Sébastien Turpain, Geschäftsführer happyshops Group AG, im Interview
Sébastien Turpain, Geschäftsführer happyshops Group AG. (Foto: zvg)
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Turpain, die happyshops Group AG hat im ersten Halbjahr 2016 den Umsatz gegenüber der Vorjahresperiode um 51 % gesteigert. Die letztjährige Strategieanpassung vom Monoshop- zum Multishop-Anbieter scheint sich auszuzahlen…
Sébastien Turpain: Das Ziel der neuen Strategie war, neue Zielgruppen zu erreichen und das Umsatzwachstum der Gruppe zu beschleunigen, ohne dabei Marge preiszugeben. Das ist uns gelungen und zeigt, dass die Marschrichtung stimmt.
Ihr E-Commerce-Unternehmen startete 2009 mit geschenkparadies.ch als Shoppingportal für Erlebnisgeschenke. Die Entwicklung verlief positiv – welche Gründe führten zum Strategiewechsel im vergangenen Jahr?
Wir haben gemerkt, dass unsere Kunden in bestimmten Kategorien die Produkte nicht nur als Geschenk sondern zunehmend auch für sich selbst einkaufen. Wir wollten diesen gut laufenden Themen mehr Gewicht verleihen, was innerhalb eines Monoshops mit dem Etikett Geschenke schwierig war. Wir gelangten zur Überzeugung, dass wir mit einer Multishop-Strategie die Zielgruppen besser erreichen und schneller wachsen können.
Die mobile Nutzung der Shops ist ein elementarer Teil ihrer Strategie. Welchen Anteil hat der Mobile Commerce mittlerweile?
Im ersten halben Jahr 2016 haben bereits knapp 70% unsere Shops mit dem Smartphone oder Tablet besucht. An der Spitze liegen unseren Kindershops kidsahoi.ch und youpikids.ch mit über 80% Mobile-Traffic. Die Conversion hinkt bei Mobile generell dem Traffic hinterher. Allerdings kauft aber auch schon jeder zweite Kunde mit seinem Handy oder Tablet bei uns ein, Tendenz stark steigend. Auch damit liegen wir deutlich über dem Marktdurchschnitt, was uns besonders freut, denn das Mobile-Business ist heute im E-Commerce einer der ganz grossen Erfolgsfaktoren.
Sie veröffentlichen keine Zahlen, aber Sie können uns sicher sagen, welches die umsatzstärksten Shops im Portfolio sind?
geschenkparadies.ch ist mit dem sehr starken Erlebnis-Geschäft nach wie vor unser Flaggschiff, ist ja aber auch schon seit 2010 am Markt. Dahinter folgen die Frischlinge bambuu.ch, kidsahoi.ch und schmuckmania.ch, die sehr rasch aufholen.
Sie legen den Fokus auf wachstumsträchtige Nischenthemen. Wie erkennen Sie die erfolgsversprechenden Nischen?
Wir scouten sehr viel, sind an allen wichtigen Messen präsent, kommunizieren intensiv mit unseren Lieferanten und sind mehrmals jährlich in Asien bei den Herstellern unterwegs. Haben wir ein Thema definiert, kaufen wir kleinere Mengen ein und testen die Produkte in den bestehenden Kanälen. Entweder wird das Thema fallengelassen, einer Kategorie in einem bestehenden Shop zugeordnet oder zum eigenen Shop. Ein Beispiel: Uns ist aufgefallen, dass Sonnenbrillen aus Holz in verschiedenen Fashion-Magazinen auftauchten sowie auf Pinterest populär waren. Also haben wir über unser Buying-Office in Hongkong fünf Modelle eingekauft und auf geschenkparadies.ch angeboten. Die Brillen waren sofort ausverkauft. Wir haben das Sortiment um Holzuhren, Weckern und anderen Gadgets erweitert, weiter getestet und schliesslich entschieden, dass dieses Thema nachhaltig ist und einen eigenen Shop zur gezielteren Vermarktung benötigt. Daraus ist bambuu.ch entstanden.
«Haben wir ein Thema definiert, kaufen wir kleinere Mengen ein und testen die Produkte in den bestehenden Kanälen. Entweder wird das Thema fallengelassen, einer Kategorie in einem bestehenden Shop zugeordnet oder zum eigenen Shop.»
Sébastien Turpain, CEO happyshops AG
Im Juni haben Sie mit lovu.ch den siebten Shop eröffnet. Eine Nische scheint dies nicht zu sein, der Markt ist voll mit entsprechenden Shops. Was unterscheidet lovu.ch von der Konkurrenz?
Es gibt kein Thema, das nicht schon besetzt ist. Wichtiger ist, wie die Konkurrenz auftritt und ob der Wettbewerb hauptsächlich über den Preis geführt wird. Im Erotiktoys-Bereich gibt es ein paar wenige hochprofessionelle Anbieter, die Margen sind noch intakt, die Akzeptanz in der breiten Bevölkerung ist da, das Potenzial aber noch nicht ausgeschöpft. Wir sehen hier durchaus noch Platz für einen weiteren Player, der mit einer fairen Preispolitik ein Stück vom Kuchen ergattern wird. Wir betreiben unsere Shops extrem effizient, d.h. wir müssen nicht unbedingt die Nummer 1 in einer Nische werden, um darin wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Als nächstes gehen Sie mit casami.ch an den Start. Wie wird sich das Angebot dieses im Bereich Home&Living angesiedelten Shops präsentieren?
Das Thema Home&Living kann man sehr breit interpretieren. Hier haben wir vor allem im Deko-Bereich bereits ein ansehnliches Sortiment, das über geschenkparadies.ch sehr gut läuft. Dieses wird noch in der Breite und Tiefe erweitert und mit typischen Home-&-Living-Artikeln wie Lounges, Textilien, LED-Möbel usw. ergänzt.
Sind Themenshops generell attraktiver für den Kunden als Marktplätze oder eigentliche Online-Warenhäuser mit ihrem breiten Angebot?
E-Shopper kaufen gerne dort ein, wo sie die grösste Themenkompetenz und das beste Preis-/Leistungsverhältnis erwartet. Während in der Offline-Welt Warenhäuser Sinn machen, weil sie den Einkauf erleichtern und man als Kunde fast alles unter einem Dach findet, ist in der Online-Welt der nächste Shop nur einen Klick entfernt. Online-Marktplätze sind gut, v.a. auch für kleinere Händler mit einem beschränkten Sortiment, die sich teures Marketing nicht leisten können und dafür lieber etwas von der Marge abgeben. Wir glauben aber daran, dass der Nischenshop dem Marktplatz immer überlegen ist, weil er das spezifische Kundenbedürfnis gezielter und glaubhafter ansprechen kann.
Wie viel Zeit räumen Sie einem neuen Shop ein, damit er zum Erfolg werden kann? Welche Vorgaben muss ein neuer Shop erfüllen?
Unsere zentralen Erfolgskriterien sind Volumen und Profitabilität. Typischerweise erkennt man den Erfolg eines Shops relativ rasch. Bisher haben alle neuen Shops die Erwartungen bereits nach wenigen Monaten übertroffen. Dass wird vielleicht nicht immer so sein. Wir haben aber keine Probleme damit, einen Shop zu schliessen, wenn die Performance nicht stimmt. Versuch und Irrtum ist auch im E-Commerce eine zentrale Entwicklungsstrategie.
«Wir glauben aber daran, dass der Nischenshop dem Marktplatz immer überlegen ist, weil er das spezifische Kundenbedürfnis gezielter und glaubhafter ansprechen kann.»
Wäre die heutige Expansion ohne das selber entwickelte Webshop Management System PLUG&PLAY möglich gewesen?
Voraussetzung für den Erfolg unserer Multishop-Strategie ist Flexibilität und Geschwindigkeit in der Umsetzung neuer Ideen. Mit unserem Shopsystem können wir praktisch auf Knopfdruck einen neuen Shop online stellen, der nach vorne eigenständig auftritt, im Backend aber an alle unsere relevanten Businessprozesse wie ERP, Marketing und Einkauf/Logistik angebunden ist. Mit einer fertigen Shoplösung ab Stange wäre das in dieser Form nicht möglich.
Könnten Sie sich vorstellen, dieses System in Lizenz anderen E-Commerce-Unternehmen anzubieten?
Aktuell ist in diese Richtung nichts geplant. Wir sind ein E-Commerce-Unternehmen, das Warenhandel betreibt. Das Lizenzgeschäft ist etwas komplett anderes und würde uns auch keine Vorteile bringen. Wir können mit PLUG&PLAY Ecommerce auf eine sehr effiziente und innovative technische Grundlage bauen, die uns gegenüber der Konkurrenz Marktvorteile verschafft. Diese Position der Stärke wollen wir nutzen.
Der Online-Handel wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Wie viel Potenzial sehen Sie für die happyshops Group AG?
Die Menschen kaufen immer mehr online ein, der gesamte Markt wird in den kommenden Jahr weiter wachsen, dieser Trend ist gesetzt. Davon werden wir selbstverständlich auch profitieren. Wir konnten seit der Gründung vor sieben Jahren das allgemeine Marktwachstum stets übertreffen und haben in diesem Jahr seit der Strategieanpassung nochmals einen Zacken zugelegt. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass wir schon sehr bald zu den 20 grössten, unabhängigen Schweizer Onlineshops gehören werden.
Herr Turpain, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Sébastien Turpain (31) hat Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich und der Fachhochschule für angewandte Wissenschaften studiert. Seit 2011 ist er zuerst als Category Manager, später als Abteilungsleiter und seit Juni 2015 als Geschäftsführer für die happyshops Group AG tätig.
Zum Unternehmen:
Die E-Commerce-Gruppe happyshops Group AG setzt mit ihrer Nischenshop-Strategie auf Themen mit grossem Wachstumspotential. Die Gruppe betreibt aktuell die führenden Online Geschenkportale geschenkparadies.ch und cadeaux24 sowie die erfolgreichen Themenshops schmuckmania.ch, kidsahoi.ch, 7deals.ch, bambuu.ch, personalisiert.ch und lovu.ch. Die Gruppe beschäftigt 20 Mitarbeitende (ohne Logistik) und verzeichnet aktuell über 250’000 registrierte Kunden.