Zug – Die Zuger WWZ-Gruppe will effizienter werden und künftig näher beim Kunden sein. Die bevorstehende Liberalisierung des Strommarktes ist dabei nur einer der Auslöser. Arndt Mielisch von Appway sprach mit Stefan Willi, dem CTO IT des Versorgungsunternehmens, über die Komplexität eines Hausanschlussantrages, sich verändernde Kundenbedürfnisse und das Internet der Dinge (IoT) von WWZ.
Die WWZ-Gruppe ist zu 70% in privatem Besitz und beschäftigt mehr als 400 Mitarbeitende. Sie versorgt Kunden im Kanton Zug und darüber hinaus mit Wasser, Strom, Gas, Wärme und Telekommunikation.
Arndt Mielisch, Appway: Warum setzen Sie auf Prozessdigitalisierung?
Stefan Willi, WWZ: Wir sind ein komplexes Unternehmen mit fünf Geschäftsbereichen: Wasser, Strom, Gas, Wärme, Telekom. Jeder dieser Bereiche steht auf seiner eigenen Rechtsgrundlage. Das macht unsere internen Abläufe komplex, erschwert die Kundenorientierung und bremst die Produktinnovation. Der Markt erfordert allerdings, dass wir unser Angebot und unsere Arbeit am Kunden ausrichten.
Inwiefern?
Der Telekommarkt ist heute gesättigt und der Wettbewerb wird härter. Strom für Geschäftskunden ab 100’000 kWh/Jahr ist bereits liberalisiert, Strom für Privatkunden wird folgen.
«Wenn Sie Aktenberge vor sich hinschieben und den Status einzelner Vorhaben im Excel-Sheet verfolgen, verlieren Sie schnell die Übersicht. Sie können diese Arbeit nur mit digitalen Prozessen und Case Management in den Griff bekommen.» Stefan Willi, WWZ
In einem sich öffnenden Markt werden wir nur dann weiter erfolgreich sein, wenn wir die Kunden so gut wie möglich bedienen und unsere Produktentwicklung an ihnen orientieren. Digitale und weitgehend automatisierte Geschäftsprozesse geben uns hierfür die nötige Flexibilität.
Gibt es einen konkreten Business Case dafür?
Mein ursprüngliches Interesse galt den internen Prozessen. Etwa der Eröffnung von neuen Kunden und der Verfolgung von Kundenanfragen in unseren Systemen. Hier können wir beträchtliche Effizienzen erzielen, indem wir Medienbrüche eliminieren und manuelle Arbeiten reduzieren.
Ein noch attraktiverer Business Case ergibt sich dann, wenn wir diese Prozesse zum Kunden hin erweitern, dabei die Erfolgsquote für bestimmte Prozesse erhöhen und dafür weniger Zeit benötigen.
Die Beantragung von Hausanschlüssen ist ein gutes Beispiel. Wir erhalten rund 1’000 neue Hausanschlussanträge pro Jahr. Jeder Antrag löst zahlreiche Abklärungsarbeiten aus und erfordert mehrere Genehmigungen – zwischen der Planung und der Umsetzung eines Bauvorhabens können oft mehrere Jahre vergehen so dass es schnell mal einige tausend offene Anfragen sind. Währenddessen müssen wir eine Flut von Informationen kanalisieren und verarbeiten, den Kunden in regelmässigen Abständen kontaktieren und den Fortschritt seines Bauvorhabens nachverfolgen.
Wenn Sie Aktenberge vor sich hinschieben und den Status einzelner Vorhaben im Excel-Sheet verfolgen, verlieren Sie schnell die Übersicht. Sie können diese Arbeit nur mit digitalen Prozessen und Case Management in den Griff bekommen.
WWZ hat zuletzt mit ihrem Projekt Circulago zur Nutzung der Energie des Zugersees für Wärme und Kälte von sich Reden gemacht. Gibt es da einen Business Case?
Absolut. Dank Circulago können wir in Zukunft Wohn- und Geschäftsliegenschaften in Zug und Baar-Süd mit lokaler und erneuerbarer Wärmeenergie versorgen. Für eine wirksame Vermarktungsstrategie benötigen wir aus Kundensicht optimierte Vertriebsprozesse.
Sie haben gesagt, Sie wollen näher am Kunden sein. Wie oft sind Sie heute mit Ihren Kunden in Kontakt?
Unsere Produkte bilden die Grundlage für ein modernes Leben und bleiben gleichzeitig solange im Hintergrund, wie alles rund läuft. Entsprechend selten sind heute die direkten Kundenkontakte. Überlegen Sie mal, wann Sie das letzte Mal Ihren Stromanbieter kontaktiert haben…
«Wir beabsichtigen vermehrt auch moderne Kommunikationskanäle (Social Media) zu nutzen.»
Wünschen Sie sich mehr Kundenkontakte?
Unbedingt. Vor allem deswegen, weil wir unsere Kunden besser kennenlernen wollen. Das geschieht am besten über regelmässige Interaktionen. Hinzu kommt, dass wir als Infrastrukturanbieter regelmässig unsere Kunden über Wartungsarbeiten informieren müssen und wollen. Heute versenden wir Unterbruchsmeldungen per Post, ohne zu wissen wer diese eigentlich liest.
Wie wird die Kundeninteraktion in der Zukunft aussehen?
Wir beabsichtigen vermehrt auch moderne Kommunikationskanäle (Social Media) zu nutzen, mit welchen wir schneller und präziser kommunizieren und den Dialog mit den Kunden fördern können.
Mit der Öffnung des Schweizer Strommarktes ergibt sich für Versorgungsunternehmen die Chance, ihre Kundenkontakte massiv zu erhöhen. Deswegen gehen wir schon heute unsere Kunden proaktiv an und bearbeiten den Markt. In zwei Jahren wollen wir bereit sein, dem Kunden genau das zu bieten, was er will.
Und das ist?
Das ist natürlich abhängig vom einzelnen Kunden! Jeder hat sein eigenes Versorgungsprofil. Heute sagen wir dem Kunden: Hier ist das Produkt, das wir haben, und das musst du haben. Das ist falsch. Der Kunde darf uns sagen, was er gerne hätte und wir machen ihm ein bestmögliches Angebot.
Und wie wollen Sie das herausfinden?
Ich denke zum Beispiel an einen Online-Produktberater, mit dem der Kunde sein gewünschtes Produkt in wenigen Klicks individuell konfigurieren kann und sofort online eine Offerte von uns erhält. Wenn Sie beispielsweise einen Mix von 60% Wasser- und 40% Solarstrom wünschen, dann werden wir Ihnen genau dieses Paket schnüren und sofort anbieten.
Das Gleiche gilt, wenn Sie Ihren eigenen Strom erzeugen und dafür in eine Photovoltaikanlage investieren wollen. Hier können wir dem Kunden einen echten Mehrwert bieten, indem wir ihn prozesstechnisch unterstützen. Etwa bei der Eröffnung und Verfolgung des Baubewilligungsverfahrens oder indem wir ihn mit seiner Gemeindeverwaltung verbinden und seinen Antrag für kommunale Fördergelder begleiten.
«Wenn Sie beispielsweise einen Mix von 60% Wasser- und 40% Solarstrom wünschen, dann werden wir Ihnen genau dieses Paket schnüren und sofort anbieten.»
Wir sind froh, dass Appway für die Umsetzung solcher Projekte nicht nur die benötigten Workflow-Modellierungs-Tools, sondern auch ein weit entwickeltes Frontend für alle Endgeräte bereitstellt.
Interessieren sich Ihre Kunden wirklich dafür, wie hoch der Anteil Solarstrom in ihrem Mix ist?
Wir stellen bei vielen unserer Kunden schon heute einen hohen Sensibilisierungsgrad fest, was uns freut – schliesslich treiben wir diese Sensibilisierung mit voran. Es gibt immer mehr Haushalte, die eine eigene Wärmepumpe besitzen und diese an ihre Photovoltaikanlage anschliessen wollen. Hierbei stehen weniger die ökonomischen sondern mehr die ökologischen Beweggründe im Vordergrund, oder auch das technische Interesse einiger Kunden. Auch an diesem Punkt ergeben sich für uns übrigens neue Customer Touchpoints.
Die WWZ bedient auch Geschäftskunden. Bei industriellen Anwendungen denkt man schnell an das ‘Internet of Things’ (IoT). Was tut sich hier bei der WWZ?
Wir betreiben seit wenigen Monaten ein IOT-Netz unter dem Namen LORA (Long Range), das auf einem lizenzfreien Frequenzbereich läuft um verschiedene Messpunkte abzufragen. Aktuell sind das Parkplatzleitsystem Informationen, Messpunkte von unseren Zählern und weitere Use Cases sind in Vorbereitung.
Welche Rolle spielen Prozesse beim IoT?
Es ist eine grosse Herausforderung, das IoT-Netz gewinnbringend zu betreiben. Dafür müssen Sie zunächst viele tausend Sensoren an Ihr Netz bekommen. Das gelingt nur, wenn die dahinterliegenden Prozesse schlank sind und neue Sensoren im System automatisch erfasst werden können, ohne dass dabei manuelle Arbeit anfällt.
«Es ist eine grosse Herausforderung, das IoT-Netz gewinnbringend zu betreiben. Dafür müssen Sie zunächst viele tausend Sensoren an Ihr Netz bekommen.»
Darüber hinaus erlauben uns digitalisierte Prozesse, die eingesammelten Daten zu monitoren, regelbasiert Auffälligkeiten zu erkennen und diese dem Auftraggeber anzuzeigen.
Sie haben eingangs die Produktinnovation angesprochen. Wohin geht hier die Reise?
In den Bereichen Strom und Wärme geht der Trend von der reinen Versorgung hin zu Dienstleistungen, die zusätzlichen Kundenwert stiften. Beispielsweise steigt der Bedarf bei der Reinigung und Wartung von Photovoltaik-Anlagen. Im Bereich Telekom fordert uns der technologische Wandel heraus – konkret die Migration von Coax auf Glasfasernetze. Es gilt neue Value Propositions zu erarbeiten, mit denen wir die Kannibalisierung unseres eigenen Geschäftes verhindern können.
Um die entstehenden Potenziale rechtzeitig zu erkennen und zu nutzen, haben wir ein unternehmensweites Digitalisierungs-Board geschaffen.
Wie stark wird Ihre Digitalisierungsinitiative von den Mitarbeitern mitgetragen?
Das Interesse an unserer Initiative ist unternehmensweit sehr gross. Die Mitarbeitenden wissen, dass es uns nicht darum geht, Stellen zu streichen, sondern vielmehr darum, unsere Zeit ganz im Sinne des Kunden einzusetzen.
Viele Mitarbeitendesind Ingenieure – wie ich – und damit nicht für manuelle Arbeiten geboren! Unser Back-Office wird entlastet – Stichwort Hausanschlüsse –, das Marketing erhält zusätzliche Kundeninteraktionen, und der Verkauf profitiert ebenfalls von neuen Impulsen.
Die FROX AG und Appway unterstützen WWZ bei der digitalen Transformation.