von Patrick Gunti
Moneycab.com: Frau Lienhart, Sie haben Ihre neue Funktion nur rund einen Monat nach der Neupositionierung der Bank Coop und dem Neustart als Bank Cler angetreten. Wo haben Sie in den ersten Tagen und Wochen die Schwerpunkte gesetzt?
Sandra Lienhart: Ich bin derzeit daran, mich in die neuen Themen und Aufgabengebiete als CEO einzuarbeiten. An erster Stelle steht für mich derzeit der Austausch mit den verschiedenen Fachbereichen sowie Gespräche mit Mitarbeitenden und Führungskräften.
Welche erste Bilanz lässt sich zum Start der Bank Cler ziehen? Wie ist der «Relaunch» bei den Kunden angekommen, wie waren die Reaktionen?
Der frische Auftritt ist bei unseren Kundinnen und Kunden sehr gut angekommen. Entsprechend positiv sind auch die Reaktionen ausgefallen. Das Wichtigste für unsere Kunden ist, dass sie weiterhin von ihrem Kundenberater betreut werden und das langjährige Vertrauensverhältnis erhalten bleibt. Zudem schätzen sie, dass wir die bewährte Partnerschaft mit Coop weiterführen und sie bei uns Superpunkte sammeln und einlösen können.
«Die Zahlen des ersten Halbjahres sind geprägt von Investitionen in die Neupositionierung und von einem erfreulichen Wachstum in unserem Kerngeschäft.»
Sandra Lienhart, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Bank Cler
Auf der Kostenseite haben die Investitionen in die neue Marke und die Umbauten der Geschäftsstellen zu einem 15% höheren Geschäftsaufwand im 1. Halbjahr geführt. Welche Bilanz ziehen Sie für das operative Geschäft?
Wir sind zufrieden mit unserem Halbjahresergebnis. Der Geschäftsertrag – als Kerngrösse für unsere operative Leistung – ist um 2% gestiegen. Das ist darauf zurückzuführen, dass wir sowohl bei den Kundeneinlagen als auch den Hypotheken gewachsen sind und wir unseren wichtigsten Ertragspfeiler, das Zinsengeschäft, netto um 3,2% steigern konnten. Dazu kommt, dass wir auch im Wertschriften- und Anlagegeschäft, unserem zweiten Ertragspfeiler, um 7,7 %, zulegen können. Wenn ich das Ergebnis in einem Satz zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Die Zahlen des ersten Halbjahres sind geprägt von Investitionen in die Neupositionierung und von einem erfreulichen Wachstum in unserem Kerngeschäft.
Der Bruttoerfolg im Zinsengeschäft legte gegenüber der Vorjahresperiode 3,5% zu. Welche Faktoren haben sich hier ausbezahlt?
Die ist auf drei Faktoren zurückzuführen. Die günstigere Refinanzierung auslaufender Passivgelder durch Pfandbriefdarlehen, das erfreuliche Hypothekarwachstum bei ansprechender Marge und ein professionelles Bilanzstrukturmanagement.
Für Privatkunden gibt es auf ihren Konten kaum mehr Zins. Wie haben sich die Kundeneinlagen entwickelt und wie wurde das letztes Jahr lancierte Angebot einer fondsbasierten Anlagelösung für Vermögen ab 10’000 Franken angenommen?
Unsere Kundeneinlagen sind in den ersten sechs Monaten um 162,4 Mio Franken gewachsen. Das ist eine Steigerung um 1,4%. Dazu beigetragen hat die Anlagelösung, die wir letzten Oktober lanciert haben. Im heutigen Tiefzinsumfeld ist dies eine ideale Alternative zur Bargeldhaltung auf einem Konto. Bis heute haben unsere Kundinnen und Kunden über 270 Mio Franken in die Anlagelösungen investiert. Die Beliebtheit dieses Produktes hat uns auch veranlasst, Ende Juli die «Anlagelösung Nachhaltig» zu lancieren. Damit ergänzen wir unsere Nachhaltigkeitspalette optimal.
Cler bedeutet auf Rätoromanisch klar, einfach, deutlich. Sie wollen also das Bankgeschäft für die Kunden einfacher machen. Was wurde bisher umgesetzt?
In einer ersten Phase haben wir unsere Bankpakete vereinfacht und unsere Vermögensverwaltungsangebote mit einem einheitlichen und transparenten Preismodell versehen. Zudem sind wir sind am 17. Juli mit unserer virtuellen Geschäftsstelle „myCler.ch“ live gegangen. Zu den wichtigsten Funktionen von myCler.ch gehört, dass man in wenigen Minuten einfach Kunde werden kann – und das vollkommen papierlos. Man kann Anlagen tätigen, mit einem Berater chatten, einen Termin vereinbaren oder Dokumente sicher übermitteln. Für die Vereinfachung spielt das Thema Digitalisierung eine wichtige Rolle. Daran arbeiten wir im Moment intensiv.
«Zu den wichtigsten Funktionen von myCler.ch gehört, dass man in wenigen Minuten einfach Kunde werden kann – und das vollkommen papierlos.»
Da die Bank Cler bei ihren Privatkunden eine relative hohe Altersstruktur aufweist, haben Sie die Jungen im Visier. Auch hier dürfte die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen. Wie wird sich das Angebot entsprechend weiter verändern?
Das neue Filialkonzept führt bereits dazu, dass wir mehr junge Kunden in den Geschäftsstellen haben. Das spüren wir vor allem in der Geschäftsstelle Urania in Zürich, die mit ihrem frischen Design auf positive Resonanz stösst. Aber ja, was bei den jungen Kunden entscheidend sein wird, ist das digitale Angebot. Im Rahmen der Digitalisierung steht bei uns deshalb auch die junge Zielgruppe an erster Stelle.
Die Bank Cler will sich verstärkt auf die Herausforderungen der digitalen Transformation ausrichten. Dazu soll ein eigener Geschäftsbereich geschaffen werden. Wann ist mit diesem Schritt zu rechnen und was soll bei den Projekten im Fokus stehen?
Im Auftrag des Verwaltungsrats prüft die Geschäftsleitung derzeit, wie sich die Herausforderungen der digitalen Transformation führungsmässig und strukturell besser verankern lassen. Damit die Synergien des Konzernverbunds optimal genutzt werden können, findet diese Analyse gemeinsam mit der Basler Kantonalbank statt. Wenn diese Grundlagen vorliegen, werden die strukturellen Entscheide getroffen.
Auch die zweite Jahreshälfte dürfte ganz im Zeichen der Neupositionierung stehen. Welche Entwicklungen sind darüber hinaus zu erwarten? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Das ist richtig. Im zweiten Halbjahr werden wir die Neupositionierung konsequent fortsetzen. Das bedeutet, dass wir weiter ins Marketing, in die Digitalisierung und den Umbau der Geschäftsstellen investieren werden. Zudem arbeiten wir weiter daran, unsere Prozesse und Produkte zu vereinfachen sowie unseren Kundinnen den Umgang mit Geld möglichst einfach zu machen. Denn: Cler heisst klar, einfach, deutlich. Das ist bei uns Programm. Neben den Investitionen, die wir tätigen, gehen wir von einer soliden Entwicklung der Ertragsseite aus. Gesamthaft werden sich die Investitionen – trotz der stabilen Entwicklung der Ertragsseite – im Geschäftserfolg und Jahresgewinn niederschlagen.
Frau Lienhart, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Sandra Lienhart ist seit 23. Juni 2017 Vorsitzende der Geschäftsleitung der Bank Cler. Seit 2004 war sie als Leiterin Geschäftsbereich Vertrieb und Mitglied der Geschäftsleitung in der Bank Cler (ehemals Bank Coop) tätig. Sandra Lienhart verfügt über einen Executive Master of Business Administration ZFH der Hochschule für Wirtschaft Zürich und der University of Darden, USA.