Simon Michel, CEO Ypsomed AG, im Interview

Simon Michel, CEO Ypsomed AG, im Interview
Ypsomed-CEO Simon Michel. (Foto: Ypsomed)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Michel, bei Ypsomed können Führungsmitarbeitende vor der Pensionierung in eine Spezialistenfunktion übergehen und die Führung dem Nachwuchs übergeben oder sie können sich flexibel pensionieren lassen, das heisst das Pensum ab 60 schrittweise zu reduzieren, aber über das ordentliche Rentenalter hinaus tätig zu sein. Wie viele von den rund 1‘300 Mitarbeitenden haben sich bisher dafür entschieden?

Simon Michel: Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr 2015/16 das Projekt HRplus gestartet. Dabei geht es um die nachhaltige Sicherung von Fachkräften. Die genannten Möglichkeiten sind ein Auszug aus diversen Massnahmen in diesem Projekt. Der Start ist gerade erst erfolgt und fünf Mitarbeitende profitieren von diesen Angeboten. Das Interesse ist aber sehr gross.

Unser Arbeitsleben ist in vielen Bereichen zu starr. In welchen Ihrer ausländischen Tochterunternehmen spüren Sie das am meisten? Vielleicht in Frankreich mit seiner fixen 35-Stundenwoche?

Das ist für Ypsomed überhaupt kein Problem. Wir arbeiten im gesamten Konzern stark zielorientiert. Wir setzen für die einzelnen Länderorganisationen ambitionierte Ziele, aber berücksichtigen jeweils alle relevanten Parameter, wie bspw. rechtliche Rahmenbedingung. So können wir sicherstellen, dass die gesetzten Ziele fordernd, aber nicht unmöglich zu erreichen sind. Aber als spezielles Land ist in unserer Organisation Indien zu nennen. Einerseits funktioniert das Gesundheitswesen völlig anders als wir in Europa gewohnt sind und zweitens ist das gesamte Geschäftsleben stark reglementiert, und es gibt immer wieder rechtliche und administrative Hürden. Mir scheint es, dass ich für die indische Gesellschaft doppelt so viele Dokumente unterschreiben muss, wie für alle europäischen Tochtergesellschaften zusammen.

«In Schwerin kosten vergleichbare Arbeitskräfte weniger als die Hälfte.»
Simon Michel, CEO Ypsomed AG

Wie alle Schweizer Unternehmen klagt auch Ypsomed über die hohen Lohnkosten in der Schweiz. In Schwerin wollen Sie auf Ende 2018 einen Produktionsbetrieb fertigstellen. Finden Sie in Mecklenburg-Vorpommern das passende Personal?

Hohe Lohnkosten sind in der Schweiz ein Fakt. Aber trotzdem bauen wir in der Schweiz in der Produktion aus, bis alle Flächen und Kapazitäten optimal genutzt sind. Schwerin verfügt über ein sehr interessantes Investitionsklima, welches sich durch verschiedene Faktoren auszeichnet. Qualifizierte Arbeitskräfte sind einer davon.

Gerade auch durch die Unternehmenssteuerreform III wird sich der Arbeitsmarkt in der Schweiz weiter verändern. Im Inland wird immer mehr geforscht und entwickelt werden, im Ausland produziert. Was bedeutet das für Ypsomed‘s Standorte Solothurn und Burgdorf?

Forschung und Entwicklung sind für Ypsomeds nachhaltigen Unternehmenserfolg von zentraler Bedeutung und werden auch in Zukunft in der Schweiz sein und bestimmt weiter ausgebaut. Unsere Produktion an den beiden Standorten ist stark automatisiert und effizient. Es bestehen keine Absichten, diese verlagern. In Schwerin stellen wir neue Produktionsflächen zur Verfügung, um das Wachstum 2020-2030 zu ermöglichen.

«Forschung und Entwicklung sind für Ypsomeds nachhaltigen Unternehmenserfolg von zentraler Bedeutung und werden auch in Zukunft in der Schweiz sein.»

Ypsomed hat soeben die eigenentwickelte Insulinpumpe YpsoPump auf den Markt gebracht. Dass sie ein Renner wird, ist eigentlich klar, aber wie wird der Roll-out weiter laufen?

Wir haben die Markteinführung in den Niederlanden, Grossbritannien, Deutschland und Tschechien jetzt gestartet. Ziel ist die Insulinpumpe in 18 Monaten in 18 Ländern zur Verfügung zu stellen. Das Programm ist sportlich, wir haben aber die Hausaufgaben gemacht, die Prozesse sind in den Tochtergesellschaften installiert und die über 300 Aussendienstmitarbeitenden ausgebildet und bereit für die Sortimentserweiterung.

Bei den Injektions-Pens produzieren Sie bereits über 100 Millionen pro Jahr. Wo liegt eigentlich punkto Gestehungskosten da noch Sparpotenzial?

Die Produktionsprozesse sind hochautomatisiert und effizient. Die Einkaufsprozesse wurden schon mehrmals optimiert. Es gibt wahrscheinlich nur noch Optimierungspotential im kleinen oder gar marginalen Rahmen. Der Personalanteil der Herstellkosten liegt aber im Schnitt immer noch bei rund 25 Prozent. In Schwerin kosten vergleichbare Arbeitskräfte weniger als die Hälfte. Hier werden wir also weiter unsere Herstellkosten optimieren können. Zudem hedgen wir natürlich unsere Währungen und verlagern noch mehr Kosten in den Euroraum. Demgegenüber stehen die höheren Steuern in Deutschland.

Wie intelligent werden zukünftige Pens denn sein und wie sehr dürfen sie es punkto Preis und Rückvergütung durch die Krankenkassen?

Wir wollen künftig Daten – beispielsweise wieviel wurde wann injiziert – zur Verfügung stellen. Es ist klar, dass dies auch kostenoptimal sein muss, damit es sich für Pharmafirmen auch lohnt, solche Injektionssysteme zu verwenden. Wir gehen nicht davon aus, dass wir dafür ein Premium erhalten werden.

Von Ihrer Zeit bei Orange wissen Sie, wie sehr der Regulator Märkte beeinflussen kann. Welches werden diesbezüglich die zukünftigen Herausforderungen im Pharma-Geschäft sein?

Es ist anzunehmen, dass die Preise im Pharma- und Healthcarebereich künftig weiter unter Druck geraten. Die steigenden Gesundheitskosten bereiten vielen Staaten Sorgen. Ypsomed ist als Technologie- und Kostenführerin hier aber optimal aufgestellt.

Seit unserem letzten Interview vor drei Jahren, ist Ypsomed beeindruckend auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Wo planen Sie weitere Tochtergesellschaften?

Wir wollen vorerst in Australien, Tschechien, Polen und Belgien expandieren. Weitere europäische Länder können in den kommenden Jahren dazu kommen. Der Schritt nach Nordamerika, in welcher Form auch immer, ist nicht vor 2019 geplant.

Wo wird Ihr Geschäft weiter längere Zeit über Distributoren laufen, um ein kontrolliertes Wachstum zu generieren?

Über Distributoren verkaufen wir lediglich Pen-Nadeln. Unsere Hauptprodukte, wie Insulinpumpen, verkaufen wir über eigene Tochtergesellschaften, damit wir das Wachstum in eigener Hand haben. Das weitere Wachstum wird somit dort realisiert, wo wir geographisch expandieren werden.

Eine Vision ist, dass sich die Insulinpumpe Ypsopump mit dem Smartphone steuern lasse. Ist das wirklich notwendig oder nur ein Werbegag?

Das ist absolut kein Werbegag. Es ist eine Entwicklung und ein Bedürfnis. Wer will schon mehrere Geräte mit sich herumtragen? Heute können sie bereits mit dem Smartphone bezahlen und Kreditkarten werden überflüssig. Sie können ihre gesamte Wohnung, vom Fernseher über die Heizung un so weiter, steuern. Die Herausforderung wird die Sicherheit sein. Aber da halten wir uns an die besten Standards.

Zur Person:
Simon Michel, geb. 1977 ist der Sohn des Firmengründers Willy Michel. Bei Ypsomed ist er seit Oktober 2006, ab 2008 Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für Marketing und Vertrieb und seit Juli 2014 der CEO. Von 2003 bis 2006 hat Simon Michel bei der Firma Orange Communications AG in Zürich und Lausanne gearbeitet, wo er unter anderem für die Einführung und Vermarktung von UMTS verantwortlich war. Er hat an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert und in der Vertiefung Medien- und Kommunikationsmanagement mit einem Master abgeschlossen.

Von 2006-2016 war Simon Michel Verwaltungsrat bei der Sphinx Werkzeuge AG, seit 2016 ist er Verwaltungsrat bei der Forster Rohner AG, seit 2008 im Sektionsvorstand des Handels- und Industrievereins Burgdorf-Emmental, seit 2015 im Vorstand der Solothurner Handelskammer und des Industrieverbandes Solothurn und ebenfalls seit 2015 Präsident der Industriekommission und Vorstandsmitglied des Dachverbandes der Schweizerischen Handels- und Industrievereinigung der Medizintechnik FASMED.

Zum Unternehmen:
Ypsomed ist die führende Entwicklerin und Herstellerin von Injektions- und Infusionssystemen für die Selbstmedikation und ausgewiesene Diabetesspezialistin mit über 30 Jahren Erfahrung. Sie ist im Jahre 2003 aus der bekannten Disetronic hervorgegangen. Die Ypsomed Gruppe hat ihren Hauptsitz in Burgdorf und ist an Schweizer Börse SIX und der BX Berne Exchange kotiert. Die Ypsomed Gruppe beschäftigt gegen 1‘300 Mitarbeitende und erzielte im Jahr 2016 einen Umsatz von 336 Millionen Franken.

Schreibe einen Kommentar