Rolf Häner, CEO Cleantech Switzerland

Rolf Häner, CEO Cleantech Switzerland

Rolf Häner, CEO Cleantech Switzerland.

Von Patrick Gunti.

Moneycab: Herr Häner, was kennzeichnet den Schweizer Cleantech-Markt?

Rolf Häner: Der Schweizer Cleantech-Markt ist umfassend und sehr fragmentiert. Vom internationalen Multi über mittlere bis kleinere Unternehmen bis hin zum Start-up ist alles vertreten. Cleantech umfasst eine breite Palette an Technologien. Dazu zählen die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Ressourcen, die Senkung von Emissionen, erneuerbare Energien und Materialien, effiziente Energiesysteme und -Anwendungen sowie nachhaltige Mobilität.

Wie wichtig ist der Cleantech-Markt heute bereits in der schweizerischen Wirtschaft?

Der Markt ist wichtig und wird immer wichtiger. Aktuell zählt der Cleantech-Sektor in der Schweiz schätzungsweise 160‘000 Arbeitnehmer, was 4,5 Prozent der gesamten Beschäftigten entspricht. Die Bruttowertschöpfung beträgt ungefähr 18 bis 20 Milliarden Franken oder 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Der aktuelle Swiss Cleantech Report unterstreicht, dass die Schweiz über sehr gute Startchancen für Cleantech sowie Forschung, Investitionen und Innovationen verfügt. Wie stehen die Chancen, dieses Knowhow auch umfassend zu exportieren und vom zu erwartenden, weltweiten Boom zu profitieren?

Die Chancen stehen gut, denn Schweizer Cleantech-Firmen forschen intensiv, und wichtige Handelspartner wie Nordamerika, China und Indien wollen in den kommenden Jahren Milliarden in Cleantech investieren. Gemäss dem Europäischen Patentamt steht die Schweiz gemessen an der Anzahl Patente pro Kopf hinter Deutschland und vor Japan und den USA an zweiter Stelle. Und was den Export betrifft: Viele Schweizer Firmen, allen voran natürlich die grösseren, verkaufen ihre Cleantech-Produkte und -Dienstleistungen schon seit Jahren erfolgreich im Ausland. Wir von der Exportplattform Cleantech Switzerland arbeiten intensiv daran, dass auch kleinere und mittlere Schweizer Cleantech-Firmen mehr exportieren können.

Inwieweit hilft das Image der Schweiz als umweltverbundenes und naturnahes Land?

Das Image hilft natürlich: Das Ausland verbindet die Schweiz mit unberührter Natur, Sauberkeit, Funktionstüchtigkeit. Aber mit dem Image allein gewinnt man auf die Dauer keine Blumen. Man muss auch konkurrenzfähige Produkte und Dienstleistungen haben und sich zu verkaufen wissen. Mit der solarbetriebenen Monte-Rosa-Hütte und dem Solar-Flugzeug von Bertrand Picard hat die Schweiz im Ausland bereits viel Aufmerksamkeit erregt. 2009 wurde die Monte-Rosa-Hütte mit dem kalifornischen Milestone Award ausgezeichnet.

«Wenn Milliardeninvestitionen nicht mehr in neue Atomkraftwerke, sondern in die Förderung erneuerbarer Energien fliessen, dann gibt das der Branche gewaltigen Auftrieb. Damit steigen natürlich auch die Exportchancen von Cleantech ‹Made in Switzerland›.»
Rolf Häner, CEO Cleantech Switzerland

Wie viele Schweizer Cleantech-Unternehmen exportieren ihre Produkte und Dienstleistungen heute?

Cleantech ist immer noch ein mehrheitlich inländischer Markt. Aktuell exportieren rund 38 Prozent der Schweizer Cleantech-Unternehmen ihre Produkte und Dienste. Und von diesen Exporten fliessen 62 Prozent nach Europa. An der Spitze der Exporte liegen die Teilbereiche Abfallwirtschaft und Ressourceneffizienz, gefolgt von Umwelttechnologien, Elektrizitätsspeichern und Energieeffizienz.

Mit dem vom Bundesrat angekündigten Ausstieg aus der Kernenergie spricht mehr denn je zuvor für Cleantech, vor allem für Firmen, die energieeffiziente Produkte und Produkte zur Gewinnung von erneuerbaren Energien herstellen. Welche Auswirkungen hat der Bundesrats-Entscheid langfristig auf die Exportchancen von Swiss Cleantech?

Wenn Milliardeninvestitionen nicht mehr in neue Atomkraftwerke, sondern in die Förderung erneuerbarer Energien fliessen, dann gibt das der Branche gewaltigen Auftrieb. Damit steigen natürlich auch die Exportchancen von Cleantech „Made in Switzerland“. Wichtig ist auch, dass die Schweiz an der internationalen Cleantech-Forschung dran bleibt. So ist die ETH Zürich Teil eines internationalen Netzwerks, dessen Ziel ist es, wissenschaftliche Grundlagen und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln.

Cleantech Switzerland wurde vor rund einem Jahr gestartet, mit dem Ziel, der Branche den Zugang zu zukunftsträchtigen Exportmärkten erleichtern. Was bietet Cleantech Switzerland an?

Als Exportplattform für den Schweizer Cleantech-Sektor unterstützen wir Schweizer KMU beim Eintritt in die attraktivsten Exportmärkte weltweit und sind gleichzeitig Anlaufstelle für ausländische Firmen, die mit Schweizer Cleantech-Firmen Kontakt aufnehmen möchten. Wir informieren über wichtige Investitionspläne von Regierungen, eruieren Messen und vermitteln Kontakte für Partnerschaften. Ende November haben wir beispielsweise anlässlich des Staatsbesuchs des Türkischen Präsidenten Abdullah Gül in der Schweiz das Swiss-Turkish Cleantech-Forum organisiert, an dem rund 150 Cleantech-Firmen teilnahmen. Die Türkei ist ein wichtiger Zukunftsmarkt für die Cleantech-Branche. Der Investitionsbedarf über die nächsten 12 Jahre beträgt dort rund 60 Mrd. Euro.

Welche Strategie wenden Sie an?

Unsere Hauptaufgabe ist die Kontakt- und Geschäftsvermittlung im Ausland. Dafür haben wir unsere Vertreter vor Ort. Sie arbeiten bevorzugt mit den Swiss Business Hubs zusammen und unterhalten wichtige Kontakte zu Regierungsstellen und Firmen. Wenn vielversprechende Cleantech-Projekte geplant sind, dann leiten sie diese Informationen an die Zentrale in der Schweiz weiter. Hier werden diese ausgewertet und über die Exportplattform an unsere Mit-gliederfirmen verteilt. Cleantech Switzerland organisiert im Ausland auch eigene Anlässe, an denen sie Vertreter von Schweizer Firmen mit lokalen Entscheidungsträgern zusammenbringt.

«Als Exportplattform für den Schweizer Cleantech-Sektor unterstützen wir Schweizer KMU beim Eintritt in die attraktivsten Exportmärkte weltweit und sind gleichzeitig Anlaufstelle für ausländische Firmen, die mit Schweizer Cleantech-Firmen Kontakt aufnehmen möchten. «

Wie sieht Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr aus, wo lag der Schwerpunkt der Tätigkeiten?

Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit lag in Nordamerika, China, Indien und der Türkei. In China und Nordamerika wurden unter anderem verschiedene Immobilienprojekte identifiziert, die Schweizer Cleantech-Firmen gute Geschäftschancen auf dem Gebiet der Energieeffizienz und des ökologischen Bauens bieten. In China kommen Umweltsanierungen, wie die Sanierung von mit Schwermetallen belasteten Flüssen sowie die Eindämmung der Luftverschmutzung hinzu. Anfang Mai organisierten wir diesbezüglich in Hunan zusammen mit lokalen Partnern den Sino-Swiss Environmental & Energy Cooperation Event. Zweck der mit 50 bis 60 Teilnehmern im kleinen Rahmen gehaltenen Veranstaltung war es, Schweizer Firmen mit Regierungsvertretern von Hunan zusammenzubringen.

Welche konkreten Ergebnisse und Erfolge liessen sich realisieren?

Cleantech Switzerland zählt schon über 200 beteiligte Unternehmen und wir haben bislang 72 Projekte und 25 Partnerfirmen identifiziert. Diese Bilanz kann sich sehen lassen. In Nordamerika und China gab es bislang je einen konkreten Vertragsabschluss. Bei einem chinesischen Immobilienprojekt kam es vor rund einem Monat zu verschiedenen Treffen zwischen den chinesischen Auftraggebern und Schweizer Firmen. Die Chancen stehen gut, dass daraus noch echte Kooperationen entstehen.

Zuletzt ist Cleantech Switzerland eine Kooperation mit dem grössten Wirtschaftsverband Indiens eingegangen. Welche Exportmärkte für Schweizer Cleantech-Produkte haben Sie definiert?

Unsere wichtigsten Zielmärkte sind Nordamerika, China, Indien sowie einzelne Staaten in der EU, allen voran Grossbritannien und Polen. Ebenfalls von Bedeutung sind Ungarn, die Türkei, die Golfstaaten und Mexiko. Diese Märkte stellen für dieses und die kommenden Jahre im Rahmen von Fördermassnahmen für den Umweltschutz und Konjunkturprogrammen rund 500 Milliarden Franken für Cleantech-Investitionen bereit. Bei der Partnerschaft mit der Confederation of Indian Industry (CII) stehen erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Wasser- und Abwassernutzung und Umwelttechnologien im Zentrum. Die an Cleantech Switzerland teilnehmenden Firmen erhalten durch Kooperation mit dem Spitzenverband der indischen Wirtschaft Zugang zu über 90’000 indischen Unternehmen.

Welches sind die nächsten Ziele von Cleantech Switzerland?

Wir müssen den neuen Schwung, den die Cleantech-Branche nach den Reaktorunfällen in Japan erfahren hat, optimal nutzen. Cleantech ist zweifellos eines der wichtigsten Themen der Technologiebranche, wenn nicht das wichtigste überhaupt. Für uns bedeutet dies: Wir müssen noch stärker an die kleinen und mittleren Unternehmen heran treten und ihre Bedürfnisse noch besser kennen lernen. Dazu haben wir unsere Aktivitäten im In- und Ausland verstärkt. Diesen Herbst steht eine ganze Reihe wichtiger Messen und anderer Veranstaltungen auf dem Plan, angefangen mit der Umwelt11 in Zürich und dem European Future Energy Forum in Genf.

Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?

Der Schweizer Führungsnachwuchs besetzt eine Spitzenposition im Ingenieur- und Technologiebereich, wie die gute Positionierung der ETH Zürich im internationalen Vergleich zeigt. Auch in den anderen Bereichen müssen wir uns nicht verstecken. Die Schweiz besitzt gute Köpfe.

Wie wichtig ist Vielfältigkeit für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?

Für eine weltweit vernetzte Organisation wie Cleantech Switzerland ist Vielfältigkeit natürlich unabdingbar.

Herr Häner, wir bedanken uns für das Interview.

Zur Person
Rolf Häner (45) ist seit 2010 Managing Director von Cleantech Switzerland, der Exportplattform für den Schweizer Cleantech-Sektor. Davor war er als Dozent an einer kaufmännischen Berufsschule und in der Weiterbildung zu höheren Fachprüfungen sowie als Co-Autor von Fachprüfungen und Lehrmitteln tätig. Seine früheren Stationen umfassten eine Führungsfunktion im Supply Chain Management und Export bei einem internationalen Nahrungsmittelkonzern sowie die Beratung von KMU als Key Account Manager bei einer Grossbank, insbesondere bei der Ausarbeitung von Finanzierungen. Rolf Häner verfügt über einen Abschluss in Betriebswirtschaft der Universität Zürich.

Symbolbild KF für CEO Interviews

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