Stefan Jäger, CEO Nettobank AG

Stefan Jäger

Stefan Jäger, CEO Nettobank AG.

Von Radovan Milanovic

Moneycab: Die Nettobank ist am 29. April einjährig geworden. Ihre Anfangsphase fällt mitten in die Börsenturbulenzen und das steigende Misstrauen der Bevölkerung in die Banken. Wie reagieren Sie auf diese Herausforderungen?

Stefan Jäger: Das momentan schwierige Marktumfeld und der Vertrauensverlust vieler Anleger in die Banken bestätigt uns, dass wir mit dem Geschäftsmodell Nettobank den Nerv der Zeit getroffen haben.

Inwieweit konnten Sie in diesem schwierigen Umfeld Ihre geplanten Ziele bis jetzt erreichen?

Da die Prozesse wie Kundeneröffnung, Regulationen, Umsetzung der Mandate und weitere Strukturen bei uns erste Priorität hatten, und diese hervorragend funktionieren, konnten wir diesbezüglich unser Ziel erreichen. Hinsichtlich AuM (Assets under Management) sind wir sind sicher noch nicht dort, wo wir letztes Jahr sein wollten. Die Marktsituation im Juni war zudem ungünstig, als wir starteten. Der starke Schweizer Franken hatte sicher auch einen Einfluss aufs Geschäft. Seit Beginn können wir aber laufend Neueröffnungen verzeichnen. Viele Interessenten warten eben auf schönes Wetter an den Börsen, bis sie bei uns einsteigen.

„Wir verfolgen einen mehrheitlich regionalen Ansatz und erhöhen unsere Bekanntheit vorerst in der Region Ostschweiz. Es ist uns bewusst, dass ein Reputationsaufbau vor allem Zeit benötigt, deshalb sind wir auch nicht ungeduldig.
Dr. Stefan Jäger, CEO Nettobank AG

Von der Nettobank ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt, ausser der Tatsache, dass sie der Bank Wegelin & Co. gehört…

Natürlich haben wir in Bezug auf die Bekanntheit der Nettobank noch einen langen Weg vor uns. Dennoch können wir immer wieder feststellen, dass das Geschäftsmodell der Nettobank thematisiert wird – sei es als Fallbeispiel oder bei der Konkurrenzbeobachtung. Wir verfolgen einen mehrheitlich regionalen Ansatz und erhöhen unsere Bekanntheit vorerst in der Region Ostschweiz. Es ist uns bewusst, dass ein Reputationsaufbau vor allem Zeit benötigt, deshalb sind wir auch nicht ungeduldig.

Ihr Institut preist sich als Internetbank und Privat Bank mit tiefen Tarifen an, also ein Bankdiscounter auf höherem Niveau. Sie dürften somit eher Kunden ansprechen, deren Vermögen zu tief ist, um bei konventionellen Banken als Portfolio Management Kunden angenommen zu werden. Erfahrungsgemäss verursachen Kleinkunden höhere Kosten, denen Sie anderseits tiefere Tarife offerieren. Geht diese Gleichung für Sie auf?

Die Nettobank wird für die meisten Kunden eine Zweitbankenbeziehung bleiben. Es wird zwar immer Kunden geben, die ihr Gesamtvermögen von uns verwalten lassen wollen. Dies wird aber eher selten der Fall sein. Unsere Lösung ist für den Kunden mehr eine Ergänzung zum Beratungsmandat bei einer traditionellen Bank mit Ansprechpartner. Die Gleichung geht für uns auf, da die Nettobank die Prozesse und Struktur genau auf diesen Umstand ausgerichtet hat – viele Kunden mit einem kleineren bis mittlerem Investitionsvolumen.

„Die Nettobank verdient bei der Mehrwertgebühr nur dann, wenn auch das Portfolio des Kunden einen Mehrwert verzeichnen konnte.“

Kleinere Kunden zahlen für die Verwaltung ihrer Vermögen nur 0,75% des Anlagebetrages. Ab einem verwalteten Vermögen von CHF 100,000 kommen zudem 15% am Vermögenszuwachs dazu. Mit dem Mehrwertgebührenmodell, dem variablen Einkommensteil, partizipieren Sie am Erfolg der positiven Verwaltung der Kundenvermögen. Dieses Modell konnte seit Ihrer Gründung nicht greifen. Planen Sie die Kostenstruktur beizubehalten oder mittelfristig zu ändern?

So wie Sie die Kostenstruktur beschreiben ist das nicht ganz richtig. Unsere Kunden haben ab CHF 100’000 die Wahl: Entweder sie bezahlen 0.75% fixe Pauschalgebühr oder sie wählen eine Mehrwertgebühr. Es handelt sich da um eine Wahlmöglichkeit für den Kunden nicht um eine Addition. Mit der Mehrwertgebühr geben wir den Anlegern die Möglichkeit ein Gebührenmodell zu wählen, das gleichgerichtete Interessen garantiert. Denn die Nettobank verdient bei der Mehrwertgebühr nur dann, wenn auch das Portfolio des Kunden einen Mehrwert verzeichnen konnte. Deshalb: Ja, wir werden dieses Gebührenmodell auch weiterhin anbieten, da gerade diese Gebührenstruktur von vielen Anlegern geschätzt wird. Zudem bietet dieses Gebührenmodell was gerade in der heutigen Zeit von vielen Anleger gefordert wird: Fairness und Transparenz.

Die verschiedenen Anlagelösungen, die die Nettobank anbietet weisen seit Beginn (Juni 2010) bis Juli 2011 mit einer Ausnahme negative Renditen auf: Select mit hohem Risikoprofil hoch (-2,8%), Realo mit sehr hohem Risikoprofil (+1,23%), Select mit mittlerem Risikoprofil (-0,70%), Basis mit mittlerem Risikoprofil (-3,49%) und dem tiefen Risikoprofil mit der Basis-Lösung (-3,56%). Mit welchen Schritten wollen Sie die Performances verbessern?

Die Anlagemethode der Nettobank basiert auf kostengünstigen, indexnahen Instrumenten, vorzugsweise ETF. Die Performance dieser Instrumente richtet sich nach der Entwicklung des zugrundeliegenden Referenzindex. In Phasen negativer Kursentwicklung ergibt sich – wie bei jedem Portfolio, welches keine Short-Positionen eingeht – zwangsläufig eine negative Wertentwicklung.

Worin besteht in diesem Zusammenhang der Mehrwert der Nettobank?

Durch die aktive Bewirtschaftung der Nettobank Portfolios sind unsere Kunden den Launen der Märkte nicht 1:1 ausgesetzt. Dies insbesondere aus den folgenden Gründen: Mit dem Nettobank Instrumenten-Rating sorgen wir für die gezielte Auswahl der geeigneten Instrumente. Die systematische Ermittlung des persönlichen Risikoprofils erlaubt die Bestimmung einer geeigneten Asset Allocation. Die Steuerung der Aktienquote sowie ein eingebautes Risikomanagement erlauben es, die aktuelle Verfassung der Märkte zu berücksichtigen. Die laufende Überwachung und Bewirtschaftung der Portfolios gewährleistet einen disziplinierten Investmentansatz.

Wie hat sich dies bislang auf die Anlageentscheide der Nettobank ausgewirkt?

Wir haben bereits sehr früh – im Frühling 2010 – damit begonnen, die Exposition unserer Portfolios gegenüber dem Euro, dem US Dollar und anderen Fremdwährungen zu reduzieren. Ebenso haben wir bewusst bestimmte währungsbesicherte ETF eingesetzt. Als weitere Massnahme wurde der Goldanteil erhöht. Mit einem Anteil von 10% währungsbesichertem Gold in unseren klassischen Mandaten liegen wir deutlich über dem Angebot der Konkurrenz. Unsere Anlageform Realo weist gar einen Gold-Anteil von einem Drittel auf – ebenfalls währungsbesichert. Aufgrund dieser Schritte und angesichts der Tatsache, dass etwa europäische Aktien seit Jahresbeginn über 20% an Wert verloren haben, dürfen wir mit der Performance zufrieden sein.

In der Juli Ausgabe Ihres Newsletters zeigen Sie auf, dass die Nettobank, angesichts der grossen Unsicherheit an den Börsen, die Kundenportefeuilles gegen einen weiteren Kurszerfall mit Barreserven als Sicherheitspuffers absichert, da Barreserven genau so effizient wie kostspielige Absicherungen seien. Könnte Sie unseren Lesern diese Strategie näher beschreiben?

Mit Derivaten könnte der Rückgang eines einzelnen Aktienmarkt Indexes leicht abgesichert werden. Allerdings könnte die erhoffte Wirkung ausbleiben. Wird dagegen das Portfolio gegen verschiedene Eventualitäten abgesichert, könnten die Absicherungskosten enorm hoch werden. Als Alternative bietet sich deshalb die altbewährte Liquiditätsreserve auf dem Konto an. Dabei wird ganz einfach ein Teil des Portfoliowerts vorübergehend als Cashbestand gehalten. Gegenüber anderen Absicherungsstrategien hat eine Barreserve den Vorteil, dass sie leicht gebildet und aufgelöst werden kann und das zu minimalen Kosten. Aus diesen Gründen hat die Nettobank im vergangenen, wirtschaftlich schwierigen Marktumfeld, den Cashbestand der Portfolios erhöht.

Für Ihre Kunden benützen Sie ETFs (Exchange Traded Funds) als Anlagevehikel, im Gegensatz zu konventionellen Portfolio Managers, welche kleinere Kundenportefeuilles mittels Fondsanteilen diversifizieren. ETFs werden im Umfeld der hohen Risikoaversion stark kritisiert, Sie hingegen favorisieren Investitionen in derivative Produkte. Wie erklären Sie diese Anlagelösung Ihren Kunden?

Die Nettobank setzt neben den voll replizierenden ETF auch swap-basierte ETF ein. Dennoch ist es nicht richtig, Exchange Traded Funds der Kategorie Derivate zuzuordnen. Indexnahe Anlagefonds sind als Sondervermögen ausgestattet und somit nicht explizit in der Bankbilanz. Dank diesem Umstand sowie der passiven Struktur sind sie eben genau für risikoaverse Investoren geeignet. Denn ein ETF bildet einen Index ab wie beispielsweise den SMI. Damit sind zwei Vorzüge, welche passive Investoren den Instrumenten einräumen naturgemäss gegeben: Passive Anlageform und breite Diversifikation.

„Die Anlagemethode der Nettobank basiert auf kostengünstigen, indexnahen Instrumenten, vorzugsweise ETF.“

Sind ETFs nicht ein zu einfaches Mittel, um Märkte oder Themen abzubilden? Kann ein Kleinanleger sein Portefeuille mit ETFs somit nicht selbst bewirtschaften?

Grundsätzlich kann jeder Anleger ETF genauso einfach kaufen, wie er eine Aktie kaufen kann. Da das Universum der ETF immer grösser wird und Eigenschaften hinsichtlich Replizierung, Kosten und Gegenparteien genau analysiert werden sollten, bietet die Nettobank bei der Auswahl einen erheblichen Mehrwert. Mit einer unabhängigen Analyse wird jedes Instrument eingehend auf deren Eignung für den Einsatz in den Nettobank-Portfolios überprüft. Dies bietet für den Anleger einen zentralen Mehrwert angesichts des immer grösser werdenden ETF-Dschungels.

Aufgrund des unberechenbaren Börsenumfeldes und der volatilen Märkte wird es immer schwieriger, eine längerfristige Investitionspolitik zu fahren. Welches sind Ihre Lösungsansätze?

Die Anlagepolitik der Nettobank ist klar: Die Nettobank bietet professionelles Portfoliomanagement mit indexnahen transparenten und liquiden Instrumenten. Insbesondere zeichnet sich die Nettobank Anlagemethode aus durch:

Unter dem Druck der EU und der USA weicht sich das Bankgeheimnis immer mehr auf. Das aktuelle Konjunktur- und Börsenumfeld führen zudem zu stockendem Neugeldzufluss. Keine idealen Voraussetzungen für eine junge Bank…

Die Nettobank ist auf Kunden aus der Schweiz ausgerichtet, daher beeinflusst uns diese Tendenz nur wenig. Natürlich spüren auch wir die Zurückhaltung von den Anlegern im momentanen Marktumfeld. Das Geschäftsmodell der Nettobank ist jedoch langfristig ausgerichtet, was die momentane Situation zwar nicht vorteilhafter macht, aber keineswegs für die Zukunft ausschlaggebend ist.

„Die Nettobank ist eine junge Bank, mit wenigen Angestellten, einem erfahrenen und erfolgreichen Outsourcingpartner und optimalen Prozessen, um so mit einem weitaus höheren Volumen weiterfahren zu können.“

Das Bankgewerbe schrumpft weltweit. Neben der UBS und der CS planen auch andere Banken einen Stellenabbau. Wie schätzen Sie Ihre Zukunftsaussichten ein?

Die Nettobank ist eine junge Bank, mit wenigen Angestellten, einem erfahrenen und erfolgreichen Outsourcingpartner und optimalen Prozessen, um so mit einem weitaus höheren Volumen weiterfahren zu können. Die Nettobank setzt auch intern auf eine schlanke Struktur, die nicht von Extravaganz sondern von Schlankheit und Effizienz geprägt ist. Da wir überzeugt sind, dass wir mit dem Geschäftsmodell der Nettobank ein wachsendes Bedürfnis optimal befriedigen können, stehen wir der Zukunft optimistisch gegenüber.

Das neueste Anlageprodukt «Nettobank Nominalo» bietet dem Anleger am hälftigen Investment, dem Sparkapital, eine fixe Verzinsung von 1,5%, während die übrigen 50% des Kapitals in indexnahe Obligationenfonds angelegt sind. Welche Vorteile bringt diese Anlage einem Investoren? Denn durch die indirekte Anlage – auf Ihr Sparkonto – entfällt dem Kunden die Spargarantie. Zudem fallen dem Kunden bei Investitionen in Obligationenfonds gleich zweimal Verwaltungsgebühren an.

Dies ist so nicht ganz korrekt. Es handelt sich nicht um eine indirekte Anlage, die nicht einlagengesichert ist. Der Kunde hat ein ordentliches Guthaben auf einem Konto, das auf seinen Namen lautet. Die Anlageform Nominalo ist eine kombinierte Spar- und Anlagelösung, welche dem Anleger zwei Vorteile bringt. Einerseits profitiert er von einem Zins von 1.5% auf dem Sparteil und andererseits von einer kostengünstigen Vermögensverwaltung. Dem Anleger fallen in keiner Weise doppelte Verwaltungsgebühren an. Wie bei allen Anlageformen bezahlt der Kunde ausschliesslich eine Pauschalgebühr – bei dieser Anlageform jedoch nur auf dem Anlageteil. Der Sparteil ist gebührenfrei. Die Nettobank verrechnet bei keiner ihrer Anlageformen Depotgebühren oder Courtagen.

Der Gesprächspartner:
Stefan Jaeger ist seit 2003 bei Wegelin & Co. Privatbankiers tätig. 2006 war er verantwortlich für die Gründung der Wegelin Niederlassung Basel, die er bis 2009 führte. Dr. Stefan Jaeger studierte an der Universität Zürich Nationalökonomie mit der Vertiefung Bankbetriebswirtschaftslehre, Ökonometrie und Finanzmarkttheorie. Danach war Dr. Jaeger Assistent bei Prof. Dr. Heinz Zimmermann am Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen, wo er auch promovierte. Seit 2010 ist er CEO der Nettobank AG, einer Tochtergesellschaft der Wegelin & Co. AG. Zudem hat er einen Lehrauftrag an der Universität St. Gallen und ist Verwaltungsrat der Clientis Bank Oberuzwil. Stefan Jaeger, geboren 1965, ist nicht verheiratet, Vater von zwei Kinder und wohnt in Teufen AR.

Das Unternehmen:
Die Nettobank AG ist die erste Online-Privatbank der Schweiz. Sie richtet sich an Anlegerinnen und Anleger, die eine elektronische Lösung für die Verwaltung ihres Vermögens suchen. Die Umsetzung der Anlagestrategie erfolgt mit indexnahen und kostengünstigen Instrumenten. Die Nettobank wurde 2010 als 100%-ige Tochtergesellschaft von Wegelin & Co. AG gegründet.


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