Stephan Widrig, CEO Allreal, im Interview
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von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Widrig, ein rekordhoher Mietertrag von 221,3 Millionen Franken und eine rekordtiefe Leerstandsquote von 1,6 Prozent, gibt es da überhaupt noch etwas zu verbessern?
Stephan Widrig: Verbessern kann und soll man sich immer. Aber ja, wir sind sehr zufrieden mit dem Resultat für das Geschäftsjahr 2024. Kern der Allreal bildet ein sehr hochwertiges Portfolio an modernen Geschäfts- und Wohnimmobilien an zentralen Lagen in Zürich und Genf. Zudem realisieren wir laufend Entwicklungspotentiale und können dadurch in der Summe eine überdurchschnittliche Rendite und Ausschüttung sicherstellen, dies bei sehr hoher Werthaltigkeit und der tiefsten Leerstandsquote der Branche. Das Portfolio entwickeln wir stetig weiter, so dass die hohe Qualität und Rentabilität auch langfristig erhalten bleibt.
Der direkte Immobilienaufwand nahm in der Berichtsperiode mit 27.2 Millionen Franken sogar um 1,8 Millionen ab. Wie haben Sie das geschafft?
Der Immobilienaufwand ist im Vergleich zum Vorjahr etwas tiefer ausgefallen, bewegt sich aber mit einer Aufwandsquote von 12.3% weiterhin entlang des langjährigen Mittelwerts. Dieser ist in der Tat sehr kompetitiv im Vergleich zu ähnlichen Portfolios. Wir kennen unsere Immobilien sehr gut, machen die Bewirtschaftung, das technische Gebäudemanagement und Unterhaltsinvestitionen selber und stellen so immer das Optimum aus Sicht Eigentümer sicher.
«Wir realisieren laufend Entwicklungspotentiale und können dadurch in der Summe eine überdurchschnittliche Rendite und Ausschüttung sicherstellen, dies bei sehr hoher Werthaltigkeit und der tiefsten Leerstandsquote der Branche.»
Stephan Widrig, CEO Allreal
Rund die Hälfte der Allreal-Liegenschaften hat ein Nachhaltigkeitszertifikat. Ist das Ziel 100%?
Für uns steht nicht das Zertifikat im Mittelpunkt, sondern ein werthaltiges Portfolio. Dazu gehört für uns auch, dass unsere Liegenschaften nachhaltig sind – ökologisch, sozial und ökonomisch. Ein Nachhaltigkeitszertifikat hilft dabei, unsere Bestrebungen sichtbar zu machen und ist deshalb mehr Mittel zum Zweck und nicht das grosse Ziel. Im neuen Jahr werden wir aber weitere Bestandsliegenschaften zertifizieren lassen.
Kostet der Absenkpfad beim CO2 nicht viel Geld?
Die Dekarbonisierung des Portfolios kostet etwas. Wir rechnen bis ins Jahr 2030 mit wertvermehrenden Investitionen in erneuerbare Energieträger und Energieeffizienzmassnahmen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe. Bis dann werden wir den Anteil der fossilen Energieträger im Portfolio halbiert haben.
«Für uns steht nicht das Zertifikat im Mittelpunkt, sondern ein werthaltiges Portfolio. Dazu gehört für uns auch, dass unsere Liegenschaften nachhaltig sind – ökologisch, sozial und ökonomisch.»
Das Neubauquartier Baarermatte wird nach Fertigstellung im Betrieb gar kein Kohlendioxid mehr ausstossen. Wie geht das im Detail?
Die kurze Antwort ist: durch effiziente Baukörper und einen optimierten Fensteranteil. Wir können so die notwendige Energie für den Betrieb auf ein Minimum begrenzen. Die Energie stellen wir durch ein innovatives Fernwärmenetz mit Abwärmenutzung zur Verfügung, zudem werden Photovoltaikanlagen auf den Dächern erstellt. Aber auch in der Erstellung achten wir bereits auf einen tiefen CO2-Verbrauch und können hier ebenfalls einen rekordtiefen Wert vorweisen.
Seit 2021 setzen Sie Ihr Geschäftsmodell auch in der Westschweiz um. Wieso haben Sie sich im letzten Jahr in der Romandie von der Realisation von Drittaufträgen zurückgezogen?
Wir hätten das Volumen in der Westschweiz deutlich erhöhen müssen, um aus dem Drittkundengeschäft einen relevanten Erfolgsbeitrag zu erzielen, bei gleichzeitig steigenden Risiken. Da 2024 unser grösstes Drittprojekt in der Westschweiz – der Genolier Innovation Hub – fertiggestellt wurde, haben wir die Chancen für diese strategische Adjustierung genutzt. Unsere Eigenprojekte in der Westschweiz werden aber auch in Zukunft von einem internen Baumanagementteam begleitet, das über eine hohe Realisationskompetenz verfügt.
In der Westschweiz ist Allreal nur in Genf vertreten. Ist Lausanne weniger interessant?
Nein, auch Lausanne und die Waadt entlang des Genferseebogens ist für uns interessant. Wir verfügen zum Beispiel in Chavannes-près-Renens über ein Entwicklungsareal von über 30 000 Quadratmetern, und auch in Nyon besitzen wir Landreserven, auf denen wir in den nächsten Jahren Projekte entwickeln und realisieren werden.
Wie soll in Zukunft das Verhältnis von Eigen- zu Drittaufträgen bei Allreal aussehen? Etwa 60 zu 40?
Kurzfristig wird der Anteil der Eigenprojekte etwas zulegen, mittel- bis langfristig sollen sich die Aufträge in etwa die Waage halten.
Gibt es in der Schweiz eine weitere Entspannung angebotsseitig bei den Geschäftsliegenschaften?
Wir beobachten bei den Geschäftsflächen einen funktionierenden Markt. In nächster Zeit kommen nur wenige neue Flächen auf den Markt, was für die Angebotsseite sicher gut ist. Um erfolgreich am Markt zu bestehen, sind vor allem zwei Kriterien wichtig: die Lage und die Gebäudequalität. Wir besitzen hochwertige Geschäftsliegenschaften an hervorragend erschlossenen Lagen in den urbanen Zentren der Schweiz. Und beinahe die Hälfte unserer Flächen verfügt über ein Nachhaltigkeitszertifikat. Als Eigentümerin, Entwicklerin und Realisatorin sind wir zudem gut aufgestellt, um die Nachfrage nach flexiblen Grundrissen und Multi-Tenant-Lösungen rasch und unkompliziert aus einer Hand bedienen zu können.
«Wir beobachten bei den Geschäftsflächen einen funktionierenden Markt. In nächster Zeit kommen nur wenige neue Flächen auf den Markt, was für die Angebotsseite sicher gut ist.»
Die Finanzverbindlichkeiten betragen 2,7 Milliarden. Das sind rund die Hälfte Ihres Portfolios (EKQ im Konzern 44,9%). Die Zinsbelastung beträgt nur 1,25% (im Vorjahr waren es 1,3). Wie sehen Sie die mittelfristige Zinslandschaft?
Allreal ist sehr solide finanziert und hat eine breit diversifizierte Finanzierungsstruktur. Das hilft uns, das Fälligkeitsprofil laufend zu optimieren und die richtige Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität zu halten. Die tieferen Zinsen haben der Anlageklasse Immobilien sicher geholfen. Wie sich das Zinsumfeld weiterentwickelt, wissen wir leider nicht, sind aber in jedem Fall auch auf schwierigere Zeiten vorbereitet.