Rudolf Hadorn, CEO Gurit

Rudolf Hadorn, CEO Gurit

Rudolf Hadorn, CEO Gurit Holding AG.

Von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Hadorn, Gurit macht mittlerweile den meisten Umsatzes als Zulieferer für Windkraftwerke. Dort haben Sie  auch das grösste Wachstumspotential. Allerdings macht die Wind-Division von Gurit das grösste Volumen mit einem Kunden, der spanischen Gamesa. Die ist jetzt aus vielerlei Gründen nicht sonderlich gut aufgestellt. Wie versuchen Sie da, das Klumpenrisiko zu umschiffen?

Rudolf Hadorn: Zwei Drittel unseres Geschäfts sind auf den globalen und kundenseitig heute breit abgestützten Windenergiemarkt ausgerichtet. Ein Klumpenrisiko hat 2006/7 tatsächlich bestanden, als wir in diesem Markt hauptsächlich auf Prepregs ausgerichtet waren und damit schwergewichtig zwei unseren Umsatz dominierende Hauptkunden belieferten. Wir formulierten eine entsprechende strategische Antwort. Wir schufen eine globale Produktions- und nicht nur eine Lieferpräsenz mit einem neuen Schwerpunkt in China und wir weiteten unser Produktangebot zu einem Komplettangebot aus.

Dennoch, was würde passieren, wenn Kunde Gamesa plötzlich extrem schwächelt?

Unsere Kundenliste weist aktuell an der Spitze drei grosse Kunden, aber keinen dominanten mehr aus. Dahinter ist die Kundenstruktur global breit aufgestellt. Alle im Windmaterialgeschäft relevanten Kunden werden mittlerweile von Gurit beliefert – seien es mit den bereits genannten Prepregs, mit systhetischen Kernwerkstoffen oder Balsa, flüssigen chemischen Produkte und vielfach auch bereits mit Bauformen.

Siemens will mit Shanghai Electric zusammen  riesige Windfarmen ins chinesische Meer bauen. Werden die Hochleistungsverbundstoffe für Rotorblätter von Gurit dort auch mit an Bord sein? In China ist ja das Rotorblättergeschäft von Gurit kräftig angezogen.

«Gurit ist wirklich global. Wir haben in der Schweiz lediglich ca. 2% der Beschäftigten und generieren hier etwa 1% des Umsatzes.»
Rudolf Hadorn, CEO Gurit

Offshore ist global im Aufbau, allerdings noch mit erheblichen technischen und kommerziellen Herausforderungen begleitet. Neue Designs, die bis an die Grenzen des Materialdesigns gehen, stellen für einen qualifizierten Hersteller wie Gurit echte Chancen dar. Chancen im Engineering, Materialwesen und Formenbau. In China und Korea  sind wir im Offshore-Bereich bereits mit der einen oder anderen Form dabei, ebenso mit Formkomponenten und Material in Europa.

Gurit setzt neben Strukturschaumstoffen auch  auf das gute alte Balsaholz als Rotorblattbaumaterial. Warum?

Balsaholz zeichnet sich gerade in Kombination mit anderen Kunststoff-Kernwerkstoffen bei der Herstellung von Rotorblättern durch seine Preiswertigkeit, gewisse gesuchte technische Eigenschaften und seine Regenerierbarkeit aus. Gurit benötigt diese Materialquelle, um ganze Bausätze von Strukturkernmaterialien – wir sprechen hier von Kits – zu verkaufen. Aktuell hält Gurit bei Balsa bereits etwa einen Weltmarktanteil von 20 Prozent im Windenergie-Markt.

Mittlerweile werden die Rotorblätter bei den Vertikalwindrädern immer grösser. In seinem neuen chinesischen Werk in Taicang baut Gurit Rotorblattformen für 7 Megawattturbinen. Wo liegt da die technische Grenze?

Wir bauen in Taicang in China Formen für Rotorflügel und liefern diese mittlerweile global. Die Länge dieser Bauformen war im Schnitt im letzten Jahr etwas über 40m – in diesem Jahr bereits bei knapp 50m. Aktuell sind die längsten Formen zwischen 65m und 70m lang. Unser grosses, neues Werk unterstützt diese Nachfrage. Gurit konnte aufgrund der vollen Integration der Bauschritte, der Spezialisierung auf den Windmarkt und der globalen Vertriebspräsenz den Formenbau in 2010 und 2011 globalisieren und ist mittlerweile mit grossem Abstand Weltmarktführer.

«Das weltweite Windenergiegeschäft wird mehr und mehr das Geschäft grosser, global operierender Firmen.»

Könnte China, wo Gurit im Übrigen mittlerweile die Hälfte seiner Mitarbeiter hat, einmal als Technologiestandort ähnlich stark werden wie in der Solarindustrie oder wird der Markt weiter von europäischen Herstellern wie der dänischen Vestas geprägt bleiben?

Das weltweite Windenergiegeschäft wird mehr und mehr das Geschäft grosser, global operierender Firmen, welche technisch aber auch hinsichtlich Einfluss und Bilanzstruktur grosse Kraft haben. Dazu werden ganz sicher auch ein paar bekannte Firmen aus Asien gehören. Nach den vergangenen Jahren des grossen Booms in Asien mit sehr vielen, teilweise technisch nicht sehr ausgeklügelten Start-ups  – speziell bei den Herstellern von Rotorblättern – findet aktuell in China ein scharfer Prozess der Nachfragekontraktion und Herstellerkonzentration und damit auch eine Bereinigung der Kapazitätsüberhänge statt. Unverändert bleiben globale Präsenz, technische Kompetenz, hohe Kosteneffizienz und kritische Masse für uns als Zulieferer die Kriterien, mit welchen Kunden wir langfristig überproportional gewinnen können.

Wie rekrutieren Sie bei einer mittlerweile dermassen diversifizierten Workforce Ihre Mitarbeiter?

Vorzugsweise lokal. Wir haben nur wenige international aktive Mitarbeiter – nicht zuletzt auch aus Kostengründen.

Was halten Sie vor dem Hintergrund der  zunehmenden Internationalisierung speziell vom Schweizerischen Führungsnachwuchs?

Gurit ist wirklich global. Wir haben in der Schweiz lediglich ca. 2% der Beschäftigten und generieren hier etwa 1% des Umsatzes. Wir rekrutieren daher global je nach der geforderten Kompetenz.

Zurück zur Technik. Mit Renuvo haben Sie ein Reparatursystem für Rotorflügel vorgestellt. Mittlerweile kommen ja schon viele Windkraftwerke ins Alter. Damit wächst der Wartungsmarkt. Wieviel Umsatzanteil könnte der denn für Gurit im besten Falle bringen?

Wir schätzen den Markt für unsere Reparaturmaterialien auf insgesamt rund CHF 20 Mio. pro Jahr und wachsend. Renuvo – unsere Systemlösung – ist technisch hoch innovativ, und es ergeben sich sicherlich auch Anwendungen dafür ausserhalb des Windenergie-Marktes in der Zukunft.

«Die letzten Jahre boten tatsächlich kein einfaches Umfeld für Gurit-Aktien.»

Was sind da die neuesten materialwissenschaftlichen Trends neben dem Wechsel von Polyester oder Vinylester zu Epoxyharz?

Materialtechnologisch geschieht derzeit einiges. Wir sehen derzeit eine wachsende Nachfrage nach neu entwickelten Materialien für die Produktion von Längsrippen und  Rippen-Abschlusskappen aus Karbonfasern für leichte Rotorblätter und für ganz lange Blätter, bei denen die Gewichte sonst extrem zunehmen. Ferner sind thermoplastische Strukturschaumstoffe mit besseren Eigenschaften am Kommen. Bei den Harzen dominiert immer noch Epoxy – allerdings werden schneller härtende Formulierungen gesucht.

Und im Sektor Transport?

Im Bereich Aerospace hat Gurit neue Hochleistungsprepregs auf Benzoxazine-Basis entwickelt, für die wir wachsende Einsatzchancen sehen. Die Konversion von traditionellen Materialien hin zu mehr Hochleistungsverbundwerkstoffen im Strukturbereich steht im Scheinenverkehr noch am Anfang. Im Automobilbau, welcher nun konsequenter Richtung Leichtbau mit Verbundwerkstoffen geht, ist beispielweise eine Anforderung an die Karbon-Karosserieteilen, dass sie höhere Prozesstemperaturen vertragen und so zum Beispiel durch die normalen Lackierstrassen geschickt werden können.

Gurit war in den letzten Jahren an der Börse extrem volatil, selbst für ein gelistetes KMU. Haben Sie eine Beruhigungspille für gestresste Anleger, vor allem nach den letzten Währungsturbulenzen, die Ihnen ja die ansonsten sehr ansprechende Halbjahresbilanz versalzten?

Die letzten Jahre boten tatsächlich kein einfaches Umfeld für Gurit-Aktien: 2007 standen wir vor einer Turnaround-Situation mit einem zu engen und wenig wertschöpfungsintensiven Produktangebot. 2008-2010 implementierten wir unsere erweiternde Strategie – Stichworte hier nochmals China, Formenbau und Kernwerkstoffe. Diese Strategie trägt Früchte. Der offerierte Kundennutzen eines  Gesamtsortiments, die wachsende Wertschöpfungstiefe und damit das Ertragspotenzial sowie die lokal verankerte globale Präsenz stimmen uns für die Zukunft positiv.

Ungerechterweise liegt die Marktkapitalisierung von Gurit deutlich niedriger als ein Jahresumsatz. Könnte da nicht plötzlich jemand versucht sein, ein akquisitorisches Auge auf Sie zu werfen?

Wir kommentieren unseren Kurs nicht. Wir äussern uns nur zu den diesen Kurs beeinflussenden Werttreibern. Gurit hat wichtige strategische Fortschritte erzielt, die sich auch in den kommenden Erfolgsrechnungen niederschlagen werden. Unser Fokus ist auf der Strategie, deren konsequenter und mutiger Umsetzung und nicht auf der Erfolgsrechnung eines Quartals. Es ist sehr positiv für Gurit, dass wir über Ankeraktionäre verfügen, die eine solch strategische Sicht der Unternehmensentwicklung der langfristigen Wertsteigerung unterstützen.

GURITs Steuerrate sank im ersten Halbjahr nochmals von 19,6% auf unter 18,9%. Wie machen Sie das bloss?

Die Steuerrate ist speziell in Asien geringer als in Europa. Dort hat Gurit einen wesentlichen Teil des Gewinns erzielt und daher sank entsprechend die durchschnittliche Steuerrate.

Zur Person
Rudolf Hadorn, Jahrgang 1963, hat das Studium an der HSG mit dem lic.oec. abgeschlossen. Der Schwyzer bekleidet seit 1.11.2007 die Funktion des CEO der Gurit Group. Zuvor war er zuerst als CFO und dann als CEO der Ascom Group Bern tätig. Nach verschiedenen Management Positionen bei GM in Europa war er als CFO der Krone GmbH, Berlin bis 2000 tätig. Seit 2009 ist er Mitglied des Verwaltungsrates der Looser Holding und seit 2010 der Spirella S.A.

Zum Unternehmen
Die Gurit Holding AG, Wattwil/Schweiz, ist auf die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungskunststoffen ausgerichtet, die sich durch massgeschneiderte physikalisch-chemische Materialeigenschaften auszeichnen. Gurit beliefert Wachstumsmärkte in den Segmenten Wind Energy, Transportation und Marine. Mit Produktionsstätten in der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien und Spanien in Europa, grossen Werken in Kanada und China sowie Engineering-, Verkaufs- und Dienstleistungsgesellschaften in den USA, Indien, Australien und Neuseeland ist Gurit weltweit  positioniert. Der rechtliche Sitz der Gurit Holding AG befindet sich in Wattwil SG/Schweiz, während das Management hauptsächlich in Zürich/Schweiz angesiedelt ist. Die Inhaberaktien der Gurit Holding AG werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. 2010 verzeichnete das Unternehmen einen Netto-Umsatz von 311,6 (VJ 314,4) Mio CHF.

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