Marcel Steck, VRP Drahtseilbahn Marzili-Stadt Bern AG im Interview

Marcel Steck, VRP Drahtseilbahn Marzili-Stadt Bern AG im Interview

Marcel Steck, VRP Drahtseilbahn Marzili-Stadt Bern AG. (Foto: Remo Eisner)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Steck, das «Marzilibähnli» befördert jährlich über 1 Million Passagiere zwischen Bundesterrasse und dem Marziliquartier in Bern. Wie viele davon in der Sommersaison, wenn das Marzili-Bad und die Aare zum Bade lädt?

Marcel Steck: Da der Betrieb wegen Erneuerungsarbeiten zwischen Oktober 2014 und Ende April 2015 stillgelegt war, haben wir 2014 weniger als 1 Million Fahrgäste befördert und das wird auch dieses Jahr der Fall sein. Wir haben eine monatliche Grundauslastung von 65’000 bis 70’000 Personen. In den Sommermonaten befördern wir aber – abhängig vom Wetter – bis zu 150’000 Passagiere pro Monat.

Die Marzilibahn fährt pro Tag etwa 320 Mal hoch und runter. Wie viele Passagiere wurden am bisher verkehrsreichsten Tag befördert?

Der Rekord liegt bei 8930 Personen, wie wir am 28. Juni 2011 befördert haben.

Die Marzilibahn ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Nach dem Umbau ist die Bahn seit Mai wieder in Betrieb. Was bringt die Erneuerung den Fahrgästen und den Bewohnern des Marziliquartiers hinsichtlich der Infrastruktur?

Unter anderem profitieren unsere Passagiere von verbesserten Ein- und Ausstiegssituationen. Die Wagentüren wurden verbreitert und ein grösserer, gedeckter Warteraum bei der Talstation erstellt. Ferner wurden zwei Haltestangen im Wageninnern entfernt, so dass nun auch einfacher Velos und Kinderwagen transportiert werden können.

«Die finanzielle Belastung durch den Umbau ist beträchtlich. (…) Die Bahn ist jedoch finanziell gesund und kann diese Mehrkosten tragen.»
Marcel Steck, VRP Drahtseilbahn Marzili-Stadt Bern AG

Die grössten Investitionen flossen in die Erneuerung der Bahntechnik. Was musste in diesem Bereich umgesetzt werden?

Am augenfälligsten ist die neue Brücke und die Talstation. Hinter den Kulissen wurden jedoch viele Anpassungen vorgenommen, die dem Betrieb dienen, so beispielsweise ein Werkstattgebäude in der Bundesterrasse. Technisch wurden insbesondere die beiden Wagen totalrevidiert und die elektrischen Installationen erneuert.

Wegen des instabilen Aarehanges dauerte der Umbau länger als geplant und zusätzlich notwendige Arbeiten führten zu höheren Kosten. Wie stark hat dies die Marzilibahn, die vor allem von Bahn-Enthusiasten unterstützt wird, finanziell belastet?

Die finanzielle Belastung ist beträchtlich. Dank guten Bankkontakten konnten die zusätzlich notwendigen Mittel beschafft werden. Die Amortisation – die in nächster Zeit Priorität hat – dauert entsprechend länger. Die Bahn ist jedoch finanziell gesund und kann diese Mehrkosten tragen. Dank dem, dass wir im Aktionariat Bahn-Enthusiasten haben und keine Investoren, war über Jahre die Zukunft der Bahn und nicht der eigene Geldbeutel massgebend. Die Dividenden waren stets bescheiden, so dass Rückstellungen für den nun erfolgten Umbau vorgenommen werden konnten. Diese haben es uns überhaupt erst ermöglicht, die Erneuerung anzugehen.

Wie werden sich die Umbaukosten auf die Rechnungen der kommenden Jahre auswirken?

Infolge der Zinsbelastung auf dem Fremdkapital werden diese sinken. Bereits für den Abschluss 2014 hat der Verwaltungsrat deswegen der GV beantragt, auf eine Dividende zu verzichten. Die GV ist dem Antrag ohne Gegenstimme gefolgt. Wann wieder Dividenden ausgerichtet werden können, steht heute noch nicht fest.

«Wann wieder Dividenden ausgerichtet werden können, steht heute noch nicht fest.»

Von der Stadt Bern haben Sie keine finanzielle Unterstützung erhalten?

Nein.

Wie viele Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen?

Zur Zeit sind es acht Personen.

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(Foto: zvg)

Am 18. Juli feierte die Marzilibahn ihren 130. Geburtstag. Wie kam es 1885 zum Bau der heute mit 105 Metern zweitkürzesten öffentlichen Standseilbahn Europas?

Die Bahn wurde im Hinblick auf eidgenössische Schützenfest von 1885 im unteren Kirchenfeld erstellt. Und erfreute sich – wie auch heute – grosser Beliebtheit.

Welche Bedeutung hat die Bahn heute für die Berner Bevölkerung?

Sie haben es in einer ihrer Fragen bereits gesagt. Die Bahn gehört zum Stadtbild und ist daraus nicht wegzudenken. Für das Marziliquartier ist es das öffentliche Verkehrsmittel schlechthin.

Von der Drahtseilbahn Marzili-Stadt Bern AG gibt es 600 Namens- und 600 Inhaberaktien. Für wen sind diese Papiere – sofern sich überhaupt jemand von ihnen trennt – interessant?

Das Aktionariat ist breit gestreut, schwergewichtig im Kanton Bern. Oft sind die Aktionäre irgendwie mit der Bahn verbunden, sei es, dass sie ein Gründer in der Verwandtschaft wissen oder noch als Kind, fasziniert von der Technik, bis heute ihre Verbundenheit behalten haben. Andere sind schlicht Sammler und halten auch Aktien vom Senkeltram (Aufzug Matte-Plattform), von der Gurtenbahn und von weiteren Standseilbahnen im Berner Oberland.

Was bedeutet Ihnen das «Marzilibähnli» persönlich?

Ich bin sozusagen familiär ‚vorbelastet‘. Ich mag mich gut erinnern, dass zu Hause am Mittagstisch mein Vater und mein Grossvater über den Umbau 1973/1974 diskutierten. Das hat mich offensichtlich geprägt. Die als VR bzw. VRP wahrzunehmenden Aufgaben sind interessant und anspruchsvoll zugleich. Wenn auch in letzter Zeit eher Sorgen den Ton angaben, so bin ich zuversichtlich, mit den übrigen Mitgliedern die Bahn in eine gute Zukunft zu führen.

Herr Steck, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Marcel Steck wurde 1963 geboren. Mitte der 1990er Jahre schloss er als Fürsprecher und Notar ab und führt nun seit nahezu 20 Jahren seine eigene Kanzlei in Bern.

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(Foto: zvg)

 

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