Rolf Stangl, CEO SIG Combibloc, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Stangl, SIG stellt mit aspetischen Kartonverpackungen ein Produkt her, dass dem Endkunden beim Kauf von Getränken und Lebensmitteln fortlaufend begegnet. Was ist den Kunden wichtiger, die Verpackung oder der Verschluss?
Rolf Stangl: Wir stellen ja nicht nur Verpackungen und Verschlüsse her, sondern liefern unseren Kunden ein ganzes aseptisches System mit Füllmaschinen, Verpackungsmänteln, Verschlüssen und dazugehörenden Dienstleistungen. Aber zu Ihrer Frage, ob Verpackung oder Verschluss wichtiger sei: In unserer mobilen Gesellschaft wird immer mehr direkt aus der Verpackung konsumiert. Für den Konsumenten muss deshalb das Gesamtpaket stimmen. Die Verpackung muss handlich sein und der Verschluss praktisch. Man darf aber nicht vergessen, dass für die Haltbarkeit des Produktes vor allem auch das Verpackungsmaterial entscheidend ist. Da steckt sehr viel Know-how drin.
Man hatte sich ja früher, also zu Zeiten, als die Verpackungen noch aufgeschnitten werden mussten, schon daran gewöhnt, dass es beim Ausgiessen fast immer ein Unglück gegeben hat. Inwieweit entwickelt SIG heutige Verschlusssysteme weiter?
Der Verschluss und seine Verbindung mit der Verpackung sind ein ganz wichtiger Teil unseres Angebots und wir stellen hier unsere Innovationskraft laufend unter Beweis. Wir haben 1993 den weltweit ersten wiederverschliessbaren Ausgiesser und im Jahr 2000 den ersten Schraubverschluss für aseptische Kartonverpackungen auf den Markt gebracht. Heute setzen wir in Punkto Ausgiesskomfort mit unserer Kartonflasche combidome Massstäbe. Unser Kompetenzzentrum für Verschlüsse befindet sich übrigens in Neuhausen, an unserem Hauptsitz in der Schweiz.
Mit dem preisgekrönten SIGNATURE Pack hat SIG die erste aseptische Kartonpackung entwickelt, die zu 100% in Verbindung zu pflanzenbasierten nachwachsenden Rohstoffen steht. Welche Anforderungen seitens Ihrer Kunden und letztlich der Konsumenten stellen Sie bezüglich Nachhaltigkeit fest?
Nachhaltigkeit ist bei unseren Kunden wie bei den Konsumenten ein grosses Thema. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Kartonverpackungen eine bessere Umweltbilanz aufweisen als anderen Materialien wie Glas oder Plastik. Der Grossteil des verwendeten Materials kommt aus nachwachsenden Rohstoffen – beim SIGNATURE Pack bis zu 100%. Die Kartonpackungen sind vollständig recyclebar und die Recyclingquoten beispielsweise in der EU steigen seit Jahren kontinuierlich an. Wir sind sehr stolz darauf, was wir in diesem Bereich in den letzten Jahren erreicht haben.
«Wir wollen „net positive“ werden, das heisst, wir streben langfristig einen positiven Gesamteffekt an, indem wir als SIG der Gesellschaft und Umwelt mehr zurückgeben wollen, als wir von ihnen beanspruchen.» Rolf Stangl, CEO SIG Combibloc
Wie wichtig sind solche Innovationen für SIG, wie viel investieren Sie in diesen Bereich?
Verantwortungsvolles Handeln ist ein zentrales Element unserer Geschäftstätigkeit. Wir wollen „net positive“ werden, das heisst, wir streben langfristig einen positiven Gesamteffekt an, indem wir als SIG der Gesellschaft und Umwelt mehr zurückgeben wollen, als wir von ihnen beanspruchen. Alle unsere Materialien, Produkte und Dienstleistungen sollen deshalb hinsichtlich Nachhaltigkeit zertifiziert sein. Unser gesamter Rohkarton wird heute schon ausschliesslich von Lieferanten mit FSC-Zertifizierung bezogen, unsere Kartons sind vollständig wiederverwertbar und stammen zu 70–80% aus erneuerbaren Materialien. Wir haben zudem innovative Produkte wie die EcoPlus-Packung entwickelt, welche die CO2-Bilanz um rund 30 Prozent verbessert. Auf der Unternehmensebene haben wir dank verschiedener Massnahmen im Nachhaltigkeitsrating von EcoVadis Gold-Status erreicht und gehörten 2017 zum besten Prozent der 30‘000 untersuchten Unternehmen.
Ihre Kunden müssen ein immer breiteres Getränke- und Lebensmittel-Angebot für wachsende neue Märkte produzieren und sich auf veränderte Konsumansprüche einstellen. Welche Auswirkungen hat dies auf SIG Combibloc und Ihre Produktentwicklungen?
Für uns sind das vor allem Chancen. Die kontinuierliche Einführung neuer und verbesserter Produkt- und Lösungsangebote ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie. Wir können in neue Geschäftsfelder vorstossen und unsere Fähigkeiten voll ausspielen. Unsere einzigartige Technologie erlaubt den Kunden eine hohe Flexibilität bei der Umstellung von Verpackungsgrössen und -formaten an den Füllmaschinen und unser System kann ein breites Spektrum an Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Viskosität und unterschiedlichem Stückanteil abfüllen. Damit heben wir uns klar von der Konkurrenz ab.
Nach 11 Jahren Unterbruch ist SIG seit einigen Wochen zurück an der Börse. Wie ist der IPO aus Ihrer Sicht verlaufen?
Wir sind mit dem IPO vollauf zufrieden. Die Bewertung ist fair und lässt Spielraum nach oben. Aktien im Wert von CHF 1,7 Milliarden zu platzieren, ist im aktuellen Börsenumfeld kein Pappenstiel. Aber wir konnten die Investoren von unserem Geschäftsmodell überzeugen.
«Dank unseren stabilen Cashflows haben bereits in den vergangenen Jahren bedeutende Investitionen in Wachstum tätigen können und werden das auch in Zukunft tun.»
Mit dem Erlös soll in erster Linie die Verschuldungsquote gesenkt werden. Fliessen auch Gelder in die kostspielige Expansion?
Der Erlös aus dem IPO fliesst vollständig in den Schuldenabbau, um die Verschuldung vom Niveau, wie es für ein Unternehmen in Private-Equity-Besitz üblich ist, auf ein für ein börsenkotiertes Unternehmen akzeptables Niveau zu senken. Das heisst aber nicht, dass wir nicht investieren. Dank unseren stabilen Cashflows haben bereits in den vergangenen Jahren bedeutende Investitionen in Wachstum tätigen können und werden das auch in Zukunft tun. Gleichzeitig haben wir auch die Absicht, eine attraktive Dividendenpolitik zu betreiben.
Während noch vor 10 Jahren fast 80% der Einnahmen aus der Emea-Region stammten, ist es heute nicht einmal mehr die Hälfte. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen?
Davon gehe ich aus. Die Märkte in Asien und in Lateinamerika wachsen einfach deutlich schneller als in Europa.
Sie setzen sehr stark auf die geografische Erweiterung. In welchen Regionen sehen Sie das grösste Wachstumspotenzial für die kommenden Jahre?
Wir wollen in all unseren Märkten wachsen. Indem wir Marktanteile gewinnen und neue Märkte erschliessen, aber auch indem wir in neue Segmente gehen. Asien als grösster Wachstumsmarkt ist dafür ein gutes Beispiel. Wir haben erheblich in unsere existierenden Kernländer wie China, Thailand, Indonesien und Vietnam investiert. Um künftig in der Region noch erfolgreicher zu sein, haben wir in China für rund 35 Millionen Euro ein Technologie Center aufgebaut. Dies eröffnen wir dieses Jahr und können dann noch schneller Produkte entwickeln und neue Lösungen auf den Markt bringen.
«Digitalisierung, Urbanisierung, eine wachsende Mittelschicht und immer vielfältigere und mobilere Lebensstile sind nur einige der Megatrends, die die Lebensmittel- und Getränkeindustrie verändern.»
Welche Priorität hat das Anliegen, SIG als Anbieter von Gesamtlösungen aufzutreten?
Das ist für uns ganz wichtig. Digitalisierung, Urbanisierung, eine wachsende Mittelschicht und immer vielfältigere und mobilere Lebensstile sind nur einige der Megatrends, die die Lebensmittel- und Getränkeindustrie verändern. Unsere einzigartige Technologie und herausragende Innovationskraft ermöglichen es uns, unseren Kunden integrierte Gesamtlösungen für differenzierte Produkte, intelligentere Fabriken und vernetzte Verpackungen anzubieten, um gemeinsam die Chancen zu nutzen, die diese Trends eröffnen.
Die Digitalisierung durchdringt ja auch Ihre Industrie immer stärker. Die Vernetzung der SIG-Maschinen ist im Gange. Welche Vorteile wird die Verpackung der Zukunft für Ihre Kunden haben?
Die Digitalisierung wirkt sich für die Kunden in drei Dimensionen aus. Sie ermöglicht die Qualität und Effizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verbessern, sie vereinfacht Kontrollen, auch hinsichtlich der Aufzeichnung und Weitergabe der jeweiligen Resultate, und sie bietet Wachstumschancen, da sich völlige neue Möglichkeiten für das Marketing und die Interaktion mit den Kunden ergeben. Wir sind diesbezüglich sehr nahe an unseren Kunden dran, bieten entsprechende Beratung an und entwickeln gemeinsam mit ihnen neue Lösungen.
Und wie wird sich die Digitalisierung dereinst beim Endkonsumenten bemerkbar machen?
Der Konsument wird vor allem sehr viel grössere Transparenz hinsichtlich des Verpackungsinhalts haben. Für eine grosse brasilianische Molkerei haben wir eine Lösung entwickelt, bei der der Kunde via QR-Code sehen kann, woher die Milch stammt und welche Qualitätskontrollen sie durchlaufen hat. Solche Anwendungen wird es künftig noch in sehr vielen anderen Bereichen geben.
Herr Stangl, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person:
Rolf Stangl ist seit 2008 Chief Executive Officer bei SIG. Er kam 2004 zu SIG und hatte zahlreiche Positionen innerhalb des Unternehmens inne, darunter die des Head of Corporate Development und M&A, des Chief Executive Officer von SIG Beverages (eines später ausgegliederten Geschäftsbereichs) und des Chief Market Officer von SIG. Vor seiner Zeit bei SIG war er als Investmentdirektor mit Fokus auf Small- und Mid-Cap-Buyouts für ein Family Office in London und als Senior Consultant für Roland Berger Strategy Consultants in Deutschland tätig. Rolf Stangl hat einen Bachelor-Abschluss in Business Administration der ESC Reims und der ESB Reutlingen.