Stephan Fehlmann, Country Manager DACH bei Spitch, im Interview

Stephan Fehlmann, Vice President DACH bei Spitch. (Bild: Spitch)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Fehlmann, Sie leiten seit Februar 2022 die Ländergesellschaften von Spitch in der Schweiz, in Deutschland und Österreich (DACH). Was waren die wichtigsten Änderungen und Neuerungen, die Sie in dieser Zeit eingeführt haben?

Stephan Fehlmann: Neben der laufenden Anpassung unserer Organisation an die aktuelle Marktsituation ist die wichtigste Veränderung zweifellos der Ausbau und die Neustrukturierung unseres Verkaufsteams. Dadurch können wir unsere Kunden noch besser beraten und enger begleiten. So verfügen wir nun über Branchenexperten, die sich auf Augenhöhe mit dem Kunden austauschen und aktiv Ideen und Erfahrungen von anderen Kunden der gleichen Branche einbringen können. Dies hat nachweislich zu einer engeren und kompetenteren Kundenbeziehung geführt. Dazu beigetragen hat auch die Gründung eines Customer Success Teams, was uns noch zu besserer Analyse- und Beratungskompetenz verholfen hat.

«Der Conversational AI Markt hat in dieser Zeit nochmals extrem an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wurde durch die Publikation von ChatGPT dramatisch beschleunigt.» Stephan Fehlmann, Country Manager DACH bei Spitch

Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Kostendruck bei Kunden sollten Sprach- und Textdialog­systemen eigentlich einen Schub verleihen. Wie profitiert Spitch von diesen Entwicklungen, wie präsentiert sich die Schweiz im internationalen Vergleich?

Dies ist und war nicht nur «eigentlich», sondern auch tatsächlich so. Der Conversational AI Markt hat in dieser Zeit nochmals extrem an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wurde durch die Publikation von ChatGPT dramatisch beschleunigt. Heute müssen wir niemandem mehr erklären, was Conversational AI ist und wo unsere Lösungen helfen können. Es ist gelegentlich sogar eher so, dass wir die Euphorie etwas dämpfen und die Grenzen der Machbarkeit deutlich aufzeigen müssen. Diese beschleunigte Entwicklung hat dazu geführt, dass die Schweiz nun auch im internationalen Vergleich sehr viel Boden gut gemacht hat und stark am Aufholen des leichten Rückstands ist. Wurden früher Kundenreferenzen mit ausländischen Firmen ausgetauscht, so sind es heute vermehrt Schweizer Firmen, die international als Referenz dienen.

Die Schweiz hat mit ihren vier Landessprachen und fast unzähligen Dialekten eine besonders anspruchsvolle Sprachlandschaft. Wie präzise sind Ihre Lösungen bezüglich Inhaltsanalyse und Dialogführung?

Ich wage zu behaupten, dass Spitch nach wie vor führend ist, wenn es um das Verstehen von Landessprachen und lokalen Dialekten geht. Auch wenn mittlerweile andere Firmen behaupten, dasselbe zu können, überzeugen wir nach wie vor mit unserer Qualität. Das sehe ich nicht nur bei internen Tests, sondern bekomme es auch immer mal wieder von Partnern und Kunden bestätigt, die andere Lösungen getestet haben.

Als Kunde ist man mehrheitlich mit eher bescheidenen Systemen konfrontiert, die oft noch mit vielen Fragen und altertümlichen vordefinierten Auswahlmöglichkeiten daherkommen (“für Auswahl A drücken Sie die Taste X”). Welche Industrien oder Unternehmen sind am weitesten bei einer nahtlosen Integration von Mensch und Maschine im Kundendialog?

Um in der Schweiz zu bleiben, sind es meiner Meinung nach die Banken, was vielleicht überraschend klingen mag. Aber es ist tatsächlich so. Auch bei den Versicherungen gibt es einige Unternehmen, die bereits beachtliche Fortschritte gemacht haben und ihre Bemühungen in diesem Bereich kontinuierlich ausbauen. Ebenfalls haben die öffentlichen Dienste und Telcos den Nutzen erkannt und investieren in entsprechende Lösungen.

«Bei Spitch haben wir den Vorteil, dass der komplette Technologie-Stack inhouse entwickelt wurde und wir somit die volle Kontrolle über Technologie, Modelle und Daten haben.»

Eine grössere Überraschung für mich ist jedoch der E-Commerce-Sektor. Obwohl er mit zahlreichen Standardanfragen konfrontiert ist, scheint er in Bezug auf die Implementierung von Conversational AI noch etwas zögerlicher zu sein. Dabei ist gerade in dieser Branche der offensichtliche Nutzen solcher Lösungen besonders hoch.

ChatGPT hat viel mediale Aufmerksamkeit bekommen und gezeigt, dass künstliche Intelligenz (KI), auf grossen Datenbeständen basierte Sprachmodelle (LLM) und maschinelles Lernen (ML) auch im Alltag eine grosse Relevanz und Akzeptanz erreichen können. Was bedeutet diese Entwicklung für Spitch?

Wie zuvor erwähnt, hatte dies einen sehr positiven Einfluss auf unsere Tätigkeit. Es hat ein grosses Interesse für das Thema geweckt, und viele Leute haben erste bewusste Erfahrungen mit KI gemacht. Dieser gigantische Fortschritt der LLMs ist natürlich auch für uns von Vorteil, da wir diese nun auch bei unseren Lösungen integrieren können.

«Der E-Commerce-Sektor scheint in Bezug auf die Implementierung von Conversational AI noch etwas zögerlicher zu sein. Dabei ist gerade in dieser Branche der offensichtliche Nutzen solcher Lösungen besonders hoch.»

Finanzinstitute sind beim Einsatz mit generativer KI im Kundenkontakt vor allem aus Gründen des Datenschutzes noch sehr zurückhaltend. Was können Anbieter wie Spitch in ihren Lösungen schon vorsehen, um den Datenschutz in freien Dialogen mit Sprachsystemen zu gewährleisten?

Bei Spitch haben wir den Vorteil, dass der komplette Technologie-Stack inhouse entwickelt wurde und wir somit die volle Kontrolle über Technologie, Modelle und Daten haben. Das erlaubt uns, verschiedene Deployment-Modelle zu fahren, on-prem, Cloud oder hybrid. Somit bestimmt der Kunde jederzeit, was mit seinen Daten passiert, wo sie gehostet werden und wer darauf Zugriff haben soll.

Tech Giganten wie Google oder Apple haben mit ihren persönlichen Sprachassistenten Alexa und Siri Zugriff auf eine Unmenge an Interaktionsdaten (Sprache und Text) und investieren signifikante Ressourcen in Themen wie KI, ML, oder LLM. Wo sehen Sie die Marktchancen für Unternehmen wie Spitch, in welchen Bereichen investiert Spitch die meisten Ressourcen?

Es ist wichtig, zwischen alltäglichen Gadgets und Business-Lösungen zu unterscheiden. Gerade bei Business-Anwendungen ist es äusserst wichtig, die Technologie anpassungsfähig zu gestalten und den Datenschutz gewährleisten zu können. Dies ist bei «Commodity»-Lösungen nicht der Fall, da sie einen ganz anderen Ansatz verfolgen. Deren Lernkurve ist von der allgemeinen Benutzung aller User abhängig. Daher müssen die Daten zwingend zentral verwaltet werden, wenn man von den akkumulierten Erkenntnissen profitieren möchte. Ich denke jedoch, dass in beiden Welten die Hauptinvestitionen in die Datenaufbereitung und die R&D fliessen, um am Puls der Zeit zu bleiben.   

Ende August wurde Josef Novak, einer der Gründer von Spitch, zum neuen Chief Innovation Officer berufen. Wie wird diese Ernennung die Strategie von Spitch beeinflussen, zu welchen Themen erwarten Sie am schnellsten neue Innovationen? 

Dieser Schritt war sehr wichtig, um sicherzustellen, dass wir uns permanent am Puls der Zeit bewegen und mit den Entwicklungen Schritt halten können. Joe bringt sowohl auf der technischen als auch auf der Anwenderebene einen riesigen Erfahrungsschatz mit und versteht die Zusammenhänge bestens. Dies hilft uns ungemein, die technologische Entwicklung in unserer eigenen R&D zu berücksichtigen und die «sinnvollen» technologischen Fortschritte zu erkennen und umzusetzen. Schliesslich ist nicht alles Gold, was glänzt, und daher ist es wichtig zu verstehen, auf welche Innovationen man setzen sollte und welche nicht zielführend sind.

Neben der Technologie verändern sich auch die Kundenerwartungen und die Anwendungsbereiche, die immer komplexer werden. Da gilt es zu verstehen, welche davon wirklich sinnvoll sind und den gewünschten Mehrwert für die Kunden und Unternehmen bieten.

Welches sind die wichtigsten Projekte, die Sie im kommenden Jahr in der DACH-Region umsetzen wollen?

Wir haben einige «Grossprojekte» am Laufen, bei denen der Kunde von Anfang mehrere Use Cases gleichzeitig umsetzt. Diese wollen wir nicht nur erfolgreich abschliessen, sondern die Kunden auch aktiv bei der Ausarbeitung der weiteren Roadmap unterstützen.

Dazu kommt der deutsche Markt, auf dem wir uns nach dem Aufbau einer soliden Kundenbasis nun beweisen und unsere Präsenz weiter ausbauen wollen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?  

Vor eineinhalb Jahren wünschte ich mir, dass die Unternehmen ihre Berührungsängste ablegen und sich stärker mit Conversational AI auseinandersetzen. Das ist nun eingetreten. Somit steigere ich nun meinen Wunsch dahingehend, dass Unternehmen und auch öffentliche Dienstleister das Thema stark in ihre Strategie einbinden und sich eine klare Conversational AI Roadmap zurechtlegen, welche dann auch umgesetzt wird. Ausserdem würde ich mir wünschen, dass es zu einer Konsolidierung der Anbieter kommt. Mittlerweile gibt es unzählige Unternehmen, die auch ein Stück vom Kuchen haben wollen und Lösungen anbieten, die zusammengewürfelt auf verschiedensten Technologien basieren. Auf diese Weise können sie nicht die Qualität erreichen, die homogene Anbieter bieten. Dies kann zu einem «falschen» ersten Eindruck mit der Technologie führen.


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