Sascha Hümbeli, Geschäftsführer Youbeee. (Foto: zvg)
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Hümbeli, vom GL-Mitglied bei Zurich Schweiz zum Co-Gründer einer Buchungsplattform, die im Zeitgeist von Entschleunigung, Auszeit und Umorientierung aussergewöhnliche Angebote bündelt, ist es ein weiter Weg. Wie kam es dazu?
Sascha Hümbeli: Ich war in einer verantwortungsvollen Position und arbeitete sehr viel. Doch die Arbeit befriedigte mich nicht wirklich, weil ich in der damaligen Rolle nur eingeschränkte Entscheidungsfreiheit genoss. Eingeklemmt in einer Matrixorganisation mussten alle Entscheide mit x Stellen abgestimmt werden, was sehr mühsam und kräfteraubend war. Die Mischung aus hohem Arbeitspensum und Frust zehrten an meiner Energie, was mich dazu bewog auszusteigen und etwas Eigenes aufzubauen.
Hinter Ihnen liegt ein intensives Jahr des Geschäftsaufbaus. Haben Sie sich persönlich Auszeiten gegönnt?
Ja, ich arbeite heute in einem anderen Rhythmus, insgesamt wohl nicht weniger als früher, aber mit mehr Freiheiten. Da ich weniger Präsenzzeiten habe, kann ich öfter mal frei machen. Dafür arbeite ich manchmal in den Abend hinein, wenn mir danach ist. Oder ich fliege einen Monat nach Bali und arbeite teilweise von dort aus. Das Arbeiten macht so viel mehr Spass.
Welches waren die grössten Herausforderungen beim Aufbau von Youbeee.com?
Die grösste Herausforderung ist, den Fokus auf das Wesentliche zu behalten. Da man als Jungunternehmer alle Arbeiten selber macht, ist die Gefahr da, sich in den Details zu verlieren. Dazu kommt die Kooperation und Arbeitsteilung mit den anderen zwei Partnern. Nach der Gründungsphase geht alles sehr schnell, und es sind noch keine definierten Geschäftsprozesse vorhanden. Das erfordert einen hohen Grad an Flexibilität und Koordination.
«Wichtig ist, dass bei unseren Angeboten immer bestimmte Ziele oder Zwecke verfolgt werden, die im weitesten Sinn mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun haben.»
Sascha Hümbeli, Geschäftsführer Youbeee
Worauf fokussieren die Youbeee-Angebote?
Wir fokussieren auf die Themen Entschleunigung und Besinnung auf sich selbst. Das können kurze Seminare oder Workshops sein, das können aber auch umfangreiche Themenreisen sein, wo neue Erfahrungen gemacht werden können. Wichtig ist, dass bei unseren Angeboten immer bestimmte Ziele oder Zwecke verfolgt werden, die im weitesten Sinn mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun haben. Das unterscheidet uns von normalen Reiseanbietern.
Verschaffen Sie uns einen kurzen Überblick über die Angebote?
In der Rubrik „Retreats und Auszeit“ haben wir zum Beispiel einen begleiteten Aufenthalt im Kloster Müstair, wo Entspannungsübungen, Meditation und Yoga angeboten werden. In der Rubrik „Seminare und Kurse“ haben wir unter anderem ein dreitägiges Seminar in Wien mit dem Titel „Neuorientierung, Berufung, höherer Sinn im Leben“ im Angebot. Und in der Rubrik „Themenreisen“ haben wir verschiedene geführte Inseldurchwanderungen auf den Kanaren, die vom erfahrenen Weltenbummler André Schumacher geleitet werden.
Wie gut kennen Sie die Anbieter?
Wir kennen fast alle Anbieter persönlich. Das ist uns wichtig, denn nur so können wir die Qualität der Angebote sicherstellen. Wir haben auch viele der Anbieter vor Ort besucht, um uns einen Eindruck von den Örtlichkeiten zu machen.
Was bietet das Online-Magazin, mit welchem Sie Ihr Angebot ergänzen?
Das Online-Magazin ist unser Sprachrohr in die Öffentlichkeit. Es dient einerseits als Plattform, um unsere Angebote vorzustellen und darüber genauer aufzuklären. Andererseits publizieren wir hier Themen- und Fachartikel mit dem Ziel, Methoden der Stressbewältigung näher zu bringen, Auszeitorte vorzustellen, Tipps zum achtsameren Umgang mit den eigenen Ressourcen zu geben, und vieles mehr. Wir arbeiten hier mit zahlreichen Experten zusammen, die für uns schreiben.
«Wir kennen fast alle Anbieter persönlich. Das ist uns wichtig, denn nur so können wir die Qualität der Angebote sicherstellen.»
Soziale Verantwortung wahrzunehmen, ist Ihnen wichtig. Wie tun Sie dies bei Youbeee?
Es war uns von Anfang an wichtig, den wirtschaftlichen Erfolg mit einem guten Zweck zu verbinden. Deshalb haben wir ein Spenden-Programm ins Leben gerufen, bei dem wir mit verschiedenen wohltätigen Organisationen zusammenarbeiten. Bei jeder Buchung über unsere Plattform fliesst ein Teil unseres Umsatzes in dieses Spenden-Programm.
Aus eigener Erfahrung wissen Sie, was es braucht, wenn man im Leben etwas verändern muss oder will. Was raten Sie Menschen, die gestresst sind, vor einem Burn-out stehen oder sich im berühmten Hamsterrad gefangen sehen?
Ich rate jedem frühzeitig das Gespräch mit einer Vertrauensperson oder mit einem Coach zu suchen. Das Gespräch hilft einem, die Situation mit mehr Abstand zu betrachten. Wichtig ist, dass man sich selbst eingesteht, dass die eigenen Energieressourcen nicht unendlich sind. Diese Einsicht ist der erste Schritt zur Veränderung.
Was sind aus Ihrer Erfahrung die häufigsten Gründe, wenn sich Menschen eine Auszeit nehmen, sich intensiv mit sich selbst auseinandersetzen und danach handeln?
Meistens beginnt die Neuorientierung mit einem Schicksalsschlag oder einer Krise, zum Beispiel nach einer Trennung oder einem Jobverlust. Es hängt auch vom Lebensalter ab. Menschen ab 40 tendieren mehr dazu, ihr Leben zu hinterfragen. Der gestiegene Stress in unserer Arbeitswelt führt aber auch zu einem stärkeren Bewusstsein, dass Erholung notwendig ist. Deshalb bieten immer mehr Firmen an, dass Mitarbeiter sich eine Auszeit nehmen können, und davon wird auch immer öfter Gebrauch gemacht.
«Arbeitgeber sollten das Interesse haben, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig gesund und motiviert bleiben. Je stressiger der Job, desto mehr Ausgleich benötigt der Mensch.»
Vielfach scheitern Pläne für eine längere Auszeit, für ein Sabbatical oder ähnliches aber der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Welche Vorteile kann es aber Unternehmen bringen, Mitarbeitende für eine gewisse Zeit «aussteigen» zu lassen?
Arbeitgeber sollten das Interesse haben, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig gesund und motiviert bleiben. Je stressiger der Job, desto mehr Ausgleich benötigt der Mensch. Das haben viele Arbeitgeber schon erkannt und bieten langjährigen Mitarbeitern die Möglichkeit eines Sabbaticals an, wo ihr Job garantiert bleibt. Wenn dies ein Arbeitgeber nicht anbietet, dann verstehe ich die Angst vor dem Jobverlust, was Arbeitnehmer davon abhält überhaupt anzufragen. Da muss der Arbeitnehmer letztlich selbst entscheiden, wie wichtig ihm seine Gesundheit ist, und ob er das Risiko eines Jobverlustes eingehen will oder kann. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ein Sabbatical nicht das einzige Mittel zur Erholung ist. Noch besser ist es, sich im täglichen Leben genügend Zeit für erholende Aktivitäten zu nehmen.
Ob Selbstverpfleger-Auszeit auf der Alm, Mentaltraining in der Wüste oder Qigong auf Kreta: Muss man sich manchmal zum Aussergewöhnlichen auch überwinden?
Ja, manchmal braucht es etwas Mut, bekannte Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren. Aber nur so kann wirkliches Lernen stattfinden. Meistens folgen Menschen den Empfehlungen von vertrauten Personen, bevor sie ein spezielles Angebot buchen. Das ist uns bewusst, weshalb wir auch Erfahrungsberichte in unserem Online-Magazin publizieren.
Was hält Menschen davon ab, zumindest vorübergehend sichere Pfade zu verlassen?
Es ist die Angst vor Verlust, die unser Sicherheitsdenken beeinflusst. Dies kann jegliche Art von Verlust sein, zum Beispiel Wohlstand, Status, Macht. Deshalb haben viele Menschen mühe, einen wohldotierten Job zu kündigen. Wir haben uns an einen Level gewöhnt und möchten keine Einbussen in Kauf nehmen. Ich spreche hier von Menschen, die eine erfolgreiche Karriere hinter sich haben. Oft spielt auch das Umfeld eine Rolle, der Lebenspartner, die Familie. Man glaubt, sie seien nur glücklich, wenn sie weiterhin auf grossem Fuss leben können.
Herr Hümbeli, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Sascha Hümbeli studierte Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich und Betriebswirtschaft an der Universität Bern. Er arbeitete 15 Jahre bei Zurich Versicherung, zuletzt als Geschäftsleitungsmitglied, bevor er sich 2014 selbständig machte. Zusammen mit zwei Partnern gründete er das Unternehmen Youbeee, um Menschen bei der Entschleunigung und Neuorientierung zu unterstützten. Er praktiziert selber regelmässig Yoga und Meditation.