Samuel Sigrist, CEO SIG Group, im Interview

Samuel Sigrist, CEO SIG Group, im Interview
Samuel Sigrist, CEO SIG Group. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Sigrist, im ersten Halbjahr 2024 stieg der Umsatz mit Kartonpackungen – währungsbereinigt und im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal – um 6,7 Prozent. Was war der Grund?

Samuel Sigrist: In der Tat ist das Geschäft mit den aseptischen Kartonpackungen sehr gut gelaufen, noch besser als erwartet. In Europa gewinnen wir weiter Marktanteile hinzu und das Wachstum in Indien ist nach wie vor hoch. Wir platzieren auch laufend neue Abfüllanlagen, was uns für das weitere Wachstum zuversichtlich macht.

Aber im kleineren Geschäft mit Bag-in-Box und Standbeuteln ging es um 12,2 Prozent abwärts. Warum liefen Beutel-im-Karton nicht gut?

Beim Bag-in-Box- und Standbeutel-Geschäft sind im ersten Halbjahr externe und interne Faktoren zusammengekommen. In Nordamerika, unserem wichtigsten Markt für dieses Geschäft, war die Nachfrage vorübergehend schwach. Die Leute sind vor allem weniger auswärts essen gegangen, was die Nachfrage unserer Kunden im Foodservice-Bereich, also zum Beispiel von Schnellrestaurants, gedämpft hat. Hinzu kamen Probleme bei der Verlagerung eines Werks von Kanada in die USA, die länger als geplant dauerte. Massnahmen sind eingeleitet, und wir erwarten auch in diesem Bereich von Quartal zu Quartal eine Verbesserung.

«In Zeiten von Inflation haben unsere Kunden auch den Vorteil, dass sie die Verpackungsgrösse ohne viel Aufwand ändern und den Preispunkt für die Endverbraucher konstant halten können.»
Samuel Sigrist, CEO SIG Group

Reduzierte Produktverluste dank längerer Haltbarkeit und maximaler Produktentleerung, da müssten nach dem Inflationsschock doch die Verbraucher jubeln…

Ja, das sind entscheidende Vorteile unserer Verpackungslösungen. Wir machen verderbliche Ware für Monate haltbar, was den Food Waste ganz generell reduziert und vielen Menschen, gerade auch in Ländern mit einer weniger gut ausgebauten Infrastruktur, den Zugang zu gesunden und sicheren Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen sichert. In Zeiten von Inflation haben unsere Kunden auch den Vorteil, dass sie die Verpackungsgrösse ohne viel Aufwand ändern und den Preispunkt für die Endverbraucher konstant halten können. Das ist gerade auch in Ländern wie Indonesien oder Indien wichtig.

Der Markt für On-the-go-Getränke wächst und bietet ein immenses Potenzial. Ist der neue Verschluss, der mit der Verpackung verbunden ist, aus Umweltschutzgründen der grosse Glücksgriff?

Verpackungen für den Verzehr unterwegs entsprechen einer grossen Nachfrage. Gerade in urbanen Gebieten, beispielsweise in Asien, Indien oder Afrika, mit einer wachsenden Mittelschicht und Millionen von Pendlerinnen und Pendlern, besteht da weiterhin grosses Potenzial. Die mit der Verpackung verbundenen Verschlüsse, die sogenannten «Tethered Caps», spielen da keine wesentliche Rolle.

«Die mit der Verpackung verbundenen Verschlüsse, die sogenannten «Tethered Caps», spielen keine wesentliche Rolle.»

Neben Verschlüssen spielen Barrierefolien eine grosse Rolle, insbesondere beim Produktschutz in der Vertriebskette. Gibt es da irgendwelche Produktinnovationen?

Die Barriereeigenschaften des verwendeten Materials sind für die Nachhaltigkeit in der Tat sehr viel entscheidender als der Verschluss. Bei den aseptischen Kartonpackungen geht es darum, das herkömmlich verwendete Aluminium zu ersetzen. Damit kann der CO2-Fussabdruck massiv reduziert werden. Bei dieser Technologie sind wir führend. Wir haben die ersten Lösungen für aseptische Kartonpackungen ohne Aluminiumschicht auf den Markt gebracht – zunächst für Milch und jetzt auch für sauerstoffempfindliche Produkte wie Säfte. Dies erhöht den Anteil an erneuerbarem Karton auf über 80 Prozent. Und unser Produkt SIG Terra Alu-free + Forest-based Polymers ist die erste aseptische Kartonpackung, die zu 100 Prozent in Verbindung zu erneuerbaren Materialien besteht. Und jetzt sind wir daran, unser technologisches Know-how für aseptisches Abfüllen auch für Bag-in-Box und Standbeutel anwendbar zu machen. Damit können wir unser Angebot erweitern und werden für unsere Kunden noch relevanter.

Die Verbrauchernachfrage in den USA war schwach, vor allem im Foodservice-Bereich. Steckt da vielleicht eine Veränderung im Verbraucherverhalten dahinter oder kündigt sich schlicht und ergreifend eine Rezession an?

Die Endnachfrage im Bereich Bag-in-Box und Standbeutel ist wenig zyklisch, hat aber im ersten Halbjahr in den USA noch unter der hohen Inflation gelitten. In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass verschiedene Schnellrestaurant-Ketten Kampagnen gestartet haben, um die Konsumentinnen und Konsumenten wieder vermehrt in ihre Lokale zu bringen. Darüber hinaus ist die Nachfrage nach Bag-in-Box und Standbeuteln wenig zyklisch und wir sind geografisch und von den Produktkategorien her gut diversifiziert, um auch weiterhin ein solides Wachstum zu erzielen.

Stellen Europäer eigentlich höhere Ansprüche bezüglich Nachhaltigkeit von Verpackungen als Asiaten oder Südamerikaner?

Die Europäer waren bei diesem Thema früher als andere Regionen, aber unterdessen hat sich der Nachhaltigkeitsgedanke weltweit durchgesetzt. Gerade auch in Asien ist das Bewusstsein in den letzten Jahren stark gewachsen, was auch viele Innovationen hervorbringt. Wir betreiben deshalb an unserem Standort in China auch ein Tech Center, wo wir zusammen mit unseren Kunden neue Produkte entwickeln und testen können.

Inwieweit sieht sich die SIG Group auch als Vorreiter des Einzelhandels?

Wir sehen uns nicht in erster Linie als Vorreiter, sondern als Partner. Wir arbeiten sehr eng mit unseren Kunden zusammen. Innovation und Produktentwicklung gehen oft Hand in Hand. So schaffen wir Mehrwert für unsere Kunden und können den Konsumentinnen und Konsumenten gemeinsam attraktive, funktionale und erschwingliche Produkte anbieten.

Geht der Produktionstrend immer stärker in Richtung Co-Packer und Co-Produzenten?

Co-Packing hat in unserer Industrie schon lange Relevanz und gewinnt in gewissen Segmenten durchaus an Bedeutung. Vor allem junge Unternehmen mit kleineren Produktionsvolumen nutzen die Möglichkeiten der Co-Packer, um schneller und weniger kostenintensiv den Markteinstieg zu schaffen. Generell ermöglicht die Zusammenarbeit mit Co-Packern diesen Getränkeherstellern zu wachsen, ohne selbst in Anlagen investieren zu müssen. Bei SIG verfügen wir über ein internationales Netzwerk an Co-Packern, mit dem wir Unternehmen dabei helfen können, ihre Produkte schnell, kosteneffizient und in innovative Verpackungslösungen abzufüllen.

«Vor allem junge Unternehmen mit kleineren Produktionsvolumen nutzen die Möglichkeiten der Co-Packer, um schneller und weniger kostenintensiv den Markteinstieg zu schaffen.»

Für eine Wertminderung im Zusammenhang mit dem Rückgang der Immobilienpreise in China hat SIG vorsorglich einen niederen zweistelligen Millionenbetrag zurückgestellt. Insgesamt dürfte der chinesische Verpackungsmarkt aber doch wieder anziehen, trotz der im Land der Mitte hausgemachten Probleme, oder?

Die Rückstellung hat nichts mit dem Verpackungsmarkt zu tun, sondern nur damit, dass wir die durch die Zusammenlegung der Produktionsstandorte in China überflüssig gewordene Immobilie verkaufen wollen und dabei die Entwicklung der Immobilienpreise berücksichtigen müssen. Vom chinesischen Markt sind wir weiterhin überzeugt. Da wir uns im Bereich von grundlegenden Nahrungsmitteln wie Milch bewegen, deren Nachfrage in China weiterhin im Steigen begriffen ist, sind wir für diesen Markt zuversichtlich.

Sichern Sie sich weiter gegen steigende Preise für Polymere und Aluminium mit Terminkontrakten ab?

Wie in der Vergangenheit, wenden wir auch derzeit unsere Hedging-Strategie für Polymere und Aluminium an. Ziel dieser Strategie ist es, bis zum Jahresende den Grossteil unseres Bedarfs für das kommende Jahr für die beiden Rohstoffe Polymer und Aluminium abgesichert zu sehen.

Über 1000 Service-Mitarbeiter in über 70 Ländern weltweit stellen die Wartung und technische Unterstützung sicher. Ist die Rekrutierung anspruchsvoll?

Die Rekrutierung von Servicetechnikern ist aufgrund der hohen Nachfrage nach ihrer einzigartigen Mischung aus technischen und sozialen Fähigkeiten eine Herausforderung. Diese wird durch die sich verändernden Arbeitsplatzpräferenzen der Generation Z und die Auswirkungen von hybriden Arbeitsmodellen noch verstärkt. Bei SIG begegnen wir dieser Herausforderung, indem wir eine kontinuierliche Pipeline potenzieller Servicetechniker unterhalten und stark in die technische Weiterbildung der neuen Generation investieren. Unser Engagement für Nachhaltigkeit, gepaart mit viel persönlichem Freiraum und einer informellen Unternehmenskultur, schafft ein attraktives Umfeld, um Top-Talente in diesem wettbewerbsintensiven Bereich für SIG zu gewinnen und zu begeistern.

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