von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Läubli, wie würden Sie die aktuelle Übersetzungslandschaft beschreiben?
Sam Läubli: Sie ist im Umbruch. Während Übersetzungsagenturen um ihr Überleben kämpfen, sitzen Menschen rund um den Globus vor ihren Bildschirmen und fragen sich: Kann ich dieser KI-Übersetzung vertrauen? Kommt meine Nachricht wirklich an, wenn ich das so meiner Chefin oder meinen Kunden schicke?
Ganz generell – braucht es Übersetzerinnen und Übersetzer noch? Was können diese, was Supertext, DeepL oder Google Translate nicht können?
Übersetzerinnen und Übersetzer können Maschinen in gewissen Dingen nie schlagen – und umgekehrt. Ein Mensch wird niemals 400 Wörter in 10 Sekunden übersetzen. Eine Maschine wird niemals garantieren und dafür einstehen, dass eine Übersetzung korrekt ist und beim Zielpublikum ankommt. Es wird Übersetzerinnen und Übersetzer deshalb auch in Zukunft brauchen: Sie können abschätzen, ob ein inhaltlicher oder sprachlicher Fehler in einer KI-Übersetzung für eine Firma einen Reputationsschaden bedeutet oder ob der Fehler verkraftbar ist – und entsprechend handeln, d.h. wo nötig korrigieren und optimieren. Deshalb kombinieren wir auf unserer Plattform beide Stärken.
«Übersetzerinnen und Übersetzer können Maschinen in gewissen Dingen nie schlagen – und umgekehrt.»
Sam Läubli, CEO Supertext
Bleiben wir bei den KI-Anwendungen, die immer besser werden. Aus Ihrer Erfahrung: Bei welchen Arten von Texten bestehen (noch) grössere Vorbehalte?
Das ist ziemlich paradox: Viele Menschen nehmen an, dass KI-Anwendungen «einfache Texte» wie E-Mails oder Bedienungsanleitungen problemlos, «schwierige Texte» wie Verträge oder Marketing-Broschüren hingegen schlecht übersetzen. Das ist Unsinn. Einfache Texte enthalten oft schwierige Sätze und schwierige Texte enthalten oft einfache. Um ein Beispiel zu nennen: Die kreative Headline «Wie ein Blitz aus heiterem Himmel» in einer Werbebroschüre für einen neuen Sportwagen werden KI-Programme eher wackelig ins Französische übersetzen; der Hinweis «Erhältlich ab Sommer 2025» oder rechtliche Fussnoten in der gleichen Broschüre, die identisch in hunderten ähnlichen Dokumenten stehen, werden kaum Probleme bereiten. Die Textsorte ist ein irrelevantes Kriterium – es macht heute schlicht keinen Sinn, irgendeinen Text ohne KI zu übersetzen. Relevant ist primär der Verwendungszweck. Wo immer man wirklich sicher sein will oder muss, dass die Übersetzung als ganzer Text das richtige aussagt, braucht man eine Kombination aus Mensch und Maschine.
Als neue Dienstleistung bietet Supertext eine All-in-one-Plattform für Übersetzungen an. Bei dieser lässt sich die maschinelle Übersetzung auf Knopfdruck durch einen Profi überprüfen. Wie läuft die Zusammenführung dieser zwei «Übersetzungswelten» ab?
Im Gegensatz zu Übersetzungsagenturen sind wir bei Supertext davon überzeugt, dass KI-Anwendungen längst der Dreh- und Angelpunkt von Menschen mit Übersetzungsbedürfnissen sind. Im Arbeitsalltag muss es schnell gehen: Wer überhaupt eine Agentur kennt, hat oft keine Zeit, Texte in mühsame Bestellportale hochzuladen und dann 24 Stunden auf das Ergebnis zu warten. Auf supertext.com übersetzt man Texte wie mit jedem anderen KI-Tool innert Sekunden. Der Profi-Check ist ein optionaler zweiter Schritt, wenn man für einen bestimmten Text Gewissheit braucht. Mit zwei Klicks ist er direkt aus dem KI-Tool bestellt – und kommt auch dort wieder an. Für einen durchschnittlich langen LinkedIn-Post in acht Minuten.
«Im Gegensatz zu Übersetzungsagenturen sind wir bei Supertext davon überzeugt, dass KI-Anwendungen längst der Dreh- und Angelpunkt von Menschen mit Übersetzungsbedürfnissen sind.»
Wer sind die «Checker», die die KI-Übersetzungen prüfen und wenn nötig korrigieren oder ergänzen?
Wir beschäftigen keine «klassischen» Übersetzer. Unsere Sprachprofis haben wie sie zwar eine Hochschulausbildung und beherrschen zwei oder mehr Sprachen auf höchstem Niveau, verfügen zusätzlich aber über Fachwissen und langjährige Erfahrung im Umgang mit KI. Sie wissen genau, wo sich schwer erkennbare Fehler einschleichen und wie diese effizient behoben werden.
Das Produkt ist das Resultat aus dem im letzten Jahr erfolgten Zusammenschluss von Supertext und Textshuttle. Wie wurde es entwickelt?
Unsere Sprachprofis «checken» nicht nur, sondern arbeiten eng mit unseren Forschungs- und Entwicklungsteams zusammen. Das Geheimnis einer wirklich guten Sprach-KI ist ein Entwicklungsprozess, der Spezialistinnen und Spezialisten aus beiden Bereichen – Sprache und Technologie – zusammenbringt. Vor der Fusion hatte Supertext Ersteres, Textshuttle Zweiteres. Die Kombination eröffnet völlig neue Möglichkeiten.
«Das Geheimnis einer wirklich guten Sprach-KI ist ein Entwicklungsprozess, der Spezialistinnen und Spezialisten aus beiden Bereichen – Sprache und Technologie – zusammenbringt.»
Wie schneidet der Supertext-Online-Übersetzer im Vergleich zu DeepL & Co. ab?
Als wir zehn Monate nach der Fusion unseren neuen, LLM-basierten KI-Übersetzer mit DeepL verglichen, erwarteten wir ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch das Ergebnis war ein Gamechanger.
Eine Blindbewertung durch professionelle Übersetzer zeigt: Supertext übertrifft DeepL in drei von vier Sprachpaaren – und zwar auf Dokumentebene. Während sich herkömmliche Qualitätsmessungen für KI-Übersetzungen auf isolierte Satzvergleiche konzentrieren, hebt unsere Untersuchung die entscheidende Rolle des erweiterten Kontexts hervor. Bei isolierten Sätzen sind DeepL und Supertext gleich gut; über ganze Texte hinweg betrachtet, liefert die KI von Supertext konsistentere, präzisere und kontextbewusstere Übersetzungen – genau die Qualitäten, die im professionellen Einsatz den Unterschied machen.
Erleben wir mit der neuen Plattform eine Art DeepSeek-Moment bei Übersetzungsdienstleistungen? Wie kann Supertext als vergleichsweise kleines Unternehmen mit einem Bruchteil der finanziellen Mittel ebenso leistungsstarke KI-Tools entwickeln wie die grossen Tech-Player?
Das ist ein interessanter Vergleich. Geld allein kann Forschung und geschicktes Engineering nicht ersetzen. Unser Ursprung liegt in der KI-Forschung – das gilt für mich wie auch zahlreiche weitere Mitarbeitende bei Supertext. Der enge Austausch mit führenden Hochschulen ist gerade am Standort Zürich ein entscheidender Vorteil. Zudem setzen wir unsere Brainpower dort ein, wo es Sinn macht, statt alles von Grund auf neu zu erfinden. Es ist letztlich wie bei einem Bauprojekt: Wenn Sie ein Haus bauen, können Sie auch die Ziegelsteine selber fertigen; wenn Sie die hingegen einkaufen und sich auf sicht- und spürbarere Aspekte konzentrieren, können Sie Ihren unkreativen aber reichen Nachbarn trotzdem übertreffen.
«Der enge Austausch mit führenden Hochschulen ist gerade am Standort Zürich ein entscheidender Vorteil.»
Wie schnell erhalten Kunden diese Übersetzungen, in welchen Sprachen ist diese Art von Übersetzung aktuell möglich?
Der Profi-Check dauert für einen durchschnittlich langen LinkedIn-Post acht und für eine A4-Seite fünfzehn Minuten. Er ist aktuell in sechs Sprachrichtungen zwischen Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch verfügbar, wobei das Angebot laufend ausgebaut wird.
Was kosten die Übersetzungen und gibt es Einschränkungen bezüglich des Umfangs?
Um bei den eben genannten Beispielen zu bleiben: Ein LinkedIn-Post oder eine A4-Seite in garantiert fehlerfreier Qualität kostet CHF 5.70 bzw. CHF 19.00. (ausserhalb der Schweiz EUR 5.70 bzw. EUR 19.00). Die Länge ist aktuell auf 3000 Zeichen (ca. zwei A4-Seiten) beschränkt – wobei man längere Texte natürlich in mehrere Profi-Checks unterteilen kann.
Wie kann man sich künftig das Zusammenspiel zwischen Übersetzern oder eben Sprachexperten und KI vorstellen?
Die KI wird in Zukunft noch schneller von Sprachprofis lernen. Wenn diese in einem Text für eine bestimmte Kundin das Wort «All-Inclusive-Paket» mit «Rundum-Sorglos-Paket» ersetzen, müssen sie das heute auch in den Folgeaufträgen tun, bis die KI das nächste Mal aktualisiert wird. In drei bis sechs Monaten wird der Lernprozess bei unserer KI in Echtzeit stattfinden.
KI-Anwendungen lernen laufend dazu. Wird die nächste Generation statische Tools wie DeepL und ChatGPT ablösen können?
Definitiv. Und dabei rückt die Datensicherheit ins Zentrum: Um in Echtzeit dazuzulernen, müssen KI-Anwendungen Daten aus Interaktionen mit Menschen (wie z.B. Profi-Korrekturen) speichern. Wir setzen deshalb schon heute bewusst auf eine vollständig in der Schweiz stationierte Hardware-Infrastruktur für die Datenverarbeitung – auch wenn das teuer ist. Um in Zukunft von KI der neuesten Generation zu profitieren, werden es sich Unternehmen noch besser überlegen, ob sie ihre Daten wirklich an Unternehmen in den USA oder in China schicken wollen.