Simon Michel, CEO Ypsomed, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Michel, Ypsomed hat den Umsatz im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2017/18 um über 15% gesteigert und unter dem Strich auch etwas mehr verdient. Ein kleiner Wermutstropfen ist der Umsatzrückgang im Segment Delivery Systems. Wie beurteilen Sie die Performance in diesem Bereich?
Simon Michel: Die Entwicklung des Umsatzes von Delivery Systems entsprach unseren Erwartungen. Wir planten mit einem schwächeren ersten und einem stärkeren zweiten halben Jahr. Im zweiten halben Jahr werden wir mit rund 20% wachsen, so dass wir übers ganze Jahr mit gegen 10% wachsen werden. Zudem haben wir im Frühling eine neue Produktionslinie installiert und hochgefahren. Das hat Auswirkungen auf den laufenden Betrieb und bringt Einschränkungen mit sich. Zusätzlich hat ein Partner entschieden, ein Produkt mittelfristig vom Markt zu nehmen. Die laufende Akquisition neuer Aufträge ist aber weiterhin hoch. Deshalb sind wir mit der Leistung im Bereich Delivery Systems zufrieden.
Was nährt die Zuversicht für die zweite Jahreshälfte?
Aufgrund der bestehenden Auftragslage und der damit verbundenen Einsatzplanung unserer Kapazitäten können wir die Produktion für das zweite Halbjahr gut abschätzen. Daher sind wir zuversichtlich.
«Im zweiten halben Jahr werden wir mit rund 20% wachsen, so dass wir übers ganze Jahr mit gegen 10% wachsen werden.»
Simon Michel, CEO Ypsomed
Ein Umsatzwachstum von über 25% wurde im Segment Diabetes Care erreicht, in dem zu Jahresbeginn die Insulinpumpe YpsoPump lanciert wurde. In wie vielen Ländern ist YpsoPump mittlerweile eingeführt und wie sind die Rückmeldungen?
Bis Jahresende wird die mylife YpsoPump in 10 Ländern eingeführt sein. Im Jahr 2018 wird der Markteintritt in 10 weiteren Ländern erfolgen. Wir waren zugegebenermassen im Vorfeld bezüglich der Akzeptanz und Rückmeldungen etwas nervös. Die Einführung einer neuen Insulinpumpe ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Umso mehr sind wir über die positiven Rückmeldungen und die anhaltend hohe Zufriedenheit von Patienten und Experten erfreut. Wir sehen, dass der Bedarf nach einer einfachen und handlichen Insulinpumpe vorhanden ist. Das stimmt uns positiv in Hinblick auf die Markteinführung und die Expansion in neue Märkte.
Was unterscheidet die YpsoPump denn von anderen Insulinpumpen?
Das Grundkonzept ist, Menschen mit Diabetes ein einfaches System zur Verfügung zu stellen. Eine Insulinpumpe, die für den Anwender einfach und diskret zu bedienen ist, verbessert die Therapietreue und das Therapiemanagement massgeblich. Die mylife YpsoPump besticht durch ihre Robustheit und Zuverlässigkeit. Sie ist fast halb so gross und schwer wie Wettbewerbsprodukte, verfügt über einen Touch-Screen, ist sprachneutral in der Bedienung und kann daher von fast jedem bedient und getragen werden. Zudem entwickeln wir sie zu einem durchgängigen System weiter.
Wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Wir haben vor kurzem die Freigabe für unser Produkt-Update bekommen, das wir nun ausrollen. Damit schaffen wir eine ständige Bluetooth-Verbindung der Insulinpumpe zu unserer mylife App. Um das Therapiemanagement weiter zu verbessern, folgen die Integration der Daten unserer eigenen Blutzuckermessgeräte mylife Unio Neva und Cara im Frühling und einem kontinuierlichen Blutzuckermesssystem gegen Ende Jahr. Weiter arbeiten wir an der vollständigen Steuerung der Pumpe via der mylife App und der Integration von Algorithmen, um die Therapie weiter zu verbessern. Parallel entwickeln wir digitale Dienstleistungen und Therapieunterstützungen weiter.
«Eine Insulinpumpe, die für den Anwender einfach und diskret zu bedienen ist, verbessert die Therapietreue und das Therapiemanagement massgeblich.»
Anfang Oktober wurde bekannt, dass Johnson&Johnson resp. deren Tochter Animas aus dem Geschäft mit Insulinpumpen aussteigen will. Forcieren Sie nun den Markteintritt in den USA?
Im Insulinpumpengeschäft ist die USA einer der wichtigsten Märkte. Es ist daher ein seit langem geplantes Vorhaben, in den USA aktiv zu sein. Im Jahr 2018 werden wir diesen Markteintritt fundiert vorbereiten, um im Laufe des Jahres 2019 starten zu können. Wir gehen davon aus, dass mylife YpsoPump Ende zweites Quartal 2019 in den USA die Zulassung der Gesundheitsbehörde FDA erhalten wird.
Mitte nächsten Jahres verliert Ypsomed die Vertriebsrechte an der Insulinpumpe Omnipod der Insulet Corp. – Ihr Verkaufsschlager auch im ersten Halbjahr. Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich die Trennung eines Tages noch als Glücksfall herausstellen könnte – gerade auch in Bezug auf die digitale Integration Ihrer Produkte?
Durch die Fokussierung auf Eigenprodukte erlangen wir die volle Flexibilität, gerade in der technischen Weiterentwicklung und digitalen Integration zu einem durchgängigen System. Da wir nun die gesamte Wertschöpfungskette der wichtigsten Produkte abdecken, wird die Profitabilität mittelfristig steigen. Ausserdem sind wir mit Eigenprodukten nicht mehr von Herstellern und Vertriebsverträgen abhängig, was uns extrem flexibel macht und wir schneller auf Bedürfnisse der Kunden reagieren können.
Zu einer der grösseren Herausforderungen gehört die Entwicklung der eigenen schlauchlosen Insulinpumpe YpsoPod als Alternative zur Omnipod. Wo steht die Entwicklung zum heutigen Zeitpunkt?
Wir arbeiten mit den besten Leuten an diesem Projekt und sind aktuell in der Konzeptionsphase. Nach derzeitigem Stand rechnen wir mit dem Markteintritt 2021. Wir setzen dabei insbesondere auf niedrige Herstellkosten. Dies ist die grösste Schwäche von Omnipod und einer der Hauptgründe, weshalb wir die Pflasterpumpe von Insulet in Zukunft nicht mehr vertreiben werden.
«Besser dokumentierte Daten führen zu einem kompletteren Bild der Therapie, die sich so erheblich verbessern lässt, was Betroffenen und dem Gesundheitssystem als Ganzes helfen wird.»
Die Digitalisierung ist im medizintechnischen Bereich ein ganz grosses Thema. Was steht in diesem Zusammenhang bei der Entwicklung neuer Produkte für Ypsomed im Vordergrund?
Die Hauptstossrichtungen sind einerseits die drahtlose Vernetzung unserer Produkte und andererseits die Schaffung von intelligenten Produkten. Mit dem Internet of Things sind wir in der Lage, unsere Injektions- und Infusionssysteme an Apps, Software und Cloud-Lösungen anzubinden und selbstständig kommunizieren zu lassen. Dies bringt einen enormen Mehrwert für die Anwender, betreuenden Ärzte, aber auch Pharmafirme und ultimativ Krankenkassen, welche die Therapietreue dadurch besser kontrollieren und steuern können. Besser dokumentierte Daten führen zu einem kompletteren Bild der Therapie, die sich so erheblich verbessern lässt, was Betroffenen und dem Gesundheitssystem als Ganzes helfen wird.
In welche Richtung soll die mylife App weiterentwickelt werden, wenn es um den Einbezug von Bezugspersonen, Ärzten und Therapeuten des Diabetes-Patienten geht?
Die mylife App wird noch intelligenter, um die Anwender im täglichen Leben immer besser zu unterstützen. Für Eltern und Betreuungspersonen bedeutet das mehr Sicherheit in der Therapie von Kindern oder Hilfsbedürftigen. Eine schnellere und bessere Anbindung des Arztes oder Therapeuten ermöglicht eine Optimierung der Therapie.
Sie haben im ersten Halbjahr mit über 26 Mio. Franken deutlich mehr investiert – ein Teil davon am neuen Standort in Schwerin, wo Ende September der Spatenstich erfolgte. Welche Möglichkeiten eröffnen sich mit dem Produktionsstart in gut eineinhalb Jahren?
Nach derzeitigem Stand werden unsere Produktionskapazitäten in der Schweiz Ende 2019 voll ausgeschöpft sein. Mit dem neuen Werk in Schwerin und dem Kapazitätsausbau werden wir in der Lage sein, unsere eigenen Kapazitätsbedürfnisse und die unserer Kunden abzudecken.
Herr Michel, vielen Dank für das Interview.
Zur Person:
Simon Michel, geb. 1977, ist der Sohn des Firmengründers Willy Michel. Bei Ypsomed ist er seit Oktober 2006, ab 2008 Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für Marketing und Vertrieb und seit Juli 2014 der CEO. Von 2003 bis 2006 arbeitete Herr Michel bei Orange Communications AG in Zürich und Lausanne, wo er unter anderem für die Einführung und Vermarktung von UMTS verantwortlich war. Er hat an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert und in der Vertiefung Medien- und Kommunikationsmanagement mit einem Master abgeschlossen.
Von 2006-2016 war Simon Michel Verwaltungsrat bei der Sphinx Werkzeuge AG, seit 2016 ist er Verwaltungsrat bei der Forster Rohner AG, seit 2008 im Sektionsvorstand des Handels- und Industrievereins Burgdorf-Emmental, seit 2015 im Vorstand der Solothurner Handelskammer und des Industrieverbandes Solothurn und ebenfalls seit 2015 Präsident der Industriekommission und Vorstandsmitglied des Dachverbandes der Schweizerischen Handels- und Industrievereinigung der Medizintechnik FASMED.
Zum Unternehmen:
Ypsomed ist die führende Entwicklerin und Herstellerin von Injektions- und Infusionssystemen für die Selbstmedikation und ausgewiesene Diabetesspezialistin mit über 30 Jahren Erfahrung. Sie ist im Jahre 2003 aus der bekannten Disetronic hervorgegangen. Die Ypsomed Gruppe hat ihren Hauptsitz in Burgdorf und ist an Schweizer Börse SIX und der BX Berne Exchange kotiert. Die Ypsomed Gruppe beschäftigt gegen 1‘400 Mitarbeitende und erzielte im Jahr 2016/17 einen Umsatz von 390 Millionen Franken.
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