Stephan Weigelt, CEO acrevis Bank AG im Interview

Stephan Weigelt, CEO acrevis Bank AG im Interview
Stephan Weigelt, Vorsitzender der Geschäftsleitung acrevis Bank AG. (Foto: acrevis)

Stephan Weigelt, Vorsitzender der Geschäftsleitung acrevis Bank AG. (Foto: acrevis)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Weigelt, zwei- oder dreijährige Kassenobligationen bringen 0,00% Zins. Wird dieses Produkt überhaupt von einer Person nachgefragt?

Stephan Weigelt: Nein, kaum. In Anbetracht der Negativzinsen wäre es als eine Absicherung gegen allfällige Zinsbelastungen zu verstehen – als Alternative zu Anlagen auf einem Konto mit variablem Zins mit dem Risiko, dass dies dann doch noch mehr kostet als es Ertrag bringt. Wir hoffen ja alle nicht, dass das notwendig wird. Aber ausschliessen kann man eine solche Entwicklung eben doch nicht.

Der SNB-Schocker hat das Zinsdifferenzgeschäft noch einmal unter Druck gesetzt. Wie sehen Sie bei der acrevis da ihre Felle für 2015?

Ja, es ist und bleibt anspruchsvoll. Wir kommunizieren allerdings keine Prognosen. Es kann ja aufgrund der unverändert überdurchschnittlichen Unsicherheiten rasch zu unerwarteten Entwicklungen und Ausschlägen kommen. Am Wichtigsten ist, dass man bestrebt ist, die Risiken in engen Bahnen zu halten – die Ausfallrisiken und die Zinsänderungsrisiken.

«Wir werten den hohen Anteil Kundengelder auch als Vertrauensbeweis, und ja, wir sind sicher auch besonders vorsichtig.»
Stephan Weigelt, Vorsitzender der Geschäftsleitung acrevis Bank AG

Das Verhältnis Ihrer Kundengelder zu den Ausleihungen an Kunden liegt knapp unter 100 Prozent und damit deutlich besser als bei den meisten Regionalbanken. Sind Sie besonders vorsichtig oder was machen Sie anders?

Aufgrund unserer starken Positionierung im Private Banking verwalten wir auch mehr Gelder auf Konti als die typischen Retailbanken. Wir werten den hohen Anteil Kundengelder auch als Vertrauensbeweis, und ja, wir sind sicher auch besonders vorsichtig. Ideal wäre eine Refinanzierung nur über Kundengelder. Aber das ist praktisch unmöglich, und wenn man im Zusammenhang mit dem Zinsrisikomanagement gezielt auch langfristige Gelder aufnehmen möchte, dann sind Pfandbriefgelder schon auch ein gutes Instrument.

Ich nehme nicht an, dass es zwischen Bodensee und Zürichsee zu einer Immobilienblase gekommen ist, allerdings mit einer Ausnahme: Was halten Sie von Pfäffikon-Schwyz?

Ja, in dieser Region gibt es schon Zeichen von Extrementwicklungen. Allerdings haben wir diese Situation schon sehr lange. Diese Region ist und bleibt aufgrund ihrer Nähe zu Zürich und ihrer landschaftlichen  sowie infrastrukturellen Attraktivität immer überdurchschnittlich beliebt. Immerhin sieht man in den gehobenen Segmenten gewisse Korrekturerscheinungen. Verkäufe erfolgen nicht mehr ganz so rasch zu den erstgenannten Höchstpreisen. Teilweise braucht es bereits Geduld oder Flexibilität nach unten. Aber dramatisch ist die Situation überhaupt noch nicht. Ohne die Situation schönzureden, muss man sich aber schon vor Augen halten, dass aufgrund der ausserordentlichen Zinssituation, der Massnahmen der Europäischen und Schweizerischen Nationalbanken und der allgemeinen Aussichten, die Nachfrage nach Immobilien und Aktien grundsätzlich nicht abnimmt – im Gegenteil.

Ist Ihre Filiale in Pfäffikon Ihre wichtigste?

Wir qualifizieren unsere Standorte nicht öffentlich. Alle haben eine wichtige Bedeutung.

Wieviel tragen Ihre Niederlassungen im Kanton Schwyz denn zu Ihrem Vermögensverwaltungsaufkommen bei?

Wir kommunizieren auch keine Details zu den Niederlassungsrechnungen.

Aber die Vermögensverwaltung ist doch sicher in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden. Setzen Sie da nicht neben fachlichen auch regionale Schwerpunkte?

Ja, es ist auf jeden Fall anspruchsvoller geworden, und wir haben an den verschiedenen Standorten auch unterschiedliches Potenzial und somit auch unterschiedliche Ziele. So ist beispielsweise unser Marktanteil im Private Banking in Rapperswil noch nicht so gross wie in der Stadt St. Gallen oder in Gossau, wo wir seit vielen Jahrzehnten präsent sind. Die Niederlassung Rapperswil besteht ja auch noch nicht so lange. Und betreffend Schwyz, weil Sie das explizit ansprechen: In Pfäffikon und Lachen sind wir ebenfalls seit vielen Jahren präsent, und trotzdem haben wir für alle Bereiche unverändert ehrgeizige Ziele gesetzt. Wir wollen unsere Aktivitäten im Firmen- und Privatkunden sowie im Private Banking an allen Standorten kontinuierlich ausbauen. Wenn man einzelne Schwerpunkte zu stark heraushebt, relativiert das andere Ziele. Intern kommunizieren und führen wir natürlich schon pointierter.

«Es ist glücklicherweise immer noch so, dass unsere Kunden (noch) keine Negativzinsen bezahlen müssen.» 

Gibt es in den jetzigen Zeiten der Negativzinsen eine neue Anlagetendenz, also verstärkt raus aus den Oblis, rein in die Aktien?

Gewissermassen schon. Seit längerem werden auch relativ hohe Liquiditätsbestände gehalten. Es ist – wie schon erwähnt – glücklicherweise immer noch so, dass unsere Kunden (noch) keine Negativzinsen bezahlen müssen.  Normale Obligationen sind schon sehr unattraktiv. Für institutionelle Anleger – etwa Pensionskassen – gibt es aber nur in einem gewissen Ausmass Alternativmöglichkeiten. Aufgrund von Anlagevorschriften müssen negative Renditen in Kauf genommen werden. Aus diesem Grund gibt es überhaupt noch immer einen Obligationenmarkt – und auch Neuemissionen mit negativen Renditen.

Ihr Kosten/Einnahmen-Verhältnis liegt mittlerweile sogar unter 60 Prozent. Gehen Sie noch weiter runter?

Wir wollen das mittelfristig selbstverständlich. Aber wir orientieren uns nicht nur an diesem Ziel. Manchmal sind Mehraufwendungen und Investitionen mit Zusatzkosten notwendig, um sich in der Zukunft behaupten zu können. Wenn man in diesem kompetitiven Markt bestehen möchte, kann man nicht nur Kosten reduzieren.

Die Tendenz bei den Banken ist aber eindeutig: Kosten runter, um dem Zinsmargendruck auszuweichen. Gibt es denn keine neuen Geschäftsideen in der Branche?

Wirkliche «neue Geschäftsideen» im Bankgeschäft sind schwer zu finden. Aber man kann die Geschäfte, das heisst die Vermittlung von Kapital, die Finanzierungs- und Anlageberatung und den Zahlungsverkehr, um die konkreten «Bankgeschäfte» aufzuzählen, natürlich unterschiedlich anbieten. Da gibt es viele und grosse Unterschiede.

«Wir kombinieren Tools mit persönlicher, individueller und vor allem auch unabhängiger Beratung. Das macht den Unterschied.»

Aber alle machen in „Elektronik“….

Die elektronischen Möglichkeiten sind das Eine. Die Art und Weise, wie die persönliche Beratung erfolgt, ist eine andere Frage. Es gibt ja inzwischen auch Anbieter, die schwerpunktmässig oder sogar voll und ganz auf die persönliche Beratung im Anlagegeschäft verzichten wollen. Die Bedürfnisanalyse und die Zusammenstellung und das Management des Portefeuilles soll ein IT-Tool übernehmen. Acrevis geht einen anderen Weg. Wir kombinieren Tools mit persönlicher, individueller und vor allem auch unabhängiger Beratung. Das macht den Unterschied. Auch im Hypothekenbereich gibt es reine Onlinelösungen. Aber wir sind auch in diesem Bereich davon überzeugt, dass in aller Regel das persönliche Gespräch, das heisst der Dialog zwischen Menschen, durch die Technik nicht ersetzt werden wird.

Letztes Geschäftsjahr hat acrevis sehr viel mit dem Erstellen von Steuerverzeichnissen verdient. Können die Kunden das nicht gut selber in Ihre Steuererklärung eintragen?

Für viele ist das nicht so einfach. Das Zusammentragen der korrekten Informationen ist nicht nur bei grösseren Anlagen – vor allem wenn in verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Anlageinstrumenten gearbeitet wurde – recht anspruchsvoll.

Gestiegen ist letztes Jahr hingegen der eigene acrevis Steuerbetrag, und zwar von 4 auf 6 Millionen, trotz etwa konstantem Jahresgewinn. Ein einmaliger Ausrutscher?

Ausrutscher ist wohl nicht der richtige Begriff. Aber es waren grössere einmalige Einflussfaktoren die dazu geführt haben. Der Verkauf einer Immobilie aus dem Eigenbestand, der Verkauf von 23 Finanz-Logistik-Aktien an die Alpha RHEINTAL Bank, um die partnerschaftliche Kooperationsverständnis zu unterstreichen und die Schlussrechnung betreffend Integration der Sparkasse Wiesendangen ergeben einen ausserordentlichen Ertrag, der dann zusammen mit dem negativen Steuereffekt beim Abbau von Finanzanlagen zu ausserordentlichen Steuern führt. Auch wenn jedermann natürlich lieber weniger Steuern bezahlt. Die Tatsache, dass man mehr beziehungsweise viel bezahlt, ist aber meistens auch ein Zeichen, dass man Erfolg hatte. Also lieber wieder viel – auch ausserordentlichen – Erfolg, und dann eben auch entsprechend Steuern bezahlen.

Können Sie uns schon etwas mehr zu Ihrem grossen Private Banking Projekt verraten?

Es gibt bekanntermassen sehr unterschiedliche Systeme und Methoden, um Anlagevorschläge zu entwickeln. Weil wir bei acrevis davon überzeugt sind, dass eine einzige Methode der komplexen Fragestellung nicht gerecht wird, beurteilen wir die Märkte konsequent und systematisch aus drei Perspektiven – also dreidimensional. Im Rahmen unserer Anlagepolitik wollen wir allen drei Perspektiven, der fundamentalen und der technischen Analyse sowie der Analyse des Verhaltens der Marktteilnehmer Rechnung tragen, und mit einem neuen Instrument bieten wir unseren Kunden eine bessere Möglichkeit, ihr Risikoprofil zu ermitteln und eine individuelle, praktisch stufenlos skalierbare Anlagestrategie zu wählen; was wohl einzigartig ist. Dies anstelle der heutigen fünf Standardstrategien, die allseits angeboten werden.

Im Kanton Zürich haben Sie nur eine Bank in Wiesendangen. Wäre da nicht eine Expansion lohnend oder haben Sie Angst vor der grossen ZKB?

Nein, wir haben überhaupt keine Angst vor der ZKB. Wir sind es gewohnt, uns in einem Umfeld mit grossen Banken zu behaupten.

Zur Person:
Stephan Weigelt, 1960, wohnhaft in Mörschwil, Vorsitzender der Geschäftsleitung, war seit 1992 Mitglied der Geschäftsleitung der Bank CA St.Gallen AG und von 1998 bis 2011 deren Vorsitzender. Er absolvierte die Swiss Banking School und vertritt die Bank unter anderem in den Verwaltungsräten der Finanz-Logistik AG, St.Gallen (Präsident), und der Schweizerischen Bankiervereinigung, Basel. Im Weiteren ist er Vizepräsident der Gemeinnützigen und Hilfs-Gesellschaft der Stadt St.Gallen sowie Präsident der Blumenau-Léonie Hartmann-Stiftung, St.Gallen, und der E. Fritz und Yvonne Hoffmann-Stiftung, St.Gallen.

Zum Unternehmen:
Als führende Regionalbank zwischen Bodensee und Zürichsee ist  acrevis 2011 aus der Fusion der Bank CA St. Gallen und der swissregiobank entstanden. Die Kernkompetenzen liegen in der Finanzierung privater Immobilien, in der Anlageberatung, in der Vermögensverwaltung sowie im kommerziellen Geschäft mit KMU, Gewerbe und Selbständigerwerbenden. Acrevis beschäftigt an zehn Standorten rund 200 Mitarbeitende und zählt über 10000 regionale Aktionäre. 

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