Stephan Schürer, Gründer und CEO Fanpictor, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Schürer, was bedeutet der Begriff «Fan Engagement » für Sie persönlich?
Stephan Schürer: Seit meiner Jugend fasziniert mich der Sport, egal ob als Hobbysportler oder Fan verschiedenster Sportarten. Für mich ist Fan Engagement ein ganz weiter Begriff, der dieses Interesse und Leidenschaft für den Sport mit allen Infos und Hintergründen umfasst. Im heutigen digitalen Zeitalter geht es einen Schritt weiter und Fan Engagement zeichnet sich auch durch Fans aus, welche die neuen Medien als Sprachrohr nutzen um ihrer Leidenschaft für den Sport Gehör zu schaffen.
Vor gut zwei Jahren ist Fanpictor in Übersee mit einer Fan-Choreographie vor über 100’000 Zuschauern in Michigan gestartet. Wo sind Sie seither mehr anzutreffen, in den USA oder in Zürich?
Die Jahre 2016 und 2017 hat sich der Lebensmittelpunkt zwischen New York und Zürich immer abgewechselt. Zum Glück hat mich meine Familie auf diesem Abenteuer begleitet und mit grösster Flexibilität beim Aufbau der Niederlassung in USA unterstützt. Seit Mitte 2017 hat sich der private Lebensmittelpunkt wieder in die Schweiz zurückverlagert.
Mit dem Eishockey-Team Dallas Stars oder den NFL-Clubs Detroit Lions und Carolina Panthers haben Sie in den USA in den letzten Monaten namhafte Kunden gewonnen. Wie läuft das Geschäft im weltweit wichtigsten Sportmarkt für Fanpictor?
Bei der Gründung von Fanpictor im Jahr 2012 hatte ich bereits das Ziel, irgendwann den amerikanischen Sportmarkt mit unseren Lösungen zu erschliessen. Kontinuierlich baute ich mir ein Netzwerk auf mit regelmässigen Besuchen seit 2013. Von diesem Zeitpunkt dauerte es jedoch noch 4 Jahre bis wir einen Proof-of-Concept der Technologie erzielen konnten sowie auf offene Ohren stiessen, dass unsere Innovationen im Bereich Fan-Aktivierung über Smartphones weltweit führend sind. Durch den Gewinn dieser namhaften Kunden mit dem Startschuss des NHL All-Star Games in Los Angeles konnten wir Momentum aufbauen und profitieren von Referenzen für weitere Projekte. Dies ermöglicht uns nun schrittweise das Kundenportfolio auszubauen, weil im Sportgeschäft Vertrauen und Empfehlung der entscheidende Faktor für langjährige Kundenbeziehungen und nachhaltiges Wachstum sind.
«In den USA geht es nicht nur darum, sich über sportliche Resultate/Leistungen zu unterhalten, sondern über Sport als Business und wie sich dieses entwickelt.»
Stephan Schürer, Gründer und CEO Fanpictor
Welche Unterschiede stellen Sie abgesehen von der Grösse zwischen dem US- und dem Schweizer Markt fest?
Sport hat in der amerikanischen Gesellschaft einen anderen Stellenwert als in der Schweiz. Während wir bei uns in der Schweiz sehr vielseitig unterhalten – über Politik, Geschichte, Umwelt, geht beim amerikanischen Smalltalk das Gespräch sehr rasch in Richtung Sport. Da geht es nicht nur darum, sich über sportliche Resultate/Leistungen zu unterhalten, sondern über Sport als Business und wie sich dieses entwickelt. So erkläre ich mir auch, weshalb in USA immer wieder neue Ertragsquellen für Sport gesucht werden und die Monetarisierung mit stetigen Umsatzsteigerungen vorangetrieben wird. Viele Geschäftsleute in den USA sind in der Zwischenzeit Besitzer von Sportteams, wie z.B. Steve Ballmer, Paul Allen, Marc Cuban, Dan Gilbert, Shadid Khan oder Stan Kroenke. Die haben sich dem Sport nicht nur aus Leidenschaft verschrieben, sondern auch um ihr Vermögen zu mehren.
Ganz am Anfang von Fanpictor liefen Choreographien noch in analoger Form ab, jetzt entwickeln Sie technologiegetriebene Lösungen, die Sportteams wie eben die Dallas Stars, Fans und Sponsoren zusammenbringen und sie vor, während und nach dem Spieltag miteinander verbinden. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Bei den Choreographien war unsere Vision, eine neue Sponsoringkategorie zu ‚erfinden’, mit der wir die Zuschauer nicht nur im Stadion sondern auch ausserhalb aktivieren können. Da die Umsetzung von Choreographien nur limitiert skalierbar ist – das spüren sie wenn sie selber das Choreo-Material für 100’000 Zuschauer verteilen – war ich motiviert, eine Software zu entwickeln, die ohne zusätzlichen Hardwarebedarf skalierbar ist. In diesem Zusammenhang hatte ich Glück, über einen Freund an der ETH die ’Daten-über-Audio’-Technologie näher kennenzulernen und einen ’use-case’ für den Sport aufzubauen. Wir lösten ein immer noch bestehendes Problem in Sportstadien mit der limitierten Netzwerkstärke, in dem wir ‚Schall’ zur Datenübertragung nutzen.
Die Koordination von Lichtshows gehört heute auch zum Fanpictor-Angebot. Können Sie uns zum Beispiel anhand der letztjährigen Christmas Light Show von Coca-Cola im Madison Square Garden die Möglichkeiten Ihrer Lösungen aufzeigen? Wie funktioniert das von der technischen Seite her?
Sport- und Musikveranstaltungen kämpfen mit limitierten Budgets. Wir wollten eine technische Lösung anbieten, welche die existierende Infrastruktur nutzt und keine zusätzlichen Investitionen benötigt. Für die Fanpictor-Technologie können wir die bereits bestehenden Lautsprecher Anlagen in Sport und Entertainment Stadien nutzen. Der Vorteil ist, dass die Lautsprecher so installiert sind, dass sie alle Zuschauer in der Arena erreichen müssen. Dies machen wir uns zu Nutzen, indem wir über die Lautsprecher Anlage die ‚Fanpictor-Töne’ ab einem Frequenzbereich von 17.5 kHz abspielen. Diese können in ein existierendes Musikstück, z.B. Christmas Song von Coca-Cola, eingebettet werden. In diesem Frequenzbereich sind die Töne für das menschliche Ohr nicht hörbar, jedoch für das Smartphone über ein aktiviertes Mikrophon schon. Das aktivierte Mikrophon verarbeitet dann das Signal und es entsteht eine Smartphone-Lichtshow. Dies ist auch im Flugmodus des Telefons möglich, da wir die Daten via Sound übertragen. Ganz wichtig zu betonen ist, dass das Mikrophon nur durch proaktives Zustimmen des Fans (bewusster Opt-in) die ‚Fanpictor Töne’ verarbeitet, keine Gespräche aufnimmt und sobald die Show zu Ende ist nicht aktiviert ist.
«Der Schweizer Markt ist ein sehr guter Pulsmesser für den europäischen Markt.»
Wie das Beispiel Coca-Cola zeigt, hat Fanpictor vom Sport aus in andere Branchen expandiert. Können Sie uns einige weitere Beispiele nennen?
Das stimmt, schrittweise fassen wir auch im Entertainment-Markt Fuss und unsere Technologie war beim Basel Tattoo im Einsatz. Vor kurzem haben wir für einen Firmenanlass bei einer grossen Technologie-Firma das Sommerfest begleitet, bei dem unsere ’Sofort-Gewinn-Technologie’ zum Einsatz kam. Für diese Technologie wurde uns im Juni 2018 nun auch ein Patent vom USPTO erteilt. Als nächsten Schritt schauen wir use-cases an, um die Audio-Technologie zum Entwerten von Tickets anzuwenden.
Seit mehreren Jahren ist Fanpictor ja u.a. auf der App des Spengler Cups vertreten. Wie sind die Reaktionen der Fans auf die Möglichkeiten, via App die besten Spieler zu wählen oder mit einem Ratespiel ihr Wissen unter Beweis zu stellen?
Der Schweizer Markt ist ein sehr guter Pulsmesser für den europäischen Markt. Die Reaktionen der Fans fallen sehr ähnlich aus wie in Deutschland oder auch Frankreich und helfen uns damit stark, deren Bedürfnisse besser zu verstehen. Der Spengler Cup ist ein sehr gutes Beispiel, weil es dort sehr vereinfacht gesprochen zwei Fan-Extreme gibt:
- Sport Nerd, der alles über den Sport weiss und am Sportlichen interessiert ist.
- Entertainment Fan, der mit Show-Elementen wie einer Lichtshow oder Pausenspiel unterhalten werden möchte.
Das Ziel ist es, beide Fans zu unterhalten, sei es mit dem Best Player Voting und Quiz, um sein Fachwissen unter Beweis zu stellen oder mit dem Pausenspiel, welches für Unterhaltung sorgt. Ganz wichtig war uns dabei aber nicht nur, den Fan im Stadion abzuholen, sondern auch zu Hause. Und so konnten wir gemeinsam mit dem Spengler Cup und UBS über die letzten Jahre mehr App Nutzer ausserhalb des Stadions auf dieser Plattform aktivieren.
Generieren Sie Ihre Einnahmen vorwiegend aus Lizenzgebühren oder gibt es weitere Modelle?
Über die letzten Jahre hat sich dies stark von Beratungsgebühren zu Lizenzgebühren gewandelt. Dies ist die konsequente Umsetzung unserer Strategie als Software Anbieter im Markt, weil wir den wichtigen Stakeholdern wie Agenturen in diesem Feld eine CMS Software zur Verfügung stellen möchten, mit der sie ihre kreative Arbeit und Kampagnen für ihre Kunden mit grösstmöglichem Erfolg flexibel und in Eigenregie umsetzen können.
Welches sind mögliche nächste Schritte des technologiebasierten Fan Engagements?
Ein grosser Schritt wird das Mobile Ticketing sein. In den USA gibt es bereits Vereine, welche 100% mobile Ticketing umsetzen und damit die Zuschauer bereits auf ihrer Plattform haben. Dies öffnet viele Aktivierungsmöglichkeiten. In Europa wird es noch einige Jahre dauern, bis sich dies durchsetzt. Der zweite Punkt betrifft ’give your fans a voice’. Damit meine ich, dass der heutige Fan mit eingebunden und Teil der Show sein möchte. Die Gewinner in diesem Feld werden Anbieter sein, welche das Stadionerlebnis unvergesslich machen, aber auch Lösungen anbieten für Fans ohne Ticket.
Welches sind Ihre nächsten Ziele mit Fanpictor?
Konsequent den Schritt zum Software-Anbieter umsetzen mit einem Word-Press-artigen CMS-Tool für unsere Kunden. In den USA ist unser Ziel, neben weiteren Team-Kunden auch eine Liga-weite Integration unserer Technologie in die offizielle Liga-App – beispielsweise der NHL oder NFL – zu schaffen.
Herr Schürer, viel Glück und besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Stephan Schürer ist gebürtiger St. Galler und heute Gründer und CEO von Fanpictor.
Berufserfahrung: Boston Consulting Group und UBS Investment Bank
Ausbildung: Master: Banking und Finance, Universität St. Gallen
Studiensemester: University of Bath, ESCP-EAP Paris, AGSM Sydney
Verheiratet mit zwei Kindern