Stefan Schulthess, Geschäftsführer SGV Holding AG, im Interview

Stefan Schulthess, Vorsitzender Gruppenleitung SGV AG. (Foto: SGV)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Schulthess, von minus 5 auf plus 5 Millionen beim operativen Ergebnis auf Stufe EBIT. Jetzt werden sicher viele Jahre ohne Einschränkungen auf ihre Unternehmensgruppe zukommen, nicht wahr?

Stefan Schulthess: Ich weiss es nicht. Durch die Pandemie haben wir – wie viele andere auch – erfahren, dass vermeintliche Gewissheiten nicht mehr so gewiss sind, wie sie einmal schienen. Umso mehr geniessen wir den Moment und freuen uns, dass wir rasch auf den Erfolgspfad zurückgefunden haben.

Streicht man die beiden Coronajahre 2020 und 2021, kann man eine wunderschöne Ausgleichsgerade durch das jährliche Umsatzwachstum legen und kommt auf durchschnittlich 5 Prozent pro Jahr über ein Jahrzehnt. Offenbar führen die drei doch sehr unterschiedlichen Geschäftsbereiche betriebswirtschaftlich zu einer schönen Glättung des Geschäftsgangs?

Ja, die vor gut 15 Jahren initiierte Diversifikation ausserhalb der touristischen Schifffahrt ermöglichte das von Ihnen erwähnte Wachstum. Auch wenn unsere strategische Diversifikation und die damit zusammenhängende Komplexität manchmal zu Lasten der Effizienz geht, hat das breite Tätigkeitgebiet in unterschiedlichen Märkten mit unterschiedlichen Produkten auch die Resilienz unseres Unternehmens während der Covid-19-Krise gestärkt, mit mehr Vor- als Nachteilen.

«Auch wenn wir sehr erfreut auf das Jahresergebnis 2022 zurückblicken, wissen wir, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren von vielen Unsicherheiten geprägt sein wird.»
Stefan Schulthess, Geschäftsführer SGV Holding AG

Nichtsdestotrotz, wo verorten Sie in den nächsten Jahren Herausforderungen?

Auch wenn wir sehr erfreut auf das Jahresergebnis 2022 zurückblicken, wissen wir, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren von vielen Unsicherheiten geprägt sein wird. Die Entwicklung des Krieges in der Ukraine, die unsichere Konjunktur-, Preis- und Währungsentwicklung, der Arbeitskräftemangel, der Klimawandel sowie die Energiepreise und Engpässe in Lieferketten sind nur die wichtigsten Punkte, die ich hier erwähnen möchte.

Auf einzelnen Kursschiffen soll es im letzten Jahr sogar eng geworden sein. Wie lässt sich der jetzige Sommer an? Letztes Jahr fuhren ja 2,7 Millionen Passagiere auf dem Vierwaldstättersee.

Der Start ins laufende Jahr ist trotz verregnetem Frühling sowohl für die SGV AG wie auch für die Tavolago AG mit rund 15% höheren Erträgen noch besser verlaufen als das bereits gute Vorjahr.

Die Umrüstung der «MS Rüti» auf Elektroantrieb und der Umbau der «MS Saphir» hin zu einem Wasserstoff-Antrieb zeigen, dass es Ihnen Ernst ist mit dem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Lohnt sich denn Wasserstoff jetzt schon?

Sowohl die Umrüstung des «MS Rütli» auf einen Elektroantrieb, notabene mit Baujahr 1929 das älteste Motorschiff auf dem Vierwaldstättersee, wie auch der angestrebte Umbau beim «MS Saphir» auf einen Wasserstoffantrieb erfolgen nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen. Bei beiden Projekten gewichten wir die Ökologie höher als die Ökonomie. Gleichzeitig haben beide Projekte für uns einen Pilotcharakter, wo wir uns weitere Erkenntnisse für die Zukunft erhoffen.

«Bei den Umbauprojekten der MS Rütli und der MS Saphir gewichten wir die Ökologie höher als die Ökonomie.»

Wo und wie werden Ihre Kursschiffe in den nächsten Jahren den CO2-Ausstoss reduzieren?

Bis 2026 werden wir den CO2-Ausstoss der Kursschiffe insgesamt um zwanzig Prozent vermindern. Dies erfolgt durch technische und betriebliche Massnahmen. Wir reduzieren beispielsweise unser Fahrplanangebot in den nächsten Jahren um zehn Prozent gegenüber 2019, auch um Treibstoff einzusparen. Unabhängig davon werden wir als erste Schifffahrtsgesellschaft in der Schweiz den gesamten CO2-Austoss unserer Schiffsflotte im Umfang von rund 5 000 Tonnen zusammen mit der Stiftung myclimate zu 100% in ein Klimaschutzprojekt finanzieren.

Könnte Ihr Unternehmen Shiptec Vorreiter im Engineering für nachhaltigen Schiffbau auch für Dritte spielen?

Ob die Shiptec AG diesbezüglich Vorreiter ist, weiss ich nicht. Aber mit den eigens entwickelten Energie- und CO2-optimierte Antriebsanlagen ist die Shiptec AG aktuell und marktgerecht aufgestellt. Der Trend zu energieoptimierten Schiffen ist nicht mehr aufzuhalten. Diese Nachfrage, gekoppelt mit der Digitalisierungswelle in der Industrie und im Transportbereich bietet für ein Unternehmen wie die Shiptec AG spannende Geschäftsmöglichkeiten.

Eine weitere aussergewöhnliche Entscheidung ist die Reallohnerhöhung für die Belegschaft. 4% mehr Lohn gibt es für 2023. Ein schönes Zeichen in Zeiten der Inflation. Können Sie mir die Wechselrate im Gesamtunternehmen nennen?

Die Fluktuationsrate ist innerhalb der SGV-Gruppe sehr unterschiedlich. Währenddem sie bei der Managementholding AG und bei der SGV AG sehr tief ist, ist sie beim Gastronomieunternehmen Tavolago AG – branchenbedingt – auf Mitarbeitendenstufe eher hoch und bei der industriell tätigen Shiptec AG bei rund 8%. Selbstverständlich sind adäquate Lohnerhöhungen aus Sicht der Mitarbeitenden in inflationären Zeiten besonders wichtig, um keinen Reallohnverlust zu erleiden. Ich bin froh, dass es die guten Ergebnisse der SGV-Gruppe erlaubt haben, diese zu finanzieren.

Haben Sie Probleme in der Fachpersonalrekrutierung bei Shiptec?

Ja, es ist auch für die Shiptec AG schwierig, gute Fachkräfte zu rekrutieren. Der Arbeitsmarkt ist für viele Berufe ausgetrocknet. Im Gegensatz zu anderen Industriebranchen hilft aber die Tatsache, dass Shiptec Mitarbeitende an einem spannenden Produkt arbeiten, mit dem man sich gerne identifiziert. Das verschafft der Shiptec im hart umkämpften Personalmarkt einen kleinen Vorteil.

«Dass ein Restaurantbesuch teurer wird, kann leider nicht vermieden werden.»

Wie wirken sich die gestiegenen Lebensmittelpreise auf Ihren Caterer Tavolago aus?

Die sind auch ein Problem für die Tavolago AG. Neben den Energie- und Personalkosten sind die Warenkosten ein grosser Kostenblock jedes Gastronomieunternehmens. Dass ein Restaurantbesuch vor diesem Hintergrund teurer wird, kann leider nicht vermieden werden. Bekanntlich sind die Margen in der Gastronomie zu klein, als dass man in der aktuellen Situation auf Preiserhöhungen verzichten könnte. Erstaunlicherweise hat unserer Caterer Tavolago deswegen bis jetzt aber fast keine Reklamationen erhalten und stellt eine hohe Zahlungsbereitschaft der Kunden fest.

Die SGV AG erhielt im Geschäftsjahr 2022 aus einem Vermächtnis eine zweckgebundene Erbschaft in Höhe von 1,6 Millionen Franken zur Erhaltung der Dampfschiffe. Hatte sich so etwas abgezeichnet, oder kam das wie ein Sechser im Lotto?

Kurz und bündig – wie ein Sechser im Lotto!

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