Rudolf Hadorn, CEO Gurit Group

Rudolf Hadorn, CEO Gurit Group

Rudolf Hadorn, CEO Gurit Group.

Von Christa W. Spoerle

Moneycab: Herr Hadorn, wie zufrieden blicken Sie auf das Geschäftsjahr 2010 zurück?

Rudolf Hadorn: Gemischt. Sehr positiv bewerte ich die Umsetzung unserer Strategie hinsichtlich Internationalisierung mit besonderem Fokus auf China, die Entwicklung im Bereich Formenbau, die sehr deutliche Erweiterung der Kundenbasis im Windenergie-Geschäft und die erfolgreiche Etablierung von Gurit als Brand und Unternehmen in China für den Windenergie-Bereich, welches nun Engineering, alle Materialkategorien und als Marktführer den Formenbau abdeckt. Wir haben uns in zwei Jahren in Geschäftssegmenten etabliert, in denen Gurit vor 2 Jahren noch gar nicht vertreten war.

«Die Umsatzentwicklung im Windenergie-Markt Europa und USA war 2010 die grosse Ernüchterung.» Rudolf Hadorn, CEO Gurit Group

Enttäuschend war die negative Umsatzentwicklung bei den angestammten Prepregs, also den faserverstärkten und vorimprägnierten Verbundwerkstoffen, in den USA und in Europa im Windenergiebereich , die alle Mehrumsätze in den neuen strategischen Produktfeldern mehr als weggewischt haben. Der von den Kunden für das zweite Halbjahr fest erwartete Aufschwung in Europe und USA für das zweite Halbjahr blieb noch aus. Die Gründe liegen vor allem bei den relativ günstigen Preisen für nicht erneuerbare Energieträger und den angespannten Staatsfinanzen in vielen Ländern. Die Umsatzentwicklung im Jahr 2010 war für das Gesamtunternehmens daher klar nicht zufrieden stellend.

Die EBIT-Marge um 8% ohne Einbezug der Einmalerträge ist eine starke Leistung unserer Teams vor diesem Gesamthintergrund. Damit haben wir das 2007 erklärte Gewinnziel erstmals erreicht.

Was hätte denn besser laufen können?

Die Umsatzentwicklung im Windenergie-Markt Europa und USA war 2010 die grosse Ernüchterung. Wir haben insbesondere unter der Tatsache gelitten, dass unsere traditionellen Prepreg-Kunden in Europa und Amerika die Folgen der Wirtschaftskrise deutlich stärker spürten, als die Kunden in Asien. Es zeigt sich nun, dass Verwaltungsrat und Management vor drei Jahren die Weichen richtig stellten, als wir uns gezielt global ausrichteten und insbesondere das Produktangebot Richtung Strukturkernmaterialien erweiterten, um diesem damals erkannten und mittlerweile über weite Strecken eingetretenen Risiko entgegenzuwirken. Für das laufende Jahr rechnen wir mit steigenden Prepreg-Verkäufen in Europa.

Welche Ereignisse würden Sie als die wichtigsten des Jahres 2010 bezeichnen?

Wir haben in allen unseren vier Zielmärkten Fortschritte gemacht. Im Windenergie-Bereich haben wir unser Strukturkernmaterialangebot vervollständigt: Neben CoreCell bieten wir nun in China und für China produziertes PVC-Kernmaterial, neu auch eigenes PET-Kernmaterial und zusammen mit immer mehr Balsaholz auch stetig mehr ganze Bausätze an. Im Formenbau (Tooling) haben wir in kurzer Zeit ein ganz neues Werk aufgebaut und bezogen, wo nun auch noch deutlich grössere Urformen und Bauformen für Windflügel der nächsten Generation hergestellt werden können. Zudem haben wir im Formenbau auch viele internationale Kunden hinzugewonnen und bauen nun das Exportgeschäft nach Indien und Europa weiter aus. Im Bootsbaugeschäft führen wir weltweit unser B3-SmartPac-Angebot ein: Dies sind optimierte Materialbausätze für Boote. Damit hält nun auch im Serienyachtbau eine Engineeringqualität Einzug, die bisher Renn- und Superyachten vorbehalten war.

Das Deutsche Windenergie-Institut erklärte kürzlich, dass der Bau vieler Anlagen auf 2011 verschoben wurde, spüren Sie davon schon etwas?

Europa und Nordamerika haben 2010 im Windenergiebereich deutlich gelitten. Wir gehen aber im Einklang mit der Industrie davon aus, dass gerade diese beiden Weltregionen 2011 wieder aufholen werden.

«Gurit hat über die Hälfte der Belegschaft heute in China. Die dortigen Werke sind auf neustem Stand…Wir setzen im Wesentlichen auf lokales Management und sind damit bisher gut gefahren. Mit der Ertragslage sind wir zufrieden.»

Sie wollten bis Mitte 2011 die Produktionskapazitäten für die Herstellung von Bauformen für Rotorblätter für Windkraftanlagen in China verdoppeln. Läuft der Ausbau nach Plan und ist die Auslastung denn gegeben?

Ja, wir haben das neue Werk in Taicang im August eröffnet. Das erste Halbjahr war von sehr starkem Geschäft geprägt, das zweite von einer schwächeren Nachfrage der chinesischen Kunden aufgrund grosser Kapazitäten und Unklarheiten, in welche Richtung sich die Nachfrage nach Rotorblättern hinsichtlich Design entwickelt. Die internationalen Kunden haben uns in der zweiten Jahreshälfte gestützt. Im 2011 hat sich die Nachfrage im ersten Quartal bereit wieder erfreulich angelassen.

Was erwarten Sie vom neuen Marktbereich Tooling in den kommenden Jahren?

Gurit ist heute bereits der mit Abstand grösste Hersteller von Rotorblatt-Bauformen für die Windenergie weltweit. Die Rotorblätter werden immer länger, die Lebenszyklen der Designs und die Stückzahlen pro Design kleiner. Unsere Strategie zielt darauf ab, ein flexibler, die weltweit stärksten Hersteller von Rotorblättern mit Bauformen unterstützender Partner zu sein. Wir sind heute doppelt so schnell in der Produktion einer neuen Form als jeder Wettbewerber und auch gegen chinesische In-Haus-Produkte unserer Kunden kostenmässig noch kompetitiv. Da die Lohnkosten in China schnell steigen und unsere Beschäftigungsstandards etwas höher sind, müssen wir immer weiter an unserer Effizienz arbeiten, um den Vorsprung zu erhalten. Die neue Fabrik auf einem Campus, statt in drei kleineren Fabriken wie vor 2010, dient auch diesem Zweck.

Welche Erfahrungen haben Sie an den chinesischen Produktionsstandorten gemacht?

Gurit hat über die Hälfte der Belegschaft heute in China. Die dortigen Werke sind auf neustem Stand – das Tooling Werk ist aus 2010, Tianjin aus 2007 mit stetigen Erweiterungen und Tsingdao zwar etwas älter aber die Technik wurde überholt nach dem Kauf. Wir setzen im Wesentlichen auf lokales Management und sind damit bisher gut gefahren. Die Lohnentwicklung ist rasant aber für die meisten Industrien noch auf akzeptablem Niveau. Mit der Ertragslage sind wir zufrieden. In 2009 und 2010 haben wir alle wesentlichen Investitionen in China vorgenommen, um in dem grossen Markt relevant und mit der ganzen Wertschöpfungskette präsent zu sein.

Rechnen Sie damit, dass der Bereich Marine weiterhin der am deutlichsten wachsende Bereich bleiben wird?

Marine hat wegen dem Luxusgüter-Charakter dieses Geschäfts sehr stark unter der Kreditkrise gelitten; wir erwarten daher über die nächsten Quartale hier weiterhin ein solides, schrittweises Wachstum. Das 24%ige Wachstum, das wir 2010 in diesem Markt erreichten, geht im Wesentlichen auf die Integration der Ende 2009 akquirierten Gesellschaft High Modulus zurück.

Wie gross ist denn ihre Visibilität in den einzelnen Bereichen derzeit?

Am grössten ist die Vorhersehbarkeit im Transportation-Geschäft, das vor allem durch die Bauraten der grossen Verkehrsflugzeuge bestimmt ist. Die künftige Entwicklung im Marine-Geschäft sehen wir meist durch die Engineering Aufträge auf ein paar Monate hinaus. Das Tooling- und das Windenergie-Geschäft sind langfristig beide sehr interessant, kurzfristig können aber immer wieder grosse Schwankungen auftreten, der wir mit betrieblicher Flexibilität begegnen müssen.

«Wir haben eine Strategie die im Grundsatz sowohl organisches Wachstum beinhaltet als auch Beschleunigungs- oder Erweiterungsschritte durch Zukäufe.»

Würden Sie die heutige Struktur von Gurit als genügend flexibel bezeichnen, um profitabel zu bleiben?

Da wir trotz Krise und Nachfragedelle in Europe und USA die operative Marge bei Gurit erneut gesteigert haben in 2010, zeigt die Flexibilität und die Stärke der Firma.

Welche Bedeutung hat der starke CHF für Gurit?

Wir sind eine weltweit tätige Gesellschaft mit einer sehr kleinen Produktions- und Kostenbasis in der Schweiz. Den starken Franken spüren wir bei der Umrechnung der Geschäftsresultate bei der Konsolidierung in den Schweizer Franken.

Wollen Sie mittelfristig schwergewichtig auf organisches Wachstum setzen oder könnten Sie sich weitere Akquisitionen vorstellen und unter welchen Bedingungen?

Wir haben eine Strategie die im Grundsatz sowohl organisches Wachstum beinhaltet als auch Beschleunigungs- oder Erweiterungsschritte durch Zukäufe. Während wir Marktchancen dezidiert und mutig nutzen wollen, achten wir aufgrund der hohen zyklischen Risiken unserer Geschäfte auf eine sehr solide Bilanz hinsichtlich Eigenkapital und möglichst keinen Nettoschulden. Dies und die Managementkapazität stecken den Rahmen des Machbaren ab.

Der Gesprächspartner:
Rudolf Hadorn, Jahrgang 1963, hat das Studium an der HSG mit dem lic.oec. abgeschlossen. Der Schwyzer bekleidet seit 1.11.2007 die Funktion des CEO der Gurit Group. Zuvor war er zuerst als CFO und dann als CEO der Ascom Group Bern tätig. Nach verschiedenen Management Positionen bei GM in Europa war er als CFO der Krone GmbH, Belin bis 2000 tätig. Seit 2009 ist er Mitglied des Verwaltungsrates der Looser Holding und seit 2010 der Spirella S.A.

Das Unternehmen:
Die Unternehmen der Gurit Holding AG, Wattwil/Schweiz, sind auf die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungskunststoffen ausgerichtet, die sich durch massgeschneiderte physikalisch-chemische Materialeigenschaften auszeichnen. Gurit beliefert Wachstumsmärkte in den Bereichen Wind Energy, Transportation und Marine. Mit Produktionsstätten in der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien und Spanien in Europa, grossen Werken in Kanada und China sowie Engineering-, Verkaufs- und Dienstleistungsgesellschaften in den USA, Indien, Australien und Neuseeland ist Gurit auf dem Weltmarkt positioniert. Der rechtliche Sitz der Gurit Holding AG befindet sich in Wattwil SG/Schweiz, während das Management hauptsächlich in Zürich/Schweiz angesiedelt ist. Die Inhaberaktien der Gurit Holding AG werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. 2010 verzeichnete das Unternehmen einen Netto-Umsatz von 311,6 (VJ 314,4) Mio CHF. Wechselkursbereinigt und einschliesslich Akquisitionen sei der Gruppenumsatz um 2,7% gestiegen. Es wird mit einer Gruppen-EBIT-Marge von knapp über 10% gerechnet.

Symbolbild KF für CEO Interviews




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