Rudolf Hadorn, CEO Gurit, im Interview

Rudolf Hadorn

Gurit-CEO Rudolf Hadorn. (Foto: Gurit)

Rudolf Hadorn, CEO Gurit. (Foto: Gurit)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Hadorn, Gurit hat nach den neusten  Neunmonatszahlen mit einem Umsatzplus von 7,4 Prozent deutlich den Wind in den Segeln. Laufen die Offshore-Windpark-Investitionen der Chinesen weiter wie geplant?

Rudolf Hadorn: Das Umsatzwachstum der ersten neun Monate 2015 wurde in der Tat erneut vom Wachstum im Windmarkt beflügelt. Dabei ist es aber nicht nur der chinesische Markt, der stark zulegt. Grundsätzlich wachsen 2015 alle Windmärkte weltweit, wobei die Zuwachsraten in Indien und China gegenüber anderen Regionen stärker sind. Wir profitieren in zweierlei Hinsicht von einem starken Windmarkt – einerseits im Formenbau und andererseits im Materialgeschäft.

Wie weit ist die Strukturbereinigung bei den Herstellern von Rotorblättern, Ihrem bedeutenden Kundensegment, denn gediehen?

Die Konzentration fand speziell in den Jahren 2012-2013 in Asien unter dem Druck der damaligen Nachfrageschwäche statt. Bei Gurit hatten wir auch eine fast vollständige Produktumstellung im Windbereich zu bewältigen. Gurit war vor mehreren Jahren vor allem ein Vorimprägnathersteller (Prepreg) im Windgeschäft mit wenig Wertschöpfung, einem massiven Umsatzanteil, sowie nur zwei  Kernwerkstoffkunden. Heute sind fast die gesamten Windprepreggeschäfte dem Technologiewandel zum Opfer gefallen, und Gurit ist zum erfolgreichen Kernwerkstoffhersteller und Formenbauer bei allen wesentlichen Kunden im weltweiten Windgeschäft geworden.

«Wir sind nach wie vor mit einem hohen Marktanteil weltweit im Marine-Geschäft aufgestellt und bei wichtigen Projekten der bevorzugte Partner für Structural Engineering sowie die Materialzulieferung.» Rudolf Hadorn, CEO Gurit

Um beim Bild aus der Segelsportbranche zu bleiben: In welchem Fahrwasser befindet sich die Gurit-Division Marine?

Das Marine-Geschäft segelt derzeit unter einer steten Brise, vergleicht sich aber in 2015 mit einem sehr starken 2014. Wir sind nach wie vor mit einem hohen Marktanteil weltweit im Marine-Geschäft aufgestellt und bei wichtigen Projekten der bevorzugte Partner für Structural Engineering sowie die Materialzulieferung. Wir haben ja vor kurzem über einige Projekte berichtet.

Sie beliefern auch die Automobilindustrie mit Kompositmaterialien. Gewichtsersparnis bei hoher Steife ist da die Devise. Was gibt es an technischen Neuerungen?

Wir haben derzeit zwei neue Materialien in der Qualifikationsphase. Bei einem Produkt handelt es sich um ein Sichtkarbon Prepreg. Hier hält der Trend nach wie vor an, den Verbundwerkstoff auch als Designelement einzusetzen und damit etwa Spezialserien auszustatten oder auch als optional wählbares Feature anzubieten, anstatt den Verbundwerkstoff in Wagenfarbe zu lackieren. Das zweite neue Produkt ist ein schnell härtendes Material, das dem Hersteller schnellere Produktionszyklen ermöglicht. Beide Produkte stossen bei den OEMs auf grosses Interesse und können in der Produktion eingesetzt werden, sobald die Qualifizierungsprozesse abgeschlossen sind.

«Wir sind von den allgemeinen Kursschwankungen im Schweizer Franken, britischen Pfund oder Euro weniger stark betroffen als andere Unternehmen.» 

Gurit hat eine Produktionsstätte auf der Isle of Wight.  Wie sehr macht Ihnen da das starke britische Pfund zu schaffen?

Wir sind von den allgemeinen Kursschwankungen im Schweizer Franken, britischen Pfund oder Euro weniger stark betroffen als andere Unternehmen. Da wir in vielen Währungen ein- und auch wieder verkaufen haben wir praktisch überall ein hohes Mass an natürlicher Absicherung. Die Präsenz in England hat sich im Vergleich mit dem Vorjahr wegen des Rückgangs der Wind-Vorimprägnate im Materialgeschäft und dem Aufbau der Teilefertigung für Bus- und Autoteile in Ungarn deutlich reduziert.

Neu produzieren Sie in Ungarn Konstruktionsteile für Busse. In welchen Ländern werden diese hauptsächlich verbaut?

Buskomponenten produzieren wir seit 2014 in Ungarn. Eines der Projekte, das wir öffentlich nennen dürfen, ist das Heck für den Bus of London von Wrightbus. Daneben sind wir gerade dabei, die Herstellung von teilautomatisiert produzierten Autokomponenten in Ungarn aufzubauen. Hierfür investieren wir 2015 über 5 Millionen Schweizer Franken. Ab dem ersten Quartal 2016 werden wir dann einen der bestehenden Aufträge für unsere Presstechnologie vollständig in Ungarn produzieren. Das Automobilwerk in England wird mittelfristig zu einem Technologiezentrum mit Produktentwicklung, Prototyping und der Produktion von kleineren Spezialaufträgen. Ungarn wird mittelfristig die Hauptfertigungsstätte für Komponenten.

Könnten Ihnen tiefere Spritkosten einen Strich durch die Rechnung machen?

Nein, davon gehen wir nicht aus. Bei vielen unserer Projekte geht es eher um Differenzierung als um einen geringeren Treibstoffverbrauch. Die manuell produzierten Spezialbauteile sind auf das Superpremiumsegment ausgerichtet – also Autos ab einem Wert von ca. 150 000 Euro. Auch im Premiumsegment, das wir mit der Presstechnologie verstärkt bedienen werden und das Autos ab einem Wert von ca. 70 000 Euro abdeckt, sind es eher Kriterien wie Gewichtsverteilung, Design und Leistung, die den Ausschlag geben.

«Bei vielen unserer Projekte geht es eher um Differenzierung als um einen geringeren Treibstoffverbrauch.»

Im Bereich Automotive hängt oft der Geschäftsverlauf von Grossaufträgen ab. Haben Sie da  neue Eisen immer Feuer?

Wir geben immer Gas, um neue Aufträge zu gewinnen. Leider lässt es sich bisweilen nicht vermeiden, dass ein Projekt ausläuft bevor das nächste in die Volumenfertigung geht. Aber gerade mit der Presstechnologie und der teilautomatisierten Fertigung sind wir für Projektlaufzeiten von drei bis vier Jahren vielversprechend aufgestellt.

Im Schiffsbau, in der Raumfahrt und bei den ganz schnellen Autos kommt es weniger auf Treibstoffersparnis als vielmehr auf Performance an. Welche Formen sind da gerade Trumpf?

Gurit’s Stärke liegt in innovativen Produkten, welche wir mit dem Knowhow des Strukturellen Engineerings, der Materialentwicklung-und produktion und dem Komponentenbau  „unter einem Dach“ erreichen können.

Eine Betriebsgewinnmarge von rund 9% ist nach vielen Durstjahren eine schöne Hausnummer. Könnte Gurit nachhaltig über die 10 Prozent-Marke kommen?

Wir haben uns eine Operative Marge im Zielkorridor von 8-10% vorgenommen und diese nun nach mehreren Jahren des Portfolio Umbaus auch erreicht. Diese „Flughöhe“ wollen wir nun halten und weiter wachsen. Wachstum ausserhalb des Windbereichs steht ganz speziell im Fokus, weil wir damit die Wind-Abhängigkeit reduzieren können und die Stabilität erhöhen.

Wie wird es mit der letztens ja nur vorsichtig gesteigerten Ausschüttungsquote weitergehen?

Wir haben eine Ausschüttungsquote von rund 30-35% definiert und nachdem sich unsere Ertragslage deutlich verbessert hat, gibt es auch mehr Spielraum.

Zur Person:
Rudolf Hadorn, Jahrgang 1963, hat das Studium an der HSG mit dem lic.oec. abgeschlossen. Der Schwyzer bekleidet seit 1.11.2007 die Funktion des CEO der Gurit Group. Zuvor war er zuerst als CFO und dann als CEO der Ascom Group Bern tätig. Nach verschiedenen Management Positionen bei GM in Europa war er als CFO der Krone GmbH, Berlin bis 2000 tätig. Seit 2009 ist er Mitglied des Verwaltungsrates der Looser Holding.

Zum Unternehmen :
Die Gurit Holding AG, Wattwil/Schweiz, ist auf die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungskunststoffen ausgerichtet, die sich durch massgeschneiderte physikalisch-chemische Materialeigenschaften auszeichnen. Gurit beliefert Wachstumsmärkte in den Segmenten Wind Energy, Transportation und Marine. Mit Produktionsstätten in der Schweiz, Deutschland, Grossbritannien und Spanien in Europa, grossen Werken in Kanada und China sowie Engineering-, Verkaufs- und Dienstleistungsgesellschaften in den USA, Indien, Australien und Neuseeland ist Gurit weltweit  positioniert. Der rechtliche Sitz der Gurit Holding AG befindet sich in Wattwil SG/Schweiz, während das Management hauptsächlich in Zürich/Schweiz angesiedelt ist. Die Inhaberaktien der Gurit Holding AG werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. 2014 verzeichnete das Unternehmen einen Netto Umsatz von 335,8 (VJ 281,1) Mio. CHF.

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