Stefan Batzli, Geschäftsführer A EE

Stefan Batzli, Geschäftsführer A EE

Stefan Batzli, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (A EE).

Von Radovan Milanovic

Moneycab: Wie wird die Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, die A EE, finanziert?

Stefan Batzli: Die A EE finanziert sich über Mitglieder- und Sponsoringbeiträge sowie über konkrete Dienstleistungen für die Branche der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz.

Welche Rolle spielt der Bund?

Die Bundesverwaltung ist neben der kantonalen Verwaltung, der Politik und der Öffentlichkeit ein zentraler Ansprechpartner der A EE.

Und welchen Einfluss und Funktionen hat die Parlamentariergruppe mit dem Präsidium der Nationalräte Frau Christina Markwalder und Herr Eric Nussbaumer?

Die A EE führt das Sekretariat der PG EE und organisiert und realisiert in Absprache mit dem Präsidium der PG EE Sessionsanlässe, an denen aktuelle Themen und Geschäfte mit den Vertretern der erneuerbaren und effizienten Energiebranche im In- und Ausland sowie mit der Wissenschaft diskutiert werden.

Ist die A EE vor allem eine Zweckgemeinschaft von Unternehmen, welche massgeblich ihre Produkte absetzen will?

Die A EE ist der Branchenverband der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Unter dem Dach der A EE sind die zentralen Fachverbände und Unternehmungen organisiert. Als Branchenverband ist die A EE die direkte Interessenvertretung gegenüber Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit.

„Die A EE ist überzeugt, dass die Energiewende innert 20 Jahren gelingen kann. Der Bundesrat hat den längst fälligen Richtungsentscheid gefällt,“ Stefan Batzli, Geschäftsführer der A EE

Mit den Ereignissen in Fukushima bekommt das Thema erneuerbare Energie kräftige Impulse. Wie hat sich Ihre Arbeit und das Verhältnis zur Öffentlichkeit seit dem verhängnisvollen 11. März 2011 bei der AEE entwickelt?

Die A EE ist überzeugt, dass die Energiewende innert 20 Jahren gelingen kann. Der Bundesrat hat den längst fälligen Richtungsentscheid gefällt. Auf dieser Basis lässt sich der Paradigmenwechsel in der Energieversorgung bewerkstelligen. Die A EE ist dafür besorgt, dass jetzt Politik und Verwaltung die richtigen Impulse senden und passende Rahmenbedingungen setzen, damit sich der Markt der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz optimal entwickeln kann.

Der Wunsch nach Ökostrom wird immer lauter. Mangels technischer und finanzieller Möglichkeiten, sowie planungsbedingter Vorlaufzeiten dürfte die Produktion dieser Energie nicht so schnell ausgeweitet werden können. Mit welchen Hindernissen sind Sie konfrontiert?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht an sich sehr rasch, denn die Bauzeiten sind kurz. Deutschland macht es vor. Dort wird der saubere Stromanteil bis 2020 von 17% auf etwa 40 bis 50% wachsen. Bei uns sind die Blockaden gesetzlicher Art. Derzeit können über 10‘000 Projekte durch die gesetzliche Deckelung der Einspeisevergütungen nicht gebaut werden, selbst wenn eine Baubewilligung vorhanden ist. Weitere 3000 Projekte befinden sich im Bau oder stecken noch im Bewilligungsverfahren. Wir sollten vor allem die einfach realisierbaren Projekte beschleunigen. Solar-Dächer zu finden ist überhaupt kein Problem. Aber heute blockieren Projekte ohne Aussicht auf Erfolg die baureifen Projekte. Deshalb sollte man Projekte ohne Baubewilligung nicht länger zur Vergütung anmelden können.

Um einerseits die Abhängigkeit nach fossilen Brennstoffen zu reduzieren und anderseits den CO2 Ausstoss zu minimieren soll die Zukunft den Elektrofahrzeugen gehören. So auch die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, welche davon spricht, dass 2020 eine Million Elektrofahrzeuge und bis 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge zirkulieren würden. – Nur Walkampfgeplänkel oder ein global vernetzter Lösungsansatz?

Die Potentiale für erneuerbare Mobilität sind riesengross. Ob die Autos dann elektrisch fahren oder mit synthetischem Biogas – hergestellt aus überschüssigem Wind- und Solarstrom – wird sich zeigen. Die hohen Ölpreise sind ein Indiz zunehmender Verknappung. Was bei uns fehlt, ist der politische Wille. Agrotreibstoffe sind schädlich. Man sollte sich auf die echten Alternativen konzentrieren. Windenergie und Solarstrom sind durchaus in der Lage, alle Fahrzeuge sauber anzutreiben.

Zur Zeit explodiert die Nachfrage nach Elektrovelos. Deren Batterien müssen wie jene von Elektroautos mit Strom geladen werden. Es spricht jedoch kaum jemand davon, dass solche den Strombedarf massiv erhöhen dürften. Wie kann dieses Problem gelöst werden?

Der Verbrauch der Elektrovelos ist minim, weit unter 1 Promille des Verbrauchs. Die wirklichen Stromfresser sind schlechte Motoren, schlechte Beleuchtung und Elektro- Widerstandsheizungen. Letztere werden mit Subventionen und Lockvogeltarifen gefördert. Wir wünschten uns, der Bund würde eine echte best-practice-Politik verfolgen, also A-Klasse für alles. Die heutigen Verbrauchsvorschriften für Stromfresser sind meistens sehr zahm. Man nimmt nur die allerschlechtesten Produkte vom Markt.

Gemäss Bundesamt für Energie (BFE) liegt der Anteil der Kernenergie an der inländischen Stromproduktion im 10-Jahresdurchschnitt bei 39% und im Winter bis 45%, verglichen mit dem europäischen Durchschnitt von 33%. Dieser Durchschnitt dürfte – zumindest im Ausland – leicht fallen. Um jedoch die Stromnachfrage zu befriedigen, setzt Deutschland noch vermehrter auf Kohlekraftwerke, die nachweislich für einen Drittel der Treibhausemissionen verantwortlich sind und bereits jetzt schon für 40% des Stroms in Deutschland produzieren. Sind in Anbetracht der Umweltproblematik und zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftswachstums – zumindest für eine gewisse Übergangszeit – Atomkraftwerke nicht doch das kleinere Übel?

Auf keinen Fall. In Deutschland sinkt der Anteil Kohlestrom weiter ab. Auch die CO2- Emissionen sinken dank dem Ausbau von Windenergie, Photovoltaik und Biomasse. Erst seit dem Ausstiegsbeschluss investieren die grossen deutschen Stromversorger wieder in erneuerbare Energien. Mehr als ein Dutzende geplante Kohlekraftwerke wurden gekippt. Die Windenergie liefert sehr viel Strom im Winter und wäre eine gute Option für die grossen Schweizer Stromkonzerne. Diese haben die erneuerbaren Energien bisher faktisch boykottiert. Sie werden ihre Politik erst dann ändern, die Politik den Atompfad definitiv verlässt und verlässliche Restlaufzeiten beschliesst. Bundesrat und Nationalrat haben bereits in diesem Sinne entschieden. Jetzt ist der Ständerat gefordert.

„Die Kraftwerke mit erneuerbaren Energien benötigen weniger Kapital als Atomkraftwerke, um eine Einheit Strom zu produzieren. Bei der Atomenergie fehlt es an Kostenwahrheit, weil die grossen Aufwände an die Gesellschaft wie Risikoversicherung und Abfälle abgetreten werden.“

Finanzturbulenzen im Euroraum, werden uns aufgrund der Globalisierung der Finanzmärkte auch betreffen. Somit stellt sich das Problem der möglichen Finanzierbarkeit von „Luxusprojekten“ wie für Investitionen in erneuerbare Energien. Denn diese kommen erst nach einer langen Vorlaufzeit zum Tragen und verteuern die Strompreise. Ist das Timing zum radikalen Umdenken in der Energiefrage zudem unter politischem Druck erfolgsversprechend?

Der Name „Luxusprojekt“ ist völlig verfehlt. Die Kraftwerke mit erneuerbaren Energien benötigen weniger Kapital als Atomkraftwerke, um eine Einheit Strom zu produzieren. Bei der Atomenergie fehlt es an Kostenwahrheit, weil die grossen Aufwände an die Gesellschaft (Risikoversicherung, Abfälle) abgetreten werden. Erneuerbare Energien dagegen haben Vollkostenrechnung und sind zudem viel rascher gebaut als AKW. AKWs haben eine Vorlaufzeit von 20 Jahren. Windfarmen – zum Beispiel onshore oder in der Nordsee – sind innert zwei Jahren fertig gestellt. Wer will, kann sofort einsteigen und investieren und darf sicher sein, dass der Strom auch fliesst. Und die Beschleunigung des Netzausbaus in Deutschland beseitigt die letzten Hindernisse. Beim Solarstrom sind die Bewilligungsverfahren noch einfacher. Die Schweiz hat Hunderttausende ungenutzter Dächer. Es ist das Parlament, das mit dem „Deckel“ diese Verzögerungen zu verantworten hat, nicht die Technik an sich.

Der Stromverbrauch in der Schweiz teilt sich wie folgt auf: Industrie und Gewerbe 32%, Haushalte 31%, Dienstleistungen 27%, Verkehr 8% und Landwirtschaft 2%. Die Wirtschaft benötigt somit rund 60% des Stromabsatzes. Eine Verteuerung dieses Energieträgers dürfte über die höheren Produktions- oder Dienstleistungskosten aufgrund der Globalisierung zu weiteren Wettbewerbsnachtteilen Schweizerischer Unternehmen führen. Sind Anreize geplant, um mögliche Preisverzerrungen auszugleichen?

Schon heute sind die energieintensive Betriebe von der KEV-Umlage befreit. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollen von Ausnahmen profitieren. Generell ist es aber so, dass neue Atomkraftwerke die Strompreise stärker verteuern als neue erneuerbare Energien. Der Preistrend dieser Kraftwerke ist rasch sinkend. Bis 2015 werden wir die Netzparität beim Solarstrom wahrscheinlich erreicht haben. Das heisst, dass der Strom vom Dach das Preisniveau in der Schweiz nicht mehr stärker in die Höhe treibt als jedes andere neue Kraftwerk, das an Stelle eines alten abgeschriebenen Kraftwerks gebaut wird.

Die meisten Stromleitungen in der Schweiz sind rund 40 Jahre alt und müssen bald erneuert werden, damit es zu keinen Versorgungsengpässen kommt. Swissgrid alleine plant 6 Mrd. CHF in die Erneuerung der Leitungen zu investieren. Aber auch andere Gesellschaften sind gefordert. Doch die flächendeckende Umstellung der Energieversorgung Richtung alternativer Energien dürfte weit grössere finanzielle Ausmasse annehmen. Wie stellen Sie sich diese Finanzierung auch vor dem Hintergrund steigender Zinsen vor?

Erneuerbare Energien senken die Netzkosten eher als dass sie sie erhöhen. Denn die Stromerzeugung erfolgt in der Nähe der Verbraucher, muss also über weniger Netzebenen verteilt werden. Für eine kleine Solarstromanlage auf dem Dach müssen die Anschlüsse nicht neu erstellt werden und wenn die Sonne scheint gibt es auf den oberliegenden Leitungen mehr Platz für den internationalen Stromhandel.

«Die Erneuerung des Kraftwerksparks wird den Strom um einige Rappen verteuern, ob mit neuen AKWs oder mit erneuerbaren Energien. Der Vorteil der erneuerbaren Energien liegt in der Sicherheit – auch in der Kostensicherheit, denn Wind und Sonne sind gratis.»

Hochspannungsnetze sind sehr dauerhaft. Sie werden über 40 Jahre abgeschrieben und führen deshalb nicht zu einer Preisexplosion. Die Ursache der jüngsten Preiserhöhungen liegt in der Aufwertung der Netze durch die Netzbetreiber. Hohe Kosten verursachen auch die tieferen Netzgebühren für die Elektro-Widerstandsheizungen. Und der Strom für Pumpspeicher bezahlt überhaupt keine Netzgebühren. Die Endverbraucher – auch die Grossverbraucher – subventionieren die Stromverschwendung im Inland und den lukrativen Stromhandel der Grosskonzerne viel stärker als die erneuerbaren Energien. Die Netzausbaukosten für die erneuerbaren Energien sind damit verglichen reine Peanuts.

Die grossem im Schweizerischen Strommarkt wie die axpo, BKW, EGL…sind vor allem im Energiehandel und nicht mehr primär in der Energieproduktion tätig. Wie wollen Sie diese Gesellschaften dazu bringen, in die alternative Energieproduktion zu investieren?

Wichtiger als diese drei sind für die Künftige Energieversorgung unseres Landes die innovativen Stadt- und Gemeindewerke. Sie und private Investoren sind es heute, die in erneuerbare Energien investieren: Hausbesitzer, Bauern, private Fonds. Aber es ist klar: wenn das Parlament den Atomausstieg beschliesst, dann werden – endlich – auch die Grossen ins Geschäft mit den erneuerbaren Energien einsteigen.

Als Alternative zur Energieproduktion durch Kernkraftwerke sehen Sie ein Steigerung der Energieproduktion mit Wasserkraft ein Potential von 6% der bisherigen Produktion, bei der Sonnenenergie eine Vervielfachung der aktuellen Produktion von 0,6 Promille am Gesamt- Stromverbrauch…sind solch bescheidene Erwartungen wirklich ernstzunehmende Ziele in Anbetracht einer steigenden Umstellung der Gesellschaft auf elektrische Energieträger?

In Bayern beträgt der Anteil Solarstrom bereits über sechs Prozent. Die Umstellung ist perfekt machbar, die Wartelisten sind lang und die Gestehungskosten sinken. Sobald die politischen Blockaden fallen, wird man im grossen Stil investieren. Allein die Schweizer Hausdächer könnten die Hälfte des aktuellen Stromverbrauchs decken.

Freiwillig oder gezwungenermassen steht die Energiewirtschaft vor einem radikalen Umbruch. Wie dürfte sich die Stromproduktion in 10 Jahren – aktuell rund 55% aus Wasser- und 40% aus Kernenergie – aufteilen? Mit welchen Preissteigerungen des Stroms rechnen Sie für diesen Zeithorizont?

Die Erneuerung des Kraftwerksparks wird den Strom um einige Rappen verteuern, ob mit neuen AKWs oder mit erneuerbaren Energien. Der Vorteil der erneuerbaren Energien liegt in der Sicherheit – auch in der Kostensicherheit, denn Wind und Sonne sind gratis. Zudem haben wir für diese Anlagen eigene Hersteller oder Zulieferer. Die Wertschöpfung bleibt also weitgehend in der Schweiz. Es entstehen Zehntausende neuer Arbeitsplätze. Wir gehen davon aus, dass Solarstrom bis 2025 rund 20 Prozent des Stroms liefern wird. In den Rest teilen sich Windenergie, Biomasse und die Modernisierung der Wasserkraftwerke. Einen Strommangel wird es nicht geben. Allein in der Nordsee lässt sich der europäische Stromverbrauch etwa zehnmal decken. Windenergie onshore ist heute schon wettbewerbsfähig, offshore wird es bis 2020 ebenfalls sein. Es gibt mehr als genug Alternativen zu neuen Atomkraftwerken.

Der Gesprächspartner:
Stefan Batzli ist Politikwissenschafter und Kommunikationsberater und seit Ende 2009 Geschäftsführer der A EE.

Das Unternehmen:
Die A EE Agentur für erneuerbare Energien und Energieeffizienz ist der Branchenverband der erneuerbaren und effizienten Energiewirtschaft, in dem die wichtigsten Fachverbände zusammengeschlossen und unter dessen Dach rund 8’000 Unternehmungen organisiert sind. Die A EE setzt sich für eine nachhaltige Energiepolitik, für die Förderung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz ein. Seit ihrer Gründung im Jahr 1996 verfolgt sie das Ziel, positive wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Energiepolitik zu schaffen. Die A EE fördert den Dialog zwischen energiepolitischen Akteuren und leistet mit ihren Studien und Grundlagen einen Beitrag zur Fachdiskussion.

Symbolbild KF für CEO Interviews

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