von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Fischer, das Geschäft von Oerlikon floriert. Im 1. Quartal konnte der Umsatz um 35,7 % auf 813 Mio. Franken gesteigert werden, der Bestellungseingang liegt sogar 37,8 % über dem Vorjahreswert. Wie erklärt sich das starke Wachstum?
Roland Fischer: Das gute Ergebnis im 1. Quartal führe ich auf unsere Strategie zurück. Bei Oerlikon konzentrieren wir uns auf die Stärkung unserer Kernbereiche und führen das Geschäft mit einer strikten Kostendisziplin. Das Geschäft mit Oberflächenlösungen bauen wir zusätzlich zum organischen Wachstum mit gezielten Technologieakquisitionen kontinuierlich aus. Im Segment Manmade Fibers haben wir unsere Marktposition und Wettbewerbsfähigkeit bei Chemiefasern im chinesischen Markt für Filamentanlagen verbessert. Aber auch die Märkte Indien, Türkei und die USA verzeichneten eine gute Entwicklung. Darüber hinaus konnten wir mit den Systemen für Stapelfasern, Texturierung und Teppichgarn weiter zulegen. Das Segment Drive Systems realisierte dank der Neupositionierung des Produktportfolios und einer stärkeren Marktfokussierung nach Abschluss der Restrukturierungsmassnahmen einen erfolgreichen Turnaround. Das Segment erzielte ein gutes Wachstum und konnte die Profitabilität weiter verbessern.
Besonders stark wuchsen Umsatz und Profitabilität im Segment Manmade Fibers (Chemiefasern). Massgeblich dazu beigetragen hat das Geschäft mit Filamentanlagen in China, wo Oerlikon zwei Grossaufträge im Wert von über 500 Mio. Franken erhalten hat. Was gab den Ausschlag zugunsten der Chemiefaserlösungen von Oerlikon?
Als Weltmarktführer bei Systemen zur Chemiefaserherstellung sind wir das einzige Unternehmen, das komplette Produktionslösungen aus einer Hand anbieten kann – von der Schmelze bis zu Garnen, Fasern und Vliesstoffen. Mit unseren Anlagen können unsere Kunden die Produktionskosten weiter senken bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Qualität. Weitere wichtige Faktoren sind ein niedriger Energieverbrauch und der geringe Platzbedarf der Produktionsanlagen. Als Technologieführer und Partner mit langjährigen Kundenbeziehungen haben wir diese Bedürfnisse in den neusten Generationen von Produktionssystemen entsprechend berücksichtigt.
«Bei Oerlikon konzentrieren wir uns auf die Stärkung unserer Kernbereiche und führen das Geschäft mit einer strikten Kostendisziplin.»
Roland Fischer, CEO Oerlikon
Wie lief es in Indien, in der Türkei oder in Südamerika, wo das Geschäft zuletzt stark ausgebaut wurde?
Ein wichtiges Element der Strategie des Segments Manmade Fibers besteht in der regionalen Diversifizierung des Geschäfts ausserhalb von China. Das ist uns 2017 gut gelungen. Indien trug im letzten Jahr 15 % zum Segmentumsatz bei und generierte auch im 1. Quartal einen substantiellen Bestellungseingang. Die indische Textilindustrie stellt für das Segment Manmade Fibers einen attraktiven Wachstumsmarkt dar. Oerlikon ist in diesem Markt gut positioniert und wir sind davon überzeugt, dass Indien in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen wird. Auch in der Türkei verzeichneten wir 2017 eine anhaltend gute Nachfrage. Insbesondere nach Systemen für Filamente, Stapelfasern und Teppichgarne.
Vor einem Jahr waren Sie bei der Einschätzung bezüglich der Erholung des Filamentgeschäfts noch recht zurückhaltend. Was hat sich in der Zwischenzeit getan?
Im Segment Manmade Fibers trat nach zwei schwierigen Jahren 2017 eine deutliche Trendwende bei der Marktnachfrage ein. Die wichtigsten Hersteller nutzten die Zeit der Marktschwäche zur Konsolidierung. Heute investiert insbesondere der chinesische Markt in Produktionskapazitäten für die nächsten Jahre, was zu einer erheblichen Steigerung der Nachfrage bei Filamentanlagen führt.
Wie verlief die Entwicklung bei anderen Systemen wie Stapelfaseranlagen oder Teppichgarnanlagen?
Auch bei Systemen für Stapelfasern, Texturierung und Teppichgarn verzeichneten wir eine gute Nachfrage. Insbesondere in Indien und in der Türkei hat der Bestellungseingang zugenommen. Auch Nordamerika verzeichnete einen deutlich höheren Bestellungseingang im Teppichgarngeschäft.
Im grössten Segment von Oerlikon, dem Geschäft mit Oberflächenlösungen (Surface Solutions) kletterte der Umsatz um 9,1 % auf 361 Mio. Franken. Vor allem im Bereich allgemeine Industrie war die Nachfrage gross. Wie entwickelten sich andere wichtige Märkte wie die Automobilindustrie oder die Luft- und Raumfahrt?
Mit unseren Oberflächentechnologien konnten wir im 1. Quartal 2018 in allen Märkten wachsen. In der Automobilindustrie und der Luft- und Raumfahrt entwickelte sich das Geschäft im 1. Quartal weiterhin gut. Aufgrund zunehmend strenger Emissionsstandards verlangt die Automobilindustrie nach Lösungen und Technologien, die sowohl den Verbrauch als auch die Emissionen senken. Mit unserer neuen Beschichtungstechnologie SUMEBore™ für Zylinderlaufflächen, die eine geringe Reibung garantiert, den Öl- und Kraftstoffverbrauch reduziert und Verschleiss und Korrosion vermindert, konnten wir im 1. Quartal einige führende Automobilhersteller überzeugen. Wir verzeichneten darüber hinaus auch eine gesteigerte Nachfrage nach Werkzeugbeschichtungen für die Automobilindustrie. Für die Zukunft sehen wir für unsere Oberflächentechnologien ein erhebliches Potenzial bei Hochleistungswerkzeugen, die in der Medizin, bei der Bearbeitung von speziellen Metallen oder etwa in der E-Mobilität zum Einsatz kommen.
In der Luft- und Raumfahrt entwickelt sich die Nachfrage nach unseren Anlagen und Lösungen für das thermische Spritzen weiterhin gut. Thermisch gespritzte Einlaufschichten zur Spaltmasskontrolle erhöhen die Triebwerkssicherheit und helfen, die Effizienz von Triebwerken um bis zu 5 % zu steigern. Mit Surface One™, einem innovativen thermischen Spritzsystem von Oerlikon Metco, generieren wir grosses Interesse bei unseren Luftfahrtkunden. Im Luftfahrtsektor stellen wir auch eine steigende Nachfrage nach Beschichtungsmaterialien aus Titan und Aluminium fest. Diese Metalle werden zunehmend auch im Bereich der additiven Fertigung, dem sogenannten 3D-Druck, für nicht sicherheitskritische Anwendungen im Luftfahrtbereich eingesetzt und treiben den Markt für solche Metallpulver zusätzlich an.
«Mit unseren Oberflächentechnologien konnten wir im 1. Quartal 2018 in allen Märkten wachsen.»
Welche Entwicklungen standen im neuen Geschäftsbereich Additive Manufacturing (AM) im Zentrum?
Im 1. Quartal 2018 ist Oerlikon mit Boeing eine bedeutende Entwicklungspartnerschaft eingegangen. Wir werden gemeinsam mit Boeing in den nächsten fünf Jahren standardisierte additive Werkstoffe und Verfahren für die Luftfahrt entwickeln. Die Kooperation schafft dabei wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung eines breiten Spektrums von sicheren, zuverlässigen und kostengünstigen Titanbauteilen für die Luft- und Raumfahrt. Auch die Partnerschaft mit Farsoon Technologies trägt dazu bei, die Industrialisierung additiv gefertigter Industrie-Komponenten voranzutreiben. Hier bieten wir eine gemeinsame Lösung, bestehend aus qualifizierten Metallpulvern von Oerlikon AM und AM-Druckern von Farsoon, an. Damit wollen wir die additive Fertigung in China für eine breitere Anwendung zugänglich machen.
Das Segment Drive Systems erzielte einen rund 20 % höheren Umsatz und Bestellungseingang. Was war hier eher für den Wachstumssprung verantwortlich – die erfolgreiche Repositionierung oder die gute konjunkturelle Entwicklung?
Beides. Wir haben zum einen das Segment erfolgreich repositioniert und das Produktportfolio auf attraktive Wachstumsmärkte wie etwa E-Mobilität ausgerichtet. Zum anderen haben sich alle Schlüsselmärkte des Segments im 1. Quartal 2018 positiv entwickelt. Hierzu zählen unter anderem Landwirtschaft, Bau, Transport- und Automobilindustrie sowie Energie und Bergbau.
Der Agrarmarkt ist der wichtigste Markt des Segments. Welche Entwicklungen waren hier festzustellen?
Der Umsatz im Agrarmarkt lag im 1. Quartal 2018 etwa 20 % über Vorjahr. Wir rechnen damit, dass die positive Entwicklung in den USA, in Europa und in Indien anhält. Treiber waren Investitionsrückstände sowie gute Marktperspektiven in den USA und in Europa. Hinzu kommen gute Ernten und eine gezielte staatliche Förderung des ländlichen Raums in Indien. Mit dem Produktionsanlauf neuer Produkte konnten wir zusätzlich unsere Marktanteile erhöhen.
«Wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass sich die allgemein positive Dynamik in den Endmärkten in den kommenden Quartalen fortsetzen wird.»
Dass der Bereich Drive Systems mittelfristig veräussert werden soll, ist bekannt. Was ist an Berichten dran, dass Oerlikon nun aber eine Abspaltung und den Börsengang der Sparte vorbereitet?
Wir haben im März kommuniziert, dass wir nach der erfolgreichen Repositionierung des Segments nun alle Optionen für das Segment prüfen. Es ist jedoch zu früh, eine Aussage über konkrete Schritte zu machen. Noch wurden keine Entscheidungen getroffen. Wir sollten in den nächsten Monaten zu einer Beurteilung kommen.
Sie haben den Ausblick für 2018 bestätigt. Wo sehen Sie derzeit die grössten Risiken im geopolitischen Umfeld, die Oerlikon einen Strich durch die Rechnung machen könnten? Bei US-Präsident Trumps Protektionismus?
Geopolitische Spannungen oder einschneidende protektionistische Massnahmen würden sich natürlich negativ auf den weltweiten Handel und somit auf die Geschäftsentwicklung im Industriesektor insgesamt auswirken. Wir gehen aber aus heutiger Sicht davon aus, dass sich die allgemein positive Dynamik in den Endmärkten in den kommenden Quartalen fortsetzen wird. Diese Einschätzung und ein sehr gutes 1. Quartal 2018 lassen uns daher den Ausblick bestätigen.
Herr Fischer, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Dr. Roland Fischer (1962; deutscher Staatsbürger) wurde per 1. März 2016 zum Chief Executive Officer (CEO) des Oerlikon Konzerns ernannt. Vor seinem Eintritt bei Oerlikon war Roland Fischer in verschiedenen Führungsfunktionen bei der Siemens AG tätig, zuletzt von 2013 bis 2015 als CEO der Division Power and Gas. Von 2011 bis 2012 war er CEO der Division Fossil Power Generation und von 2008 bis 2011 CEO der Business Unit Fossil Power Generation – Products von Siemens in Deutschland. Vor seiner Karriere bei Siemens bekleidete er verschiedene Managementpositionen bei der MTU Aero Engines AG in Deutschland und Malaysia, zuletzt als Senior Vice President Defence Programmes in Deutschland. Roland Fischer besitzt einen Abschluss in Aeronautical Engineering der Universität Stuttgart und einen Doktortitel (Dr.-Ing.) in Aeronautical Engineering der Universität Karlsruhe.