von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Heiniger, bis anhin nur Insidern ein Begriff, befindet sich Polestar mit seinem zweitem Modell, der komplett elektrischen Limousine Polestar 2 «auf der Überholspur». Anfang Dezember 2020 wurde das Fahrzeug, noch kaum auf Schweizer Strassen, schon zum «Schweizer Auto des Jahres 2021» gewählt. Was sagen Sie zu diesem Überraschungscoup?
Sascha Heiniger: Dass wir gleich bei unserer ersten Teilnahme mit dem Polestar 2 die Auszeichnung «Schweizer Auto des Jahres 2021» gewonnen haben, freut uns natürlich sehr. Ehrlich gesagt, waren auch wir etwas überrascht davon, fuhr doch zu diesem Zeitpunkt noch kein Polestar 2 auf den Schweizer Strassen. Es spricht aber auch für den Polestar 2, dass er die hochkarätige Jury gleich auf Anhieb von seinen Qualitäten überzeugen konnte.
Polestar war einst die Tuning-Marke von Volvo. Bringen Sie uns doch die heutige Marke Polestar zuerst etwas näher…
Polestar war ursprünglich ein schwedisches Tourenwagen Racing Team, unsere Wurzeln liegen daher auch im Rennsport. 2015 kaufte Volvo Cars die Marke und Polestar wurde fortan zur Tuningabteilung von Volvo. 2017 schliesslich wurde der strategische Entscheid gefällt, dass Polestar künftig unter eigenem Namen zum Hersteller hochwertiger, elektrischer Fahrzeuge wird. Gegründet von Volvo Cars und ihrer Muttergesellschaft Geely ist Polestar heute eine eigenständige, global agierende Marke mit Sitz in Göteborg, Schweden. Interessant ist für uns als Marke dabei, dass wir von technischen und technologischen Synergien in Verbindung mit Volvo Cars und dadurch von erheblichen Skaleneffekten profitieren können.
«Als eigentliches Startup-Unternehmen haben wir uns aber auch sehr schnell daran gewöhnt, praktisch täglich neue Lösungen für neue Probleme zu finden.«
Sascha Heiniger, Head of Polestar Switzerland
Wie riskant ist es, während einer Pandemie eine Marke und ihr neues Vorzeigemodell global einzuführen?
Nun, die aktuelle Pandemie konnten auch wir natürlich nicht voraussehen und die Lancierung unserer Marke und unserer beiden ersten Modellen – den Polestar 1 und 2 – war bei Ausbruch bereits am Laufen. Die aktuellen Umstände machen es sicherlich nicht leichter eine neue Marke im Markt aufzubauen. Als eigentliches Start-up Unternehmen haben wir uns aber auch sehr schnell daran gewöhnt, praktisch täglich neue Lösungen für neue Probleme zu finden. Gleichzeitig sind wir mit unserem digital ausgerichteten Business- und Vertriebsmodell sehr gut aufgestellt um auf die aktuelle Situation reagieren zu können. Unser online-Showroom ist so gesehen für Verkäufe immer offen.
Wie viele Polestar 2 rollen mittlerweile über die Schweizer Strassen?
Wir haben diesen Januar offiziell mit unseren Auslieferungen begonnen. Aktuell fahren rund 80 Polestar 2 auf Schweizer Strassen.
Rein-elektrische Modelle und Plug-in-Hybride sind im vergangenen Jahr so richtig durchgestartet. Davon profitiert auch Polestar. Wie viele Bestellungen für das neue Modell liegen denn vor?
Ja, das stimmt. Auch wenn 2020 für den Schweizer Autohandel mit einem Rückgang der Verkäufe um 24% ein sehr schwieriges Jahr war, so konnten rein elektrische Fahrzeuge gleichzeitig um fast 50% zulegen. Ende November letzten Jahres haben wir den Online-Verkauf gestartet und haben aktuell über 300 Bestellungen für den Polestar 2.
Peilen Sie bei den Verkäufen eher den Endverbraucher an oder eher Firmenkunden?
Wir möchten gerne beide Zielgruppen ansprechen. Es möchten ja nicht nur viele Privatkunden auf eine neue, nachhaltige Mobilität umsteigen, sondern auch viele Firmen.
«Bei Polestar ist alles Wichtige bereits ab Werk mit dabei. Insofern sind wir der Meinung, dass wir ein hochwertiges, emotionales Elektrofahrzeug zu einem sehr kompetitiven Preis anbieten.»
Für den Einstiegspreis von 57’900 Franken bekomme ich mit dem Polestar 2 ein Auto der Premiumklasse. Fast 60’000 Franken sind aber nicht ohne – warum soll ich so viel Geld für diesen Wagen ausgeben?
Die aktuell erhältliche Version des Polestar 2 ist unsere «Launch Edition». Es ist also die Topversion, mit Doppelmotor, respektive Allradantrieb, grosser Batterie und hoher Ausstattung. Unsere Philosophie ist es, dass der Kunde sein Fahrzeug nicht mit einer Vielzahl von Optionen ausstatten muss, damit es interessant wird. Bei Polestar ist alles Wichtige bereits ab Werk mit dabei. Insofern sind wir der Meinung, dass wir ein hochwertiges, emotionales Elektrofahrzeug zu einem sehr kompetitiven Preis anbieten. Im Verlauf des Jahres, folgen zudem noch weitere Einstiegsvarianten des Polestar 2.
Design-Anleihen bei Volvo sind offensichtlich, aber auch die Ähnlichkeiten des Polestar 2 mit dem Tesla Model 3. Was hat der Polestar 2, was der Tesla nicht hat? Oder sind eher die deutschen Marken die Konkurrenten?
Es ist klar, dass man als neuer Player auf dem automobilen Markt mit anderen Herstellern verglichen wird. Wir sind zwar noch eine junge Marke, verfolgen jedoch ganz bewusst einen eigenen Auftritt. Unser Fokus liegt auf Design, Performance und Innovation und dies mit einem kompromisslosen Ansatz. Wir wollen als Marke die Transformation der Mobilität vorantreiben. Dabei reicht es heute nicht mehr, nur einen elektrischen Motor zu verbauen. Wir sind der Überzeugung, dass ein Hersteller den ganzen CO2-Fussabdruck seines Produktes von der Herstellung bis zur Übergabe an den Kunden transparent aufzeigen muss. Und die von uns verbauten Materialien müssen nicht nur wertig und schön, sondern auch nachhaltig hergestellt sein. Ich finde diese Kompromisslosigkeit auf verschiedenen Ebenen macht uns ziemlich einzigartig.
«Die von uns verbauten Materialien müssen nicht nur wertig und schön, sondern auch nachhaltig hergestellt sein.»
Aktuell läuft der Polestar-Verkauf in der Schweiz ausschliesslich online. Wann werden in der Schweiz die ersten sogenannten «Spaces» eröffnet?
Falls es die aktuelle Situation zulässt, planen wir unsere ersten Polestar Spaces in Zürich und Genf auf Anfang März zu eröffnen.
Was erwartet potenzielle Kunden in den Spaces?
Im Polestar Space können interessierte Personen unsere Modelle entdecken, mehr über die Marke erfahren und auch Testfahrten durchführen. Unsere Spaces – in Genf und in Zürich – liegen beide im Stadtzentrum. Das Design ist minimalistisch und die Polestar Experten arbeiten nicht auf Kommission, sondern stehen den Kunden beratend zur Seite. Somit stehen unsere Spaces auch für ein neues Kundenerlebnis.
Ein Vertrieb über Garagen und Autohäuser ist nicht vorgesehen?
Nein, unser Businessmodell ist auf einem online Verkaufsmodell aufgebaut. Abgeliefert werden die bestellten Polestar Modelle danach von unseren Partnern über sogenannte Handover Centren.
Nach den Limousinen folgt mit dem Polestar 3 der Einstieg ins SUV-Segment. Was ist hier zu erwarten und ab wann ist das Fahrzeug hierzulande erhältlich?
Das ist korrekt, unser nächstes Modell ist ein aerodynamisches vollelektrisches SUV. Erhältlich wird es im Laufe des nächsten Jahres sein.
Anfang 2020 hat Polestar das Konzept Precept präsentiert. Welches ist die Vision dahinter?
Mit der vollelektrischen Limousine Precept wollten wir nicht nur die zukünftige Designausrichtung von Polestar zeigen, sondern auch, wie wir als Marke künftig die Themen Innovation, digitale Technologien und Nachhaltigkeit prägen wollen. So werden beispielsweise im Innenraum des Precept verschiedene nachhaltige und recyclierte Materialien eingesetzt, darunter PET-Flaschen, Korkvinyl, wiederverwertete Fischernetze und Verbundwerkstoff aus Flachsgewebe. Der Precept ist auf so grosses öffentliches Interesse gestossen, dass sich Polestar dazu entschieden hat, das Modell in den kommenden Jahren auch in Produktion zu bringen.
Herr Heiniger, besten Dank für das Interview.