Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Switzerland, im Interview

Stefan Ruf, schiedender CEO Allianz Trade Schweiz. (Bild: Allianz Trade)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Ruf, der Euler Hermes Export Forecast auf liegt aktuell bei 0.95 Punkten und ist somit erheblich viel tiefer als bei seinem Rekordwert von 3.13 Punkten im April 2021. Wie ist das im längerfristigen Zeitraum einzuordnen, wann erwarten Sie wieder einen signifikanten Anstieg?

Stefan Ruf: Der Forecast ist mit 0,95 Punkten immer noch deutlich über dem langfristigen historischen Durchschnitt, der bei null angesetzt ist. Damit sind die Zukunftsprognosen für den Schweizer Export nach wie vor überdurchschnittlich gut. Ein weiterer signifikanter Anstieg des Prognosewerts ist darum nicht zu erwarten. Der Rekordwert von April 2021 rührt vor allem daher, dass zu diesem Zeitpunkt eine äusserst starke Überkompensation nach dem Durchschreiten der wirtschaftlichen Talsohle prognostiziert wurde, welche dann auch so eingetroffen ist.

«Der Forecast ist mit 0,95 Punkten immer noch deutlich über dem langfristigen historischen Durchschnitt, der bei null angesetzt ist. Damit sind die Zukunftsprognosen für den Schweizer Export nach wie vor überdurchschnittlich gut.» Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Switzerland

Die Exporte der Schweiz sind gegenüber dem zweiten Quartal 2021 nominal um 3.7 Prozent auf 63.1 Milliarden Franken (real: 1.5 Prozent) gestiegen und haben damit einen neuen Quartalshöchststand erreicht. Dies trotz einem überdurchschnittlich starken Schweizer Franken. Wurde die Währungsstärke als bremsender Faktor für Exporte bis anhin überschätzt?

Der Kurs des Schweizer Frankens hat in der Tat als potenzieller Bremsfaktor für die Exportwirtschaft an Bedeutung gewonnen. Es ist zu erwarten, dass sich die Verteuerung des Frankens in den nächsten Monaten zeigen wird, auch wenn man das in den aktuellen Exportzahlen noch nicht sieht. Die Währungsentwicklung ist auch ein Grund für den rückläufigen Forecast-Wert.

Die Schweiz steht im Vergleich mit den europäischen Staaten vor allem dank den Sektoren Finanz, Chemie und Pharma sehr gut da. Welche Entwicklung erwarten Sie im 2022, welche Sektoren tragen zum Wachstum bei, welche Sektoren werden eher Probleme haben?

In der sektoriellen Betrachtung dürften 2022 die gleichen Industrien wie im Vorjahr eine tragende Rolle spielen. Dies ist ein grosser Vorteil, da diese Sektoren zu den grossen in der Schweizer Wirtschaft zählen, was den Anteil an BIP und auch den Export angelangt. Man darf aber nicht unterschätzen, dass diverse andere Sektoren 2022 zu kämpfen haben werden, insbesondere solche welche in der Zulieferindustrie tätig oder von komplexen Lieferketten abhängig sind.

Die globalen Lieferketten haben sich in der Pandemie als eigentlicher Risikofaktor herausgestellt (zum Beispiel teilweise Stillstände in Frachthäfen). Gibt es hier fundamentale Veränderungen, oder wird nach der Pandemie die Globalisierung wieder wie zuvor Fahrt aufnehmen?

Die Lieferkettenproblematik hat sich noch nicht gelöst. Zumindest kurz- bis mittelfristig versuchen Unternehmen darauf zu reagieren, indem sie zum Beispiel ihre Lager aufstocken, Lieferketten neu organisieren sowie Re-shoring betreiben und die vertikale Integration ausbauen. Längerfristig dürfte diese Entwicklung aber er eher wieder abflachen. Was bleiben wird, ist eine strategische Höhergewichtung der ganzen Supply Chain weit über die Finanzierung hinaus. Dazu gehört auch die zunehmende Tendenz zur weitergehenden Integration und Kontrolle über den Produktionsprozess.

«Die Lieferkettenproblematik hat sich noch nicht gelöst. Zumindest kurz- bis mittelfristig versuchen Unternehmen darauf zu reagieren, indem sie zum Beispiel ihre Lager aufstocken, Lieferketten neu organisieren sowie Re-shoring betreiben und die vertikale Integration ausbauen.»

Die Schweiz hatte im Vergleich zu den umliegenden Ländern eine relativ lockere Massnahmenpolitik bei der Bekämpfung der Pandemie. Wie wirkt sich das auf die Wirtschaftskraft aus, welche Entwicklungen sind zum Beispiel im Tourismus absehbar?

Die Massnahmen in der Schweiz haben schon sehr früh auch die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft berücksichtigt. Darum ist das wirtschaftliche Leben, insbesondere die industrielle Produktion, praktisch nie stillgestanden. Dies ist einer der Gründe, weshalb sich die Schweiz am schnellsten von der wirtschaftlichen Krise erholt hat und auf das Vorkrisenniveau zurückgekehrt ist. Im Tourismus präsentiert sich die Situation hingegen anders: Hier dominiert die Abhängigkeit von internationalen Gästen und somit den internationalen Bedingungen für die Ein- und Rückreise. Der Tourismus dürfte darum noch länger brauchen bis er wieder auf dem Vorkrisenniveau angelangt ist.

Der zwischenzeitlich verhaltene Optimismus für eine zeitnahe Beendigung der Pandemie hat sich durch die neue Variante Omikron wieder verflüchtigt. Wie wirkt sich das in ihren Modellen aus?

Mit der Omikron-Variante rückt ein Szenario in den Vordergrund, das aufgrund von sehr hohen Infektionszahlen innerhalb von kurzer Zeit zu Personalausfällen und eingeschränktem Leistungsangebot führen könnte. Insbesondere davon betroffen könnten die produzierende Industrie und die Logistik sein, weniger die Dienstleister deren Mitarbeitende, aus dem Homeoffice arbeiten können. Aufgrund der aktuellen Beurteilung der Gesundheitsexperten gehen wir davon aus, dass es sich hier um einen eher kurzzeitigen Impact handeln könnte und danach die Basis für eine längerfristige positive wirtschaftliche Entwicklung durch den Rückgang der Pandemie gelegt ist.

 Die USA hat auch in der Pandemie die Wirtschaft wo immer möglich prioritär behandelt und wurde dafür jeweils mit sehr positiven Prognosen bedacht. Inwieweit haben sich diese erfüllt, wie sieht es für die nähere Zukunft aus?

In den USA fällt auf, dass sich während der Pandemie das Aussenhandelsdefizit stark vergrössert hat. Erst im Laufe des Jahres 2023 dürften sich die Exporte und Importe wieder angleichen. Für die USA prognostizieren wir weiterhin Wachstum, jedoch eher unterdurchschnittlich im globalen Vergleich.

Unter Präsident Donald Trump wurden wirtschaftliche Sanktionen sehr direkt zur Umsetzung politischer Ziele eingesetzt, was auch die Schweiz zu spüren bekam. Hat sich das Klima unter Präsident Joe Biden verändert, welche Perspektiven hat die Schweiz im Markt USA?

Die Schweiz pflegt historisch gesehen eine sehr gute Beziehung zu den USA, was auch in Zukunft so bleiben dürfte. Die Exportaussichten für Schweizer Firmen in die USA beurteilen wir als positiv, sie werden aber in der Tat auch in Zukunft vom politischen Klima abhängen. Aktuell wirkt sich auch der zum US Dollar teure Schweizer Franken nachteilig aus.

«In den USA fällt auf, dass sich während der Pandemie das Aussenhandelsdefizit stark vergrössert hat. Erst im Laufe des Jahres 2023 dürften sich die Exporte und Importe wieder angleichen.»

Nebst der Pandemie ist die Erreichung unterschiedlicher Klimaziele zur Reduktion des Temperaturanstiegs ein dominantes Thema. Wie zeigt sich das bereits in Ihren Modellen, wie ist die Schweiz bei dem Thema positioniert?

Das öffentliche Bewusstsein für die Wichtigkeit zur Erreichung der Klimaziele hat zweifelsohne eine neue Dimension erreicht. Inwieweit und bis wann diese erreicht werden können, hat einerseits mit dem politischen Konsens oder Dissens zu tun und andererseits auch mit dem technologischen Fortschritt. Die Schweiz ist insbesondere dank ihrem hohen technologischen Niveau und ihrer exzellenten Innovationskraft sehr gut positioniert, um mit Produkten und Dienstleistungen zum Erreichen der Klimaziele beizutragen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Aus erstes wünsche ich uns allen, dass wir die Pandemie im Verlaufe des Jahres 2022 möglichst wohlbehalten bewältigt haben werden. Zweitens wünsche ich mir, dass die Ressourcen welche dafür in den letzten zwei Jahren eingesetzt wurden, möglichst rasch in Themen wie Innovation und nachhaltige Entwicklung umgelenkt werden können. So könnten uns neue Perspektiven eröffnet werden.


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