Sandra Navidi, CEO BeyondGlobal

Sandra Navidi

Sandra Navidi, CEO von BeyondGlobal und externe Beraterin von Starökonom Roubini im Exclusiv-Interview, zur Zukunft des Dollar, einem möglichen QE3 und der Schweizer Herausforderung mit dem Eurokurs.

Martin Raab & Daniel Manser, Derivative Partners Media AG, payoff.ch

payoff: Zur Zeit werden in der EU die Probleme mit strauchelnden Mitgliedsstaaten nicht kleiner. Welche Ansätze könnten ein Ausweg aus der Schuldenfalle sein?

Sandra Navidi: Eine Patentlösung gibt es nicht. Damit die Situation nicht ausser Kontrolle gerät, müssen Länder deren Schulden so gross sind, dass sie diese realistischerweise nicht zurückzahlen können, umschulden. Die EU-Mitgliedsstaaten müssten sowohl politisch als auch finanzpolitisch enger zusammenrücken, um ein Überleben der Europäischen Gemeinschaft zu gewährleisten. Eine gemeinsame Währung funktioniert nur bei einem gemeinsamen Finanzministerium. Zunächst sind allerdings zunehmend Konflikte zu erwarten, da sich die schwachen Länder bevormundet und die starken Länder ausgenutzt fühlen.

Was müssen die entsprechenden EU-Staaten demnach konkret tun?

Vom Schuldenproblem abgesehen, müssen die Länder in der europäischen Peripherie dringend Strukturreformen durchführen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Sanierung würde allerdings zunächst vorübergehend ihr Wachstum beeinträchtigen. Helfen würde Europa auch ein schwacher Euro, aber das ist vorerst nicht zu erwarten. Eine Deflation, mit der man Preise und Löhne verringern kann, ist keine Option, weil sie mit anhaltender Rezession einhergehen würde und den Wert der Schulden erhöhen würde.

«Eine gemeinsame Währung funktioniert nur bei einem gemeinsamen Finanzministerium.»

Was heisst das für die Schweiz?

Die Schweiz darf sich geschmeichelt fühlen: Sie wird als Fels in der Brandung erachtet. Allerdings birgt dies nicht nur Vorteile. So wird die Schweiz auch weiterhin vom Auf und Ab in der EU stark beeinflusst sein, insbesondere im Hinblick auf Währungsschwankungen. Schweizer Unternehmer müssen Währungsstrategien anwenden, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der weltweite Trend geht hin zu einer Abwertung von Währungen, einem «race to the bottom», um die eigene Exportwirtschaft zu stärken. Länder mit schwachen Währungen haben somit Wettbewerbsvorteile. Dagegen muss sich die Schweiz rüsten.

Was wäre der schlimmste Ausgang in Bezug auf die kriselnden EU-Staaten Portugal, Irland, Italien und Spanien?

Das schlimmste Szenario ist, dass Griechenland in eine ungeordnete Insolvenz verfällt und andere Länder in der europäischen Peripherie ansteckt. Im diesem Fall würde zunächst das griechische Bankensystem, das Milliarden an griechischen Staatsanleihen hält, zusammenbrechen. Finanzinstitute, die Kreditversicherungen gegen den Ausfall von griechischen Staatsanleihen gegeben haben, müssten den Versicherten riesige Summen auszahlen. Europäische Banken, die zwei Drittel aller griechischen Staatsanleihen halten, müssten diese abschreiben. Dies gilt insbesondere für französische und deutsche Banken. Über den eng verwobenen Bankensektor würden sich andere europäische Länder infizieren. Bereits geschwächte Länder, wie Portugal und Irland, könnte auch in die Insolvenz abgleiten. Eine Katastrophe wäre es, wenn Spanien in Zahlungsschwierigkeiten geraten würde, da die damit verbundenen Kosten und Verluste kaum noch stemmbar wären.

«Europäische Banken halten zwei Drittel aller griechischer Staatsanleihen.»

Wie ist – als Wahl-Amerikanerin – ihre Einschätzung zum US-Dollar? Eine globale Leitwährung oder Abstieg auf Raten?

Der Dollar ist noch Leitwährung. Allerdings wird er über die nächsten Jahre bei starker Volatilität schwächer werden. Das Vertrauen in den Dollar schwindet wegen der hohen US-Verschuldung und der subidealen Wachstumsaussichten. Eine direkte Konkurrenz hat er noch nicht. Der Euro kämpft ums Überleben und der Renmimbi ist noch nicht flexibel genug. Die chinesische Regierung lockert zwar graduell die Renmimbi Währungsbeschränkungen, aber es wird noch eine Weile dauern, bis er vermehrt eingesetzt werden kann. Allerdings zeichnet sich der Trend ab, dass ASEAN Länder den Renmimbi sowie andere asiatische Währungen zunehmend in Verträgen einsetzen. Mithin wird sich die Schwächung des Dollars langsam vollziehen, es sei denn, dass das Eintreten eines «Schockereignisses» wie z.B. eine Nichtverabschiedung der Erhöhung des US-Schuldenlimits eine plötzliche Dollarkrise auslöst.

Wie sehen Sie das heiss diskturierte Thema Inflation vs. Deflation in den USA?

Durch die Erhöhung der Geldmenge ist in den USA langfristig mit Inflation zu rechnen. Gegenwärtig manifestieren sich inflationäre Tendenzen jedoch noch nicht, weil das «neu gedruckte» Geld nur in begrenztem Mass in Umlauf gekommen ist. Banken vergeben wenig Kredite, weil sie das billige Geld lohnenswerter in risikoreicheren Anlagen wie in Rohstoffe und in Schwellenländern investieren können. Auf der anderen Seite ist allerdings auch die Nachfrage nach Darlehen gering, weil Firmen und Privatleute sich entschulden und wegen der ungewissen Konjunkturaussichten Investitionen meiden.

Die Aktienbörsen auf beiden Seiten des Atlantiks haben inzwischen stattliche Niveaus erreicht. Ist die Zeit reif für eine Korrektur in den USA?

Der Ausblick für US Aktien ist neutral. Die Fundamentaldaten sind überwiegend solide. Unternehmen haben die Krise der letzten Jahre genutzt, um ihre Effizienz zu steigern, indem sie Kosten gespart, Arbeitsplätze abgebaut und sich umpositioniert haben. Angesichts der makroökonomischen Risiken in den USA wie die anhaltende Arbeitslosigkeit, das Fehlen eines Wachstumsmotors, der anhaltend schwache Immobilienmarkt und die Gefahr eines handlungsunfähigen Kongresses, fällt die Gesamtbeurteilung für diesen Markt etwas vorsichtiger und damit neutral aus.

Wird es ein neues Stimulus-Programm (sog. «QE 3») geben?Die Anzeichen dafür häufen sich. Ursprünglich war es nicht geplant, weil die Erholung trotz der Erhöhung der Geldmenge moderat verlaufen ist und man sich von weiterem Gelddrucken keinen zusätzlichen Vorteil versprach. Mittlerweile haben sich jedoch die Konjunkturprognosen und die Stimmung verschlechtert. Da die Regierung ihre Munition verschossen hat und 2012 ein Wahljahr ist, ist es das Naheliegendste, die Geldmenge weiter zu erhöhen.

«Es kann nicht schaden, einen geringen Teil seines Portfolios in Gold zu investieren.»

In den USA regt sich doch heftiger Widerstand in der Bevölkerung gegen das Gelddrucken. Wie lange lässt sich das noch weiter aufrechterhalten?

Die Federal Reserve hat zwei Aufgaben, nämlich Preissicherheit und maximale Arbeitsplätze mittels Geldpolitik zu gewährleisten. Sie soll unabhängig und langfristig handeln. In den letzten Jahren hat die Fed sehr stark in den Markt eingegriffen. Irgendwann stellt sich die Frage, inwieweit das noch vom Demokratieprinzip gedeckt ist, denn schliesslich ist die Fed nicht gewählt und unterliegt auch keinen klassischen demokratischen Kontrollen. Das stetige Erhöhen der Geldmenge bestraft Sparer zugunsten von Schuldnern und erhöht damit das moralische Risiko. Ferner fliesst das billige Geld in risikoreiche Anlageklassen wie Rohstoffe und führt damit zu Überhitzungen und Blasen bei.

Ist Gold somit ein Investment mit Zukunft?

Gold dient in erster Linie als Wertspeicher und als Absicherungsmittel gegen Inflation und Portfoliorisiken. Ferner ist Gold Gegenstand von Spekulation. Ein Ausstieg aus der billigen Geldpolitik könnte sich negativ auf seinen Preis auswirken. Gold ist auch nicht eindeutig korreliert. Teilweise ist der Goldpreis bei Zuspitzung der Krise etwas gesunken, während der Dollar zugelegt hat. Das lag daran, dass Investoren Liquidität gesucht haben. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass Gold in Krisenzeiten historisch dem Eingriff von Regierungen unterlag. Es kann höher besteuert, mit dem Verbot der Spekulation belegt und konfisziert werden. Aus Absicherungsgesichtspunkten kann es aber nicht schaden, einen geringen Teil seins Portfolios in Gold zu investieren.

Was halten Sie von Investments in gerade erst erwachenden Märkte, die sog. «Frontier Markets»?

Frontier Markets bieten häufig überdurchschnittlich hohe Erträge, allerdings bei erhöhtem Risiko. Hierbei handelt es sich in erster Linie um politisches Risiko und geringe Rechtssicherheit. Ob ein solches Investment sinnvoll ist, kommt auf die Gesamtausrichtung des Portfolios an. Im Rahmen der Diversifikation von Risiko, Anlageklassen und Geographie kann es durchaus Sinn machen. Die Mongolei ist ein gutes Beispiel für einen erwachenden Markt. Sie ist reich an Bodenschätzen, liegt direkt neben China wo grosse Nachfrage besteht und verfügt über eine günstige Steuergesetzgebung. Das politische Risiko scheint moderat.

Der Gesprächstpartner
Sandra Navidi ist CEO von BeyondGlobal LL C mit Hauptsitz in New York. Zuvor war sie mehrere Jahre als Director of Research Strategies beim renommierten US-Starökonom Nouriel Roubini tätig. Im Januar 2001 siedelte Sandra Navidi in die Vereinigten Staaten bzw. New York über. Sie verantwortete dort als studierte Juristin bei einer Investmentboutique die Vertragsgestaltung von milliardenschweren Finanz-Transaktionen in den USA und Europa. Im Januar 2009 wechselte sie zu Roubini Global Economics. Seit Juni 2011 hat sie sich mit ihrem Unternehmen BeyondGlobal selbstständig gemacht. Die Wirtschaftsexpertin ist Teilnehmerin bekannter Veranstaltungen wie dem WEF in Davos und ist regelmässig bei den führenden, internationalen Finanzkanälen (u.a. CNBC und BloombergTV) zu Gast.

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