ein weiteres, grosses Thema sind neue Energiequellen und deren Erschliessung. Denn nur so können wir die Energiewende vollziehen und die Digitalisierung weiter vorantreiben, für einen nachhaltigen Wohlstand und eine gesunde Wirtschaft.