Simon Michel, Co-Founder Prognolite, im Interview

Simon Michel

Simon Michel, Co-Founder Prognolite. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Michel, mit Big Data will Prognolite den Verbrauch von Lebensmittel in der Gastronomie vorhersagen und so zur Reduktion von Food Waste beitragen. Wie kamen Sie auf diese Geschäftsidee?

Simon Michel: Hier kamen zwei Dinge zusammen: Ich war bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich in der Strombeschaffung für die Prognose des Stromverbrauchs von einigen hunderttausend Haushalten und Unternehmen zuständig. Dabei habe ich sowohl langfristige Prognosen mehrere Jahre im Voraus, als auch einige Tage im Voraus sehr kurzfristige Prognosen berechnet. Gleichzeitig ist es mir im Personalrestaurant ist es mir manchmal passiert, dass mein favorisiertes Menü ausverkauft war. Grund dafür war, dass die Chefköchin nicht wusste, wie viele Mitarbeiter kommen würden und sie nicht zu viel kochen wollte – um eben Food Waste zu vermeiden.

Ihrer Website ist zu entnehmen, dass in der Schweiz beim Ausser-Haus-Konsum jedes Jahr 265’000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle entstehen. Das geht einerseits an die Rentabilität des Gastrobetriebs, hat aber auch Auswirkungen auf das Klima… Wo liegt das Problem? Wird zuviel eingekauft, zuviel gekocht oder sind die Portionen schlicht zu gross?

Dies kommt ganz auf das Restaurantkonzept an. In der Gemeinschaftsgastronomie (Personalrestaurants, Mensen) ist die häufigste Ursache, dass zu viel gekocht wird. In bedienten Restaurants wird auch zu viel eingekauft, oftmals sind die Portionen aber auch zu gross.

«Die Leute werden immer spontaner und reservieren seltener ein Restaurant so früh im Voraus, dass dieses im Einkauf noch entsprechend reagieren kann.»
Simon Michel, Co-Founder Prognolite

Inwieweit hat das Problem auch mit dem veränderten Konsumverhalten zu tun? Immer mehr wird ja spontan entschieden, wo man seine Mahlzeiten einnehmen will.

Dies ist tatsächlich eine der Hauptursachen. Die Leute werden immer spontaner und reservieren seltener ein Restaurant so früh im Voraus, dass dieses im Einkauf noch entsprechend reagieren kann. Zudem gibt es immer weniger Stammgäste in Restaurants, was es wiederum schwieriger, macht die Auslastung abzuschätzen.

Ihre App setzt bei der Überproduktion an, also den zuviel gekochten Mahlzeiten. Wie errechnet sich denn nun die Prognose für den Absatz in einem Restaurant oder einer anderen Verpflegungsstätte? Welche Faktoren bezieht der Algorithmus ein?

Die wichtigste Grundlage für unsere Prognosen sind die Umsätze oder Verkaufszahlen der Vergangenheit aus dem Kassensystem, welche wir über eine Schnittstelle beziehen. Der Algorithmus bezieht danach Einflussgrössen wie das Wetter, Feiertage, Ferien oder die Information, der wievielte Tag im Monat es ist, mit ein. So kann zum Beispiel festgestellt werden, dass in teureren Restaurants nach dem Zahltag Ende Monat mehr Gäste kommen.

Derzeit befindet sich Ihre App in der Testphase in verschiedenen Gastrobetrieben. Wie sind die Rückmeldungen und ab wann wird die Anwendung auf breiter Ebene lanciert?

Wir sind erst vor wenigen Wochen gestartet und warten deshalb noch auf erste Rückmeldungen. Die Rückmeldungen auf unsere Demo und die Idee sind jedoch sehr vielversprechend. So konnten wir mit den meisten grossen Gastronomieketten in der Schweiz bereits Gespräche führen.

«Wir konnten bereits mit den meisten grossen Gastronomieketten in der Schweiz Gespräche führen.»

Von welcher möglichen Reduktion der Überproduktion gehen Sie aus? Natürlich wären 100% wünschenswert…

Da sind wir ebenfalls gespannt darauf. 100% sind sicher nicht möglich. Unsere Prognose ist vergleichbar mit einer Wetterprognose, welche auch nicht immer korrekt ist. Wir gehen davon aus, dass zwischen 50 und 80% der Überproduktion dank unserer App reduziert werden kann. Für den Food Waste, der trotzdem noch anfällt, gibt es andere Lösungen, wie z.B. ein Verkauf über Too Good To Go.

Mit diesem nachhaltigen Ansatz können Gastrobetriebe mit Ihrer Software auch ihre Wirtschaftlichkeit verbessern. Inwiefern könnte sich der Einsatz der App auch für Privathaushalte eignen, wo der Food Waste noch um ein vielfaches grösser ist als in der Gastronomie?

Für Haushalte ist unsere App nicht geeignet, da unser Algorithmus eine Datenquelle braucht, um aus der Vergangenheit auf die Zukunft Rückschlüsse ziehen zu können. Dies ist leider im Haushalt nicht so einfach wie im Restaurant, wo wir Verkaufszahlen aus der Kasse verwenden können. Es gibt jedoch seit kurzem die App MyFoodways, wo man nach Rezepten suchen kann für die Zutaten, welche noch im Kühlschrank vorhanden sind.

Sie nehmen sich mit der Prognolite-App einer gesellschaftlichen Herausforderung an. Letztlich kann sie aber auch nur ein Erfolg werden, wenn Sie damit Geld verdienen. Wie haben Sie das Projekt bis anhin finanziert und mit welchen Kosten müssen die Gastronomiebetriebe rechnen?

Ohne Umsatz kann Prognolite natürlich nicht überleben. Wir können die App deshalb nicht kostenlos zur Verfügung stellen. Nebst dem Food Waste können dank einer besseren Personalplanung auch noch Personalkosten reduziert werden, was den Einsatz der App nochmals attraktiver macht. Die Kosten belaufen sich pro Betrieb auf einige hundert Franken pro Monat, welche aber durch die Einsparungen einfach finanziert werden können. Wir werden von der Klimastiftung Schweiz finanziert und haben auch selbst einiges an Zeit und Geld investiert.

Wie sieht Ihre Planung mittel- und langfristig aus?

Wir haben noch ganz viele Ideen, wie wir unsere App besser machen können. So sollen in Zukunft noch mehr Einflussfaktoren, wie z.B. mehr Events berücksichtigt werden können. Unser grösster Entwicklungsschritt wird aber die detaillierte Menü-Prognose sein, wo wir berechnen, wann wie viele Menü 1, 2, 3 und 4 verkauft werden. Dafür möchten wir voraussichtlich Mitte nächstes Jahr eine Finanzierungsrunde abschliessen und freuen uns über interessierte Investoren.

Herr Michel, wir bedanken uns für das Interview.

Zur Person:
Simon Michel ging an der Kantonsschule in Wil zur Schule, als er im Alter von 18 Jahren sein erstes Unternehmen gründete und damit einen Umsatz von ca. CHF 100’000 mit der Reparatur von iPhones erwirtschaftete. Danach studierte er Betriebswirtschaft mit Vertiefung Economics & Politics an der ZHAW. Seine berufliche Karriere startete er bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (2014-2016), wo er für das prognostizieren des Stromverbrauchs verantwortlich war. Im Jahr 2016 machte er zudem noch einen Master in Energiewirtschaft an der HTW Chur. Im Juni 2016 gründete er dann zusammen mit Roman Lickel (ZHAW, Computer Science) die Firma Prognolite. Simon Michel ist passionierter Drachenboot-Paddler und fährt gerne Mountain Bike.

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