Stephan Grötzinger, Generaldirektor, Touring Club Schweiz (TCS).
Swiss CRM Forum: Welche Besonderheiten bringt Customer Relationship Management (CRM) in einem Club wie dem TCS mit sich?
Stephan Grötzinger: Wir sind primär unseren 1,6 Millionen Mitgliedern mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen verpflichtet. Im Gegensatz zu klassischen Unternehmen kommuniziert ein Club wie der TCS auch mit verschiedenen Stakeholder und daher gibt es nicht nur eine Sicht der Dinge sondern mehrere. Die Informationsbeschaffung, deren Aufbereitung und Verwertung gestaltet sich somit äusserst komplex um nahe an den Kundenbedürfnissen zu sein. Ein CRM spielt dabei eine zentrale Rolle.
«Die digitale Welt wird für uns in den nächsten Jahren ein zentrales Thema sein.» Stephan Grötzinger, Generaldirektor, Touring Club Schweiz (TCS).
Bei 1,6 Millionen Mitgliedern reden wir wirklich über Big Data …
Ja, die Zahl der Mitglieder und ihre unterschiedlichen Interessen stellen grosse Anforderungen an uns und hat sich im Gegensatz zu früher fundamental verändert. Auch die Datenmenge und deren schnelle Verbreitung hat sich komplett gewandelt seit es das Internet gibt. Zusätzlich haben wir die Herausforderung zu meistern, dass wir föderalistisch arbeiten, 24 Sektionen berücksichtigen müssen, die als Point-of-Contact und -Sales zu verstehen sind. Also stellen sich die Fragen: Wie können diese Kontaktstellen eingebunden werden? Welche Rolle übernehmen sie? Welche Instrumente benötigen sie? Wie müssen die Mitarbeiter geschult werden?
Das Thema Cloud ist natürlich in diesem Zusammenhang für uns auch relevant. Wo liegen unsere Daten? Bei uns? Oder werden diese besser outgesourct? Welche Schnittstellen braucht es mit anderen Systemen oder Dienstleistern?
Welchen unterschiedlichen Interessen der Mitglieder versucht der TCS wie gerecht zu werden?
Die Erwartungen der einzelnen Mitglieder sind sehr verschieden. Die Älteren suchen eher Sicherheit, die Jüngeren suchen eher den Spassfaktor und leben im Heute statt im Morgen. Das hat zur Folge, dass die Formulierung eines Angebotes für TCS-Mitglieder sehr komplex ist. Nehmen wir beispielsweise mobile Applikationen. Die Nachfrage nach mobilen Apps variiert sehr stark je nach Zielgruppe. Da das Durchschnittsalter des TCS-Mitglieds 54 Jahren beträgt, ist ein Teil der Mitglieder weniger an mobilen Customer Services interessiert dafür umso mehr am persönlichen Kontakt in einer Geschäfts- oder Kontaktstelle. Andere Mitglieder wiederum sind digital vernetzt und erwarten daher vor allem web-basierte Lösungen und Angebote. Gleichzeitig verändern sich die Ansprüche der Mitglieder mit zunehmendem Alter und hierfür das optimale Angebot aus einer Palette von Hilfeleistungen, Versicherungsleistungen, Beratungen etc. zu finden und diese generationsgerecht zu formulieren ist eine grosse Herausforderung.
Wie wichtig sind digitale und mobile Angebote für den TCS?
Die digitale Welt wird für uns in den nächsten Jahren ein zentrales Thema sein und wir werden unsere digitalen und mobilen Angebote weiter ausbauen müssen. Davon wird auch unser Akquisitionserfolg von Neumitglieder abhängen. Noch ist unsere Mitgliederbasis zu stark auf reifere Generationen ausgerichtet und der Mitgliederzuwachs bei den Jüngeren ist zu gering. Wenn wir mehr jüngere Mitglieder für uns gewinnen wollen, können wir das sicher überwiegend über attraktive digitale und mobile Angebote erreichen. Ein Beispiel dafür wäre eine digitale Plattform „Mitglieder helfen Mitgliedern“, die einen interaktiven Informationsaustausch der Mitglieder ermöglichen könnte. Die Qualität der angebotenen Informationen wird aber ein entscheidender Faktor sein.
Ein zentrales Thema im CRM sind Kundenerlebnisse. Welchen Stellenwert hat Customer Experience Management für Sie?
Die Emotionalisierung gewisser TCS Angebote ist mir sehr wichtig. Bei jedem direktem, also physischen Kontakt mit unseren Mitgliedern muss ein positives Erlebnis entstehen. Wir haben beispielsweise 30 Campings und 2 Hotels, sowie 6 Fahrzentren wo wir verschiedene Fahrtrainings und Events anbieten. Neben den sehr beliebten Fahrsicherheitstrainings und Schleuderkurse müssen wir heute auch überlegen, ob man nicht auch emotionale und erlebnisorientierte Events wie beispielsweise Rockkonzerte oder Oldtimerrennen anbieten sollten. Das würde aus meiner Sicht sicher gut zu einem Club passen, wo Communities sich treffen und sich aufgrund ähnlicher Interessen nahe stehen. Dieses Gefühl lässt sich in einer digitalen Welt weniger gut kreieren.
«Wir adressieren meines Erachtens noch zu wenig andere Themen – wie beispielsweise modale Mobilität oder Car und Parking Space Sharing.»
Obwohl es auch digitale Erlebniswelten wie Community-Plattformen, Chats, Einsatz von Video, Social Media etc. gibt, ist der TCS heute ein doch traditioneller Club mit eher konservativer aber liberaler Grundhaltung. Deswegen ist die Überführung des heutigen Clubs in einen modernen und attraktiven Club eine der grössten Herausforderungen für mich.
Werden sich auch die Themen und Inhalte ändern auf diesem Weg in die Moderne?
Heute stehen noch immer die Assistance-Leistungen im Mittelpunkt, wie die TCS Patrouille und der ETI Reiseschutzbrief aber auch Rechtsschutzversicherungen. Wir adressieren meines Erachtens noch zu wenig andere Themen – wie beispielsweise modale Mobilität oder Car und Parking Space Sharing. Hier geht es letztendlich um die Frage des Eigentums versus Nutzen. Wir gehen meistens davon aus, dass jedes Mitglied ein eigenes Auto hat, doch gerade die jüngere Generation hat ganz andere Werte und Vorstellungen. Sie will mobil sein, natürlich, aber das muss nicht zwingend mit dem eigenen Fahrzeug sein. Mobile Konzepte, die Bus, Bahn, Taxi und eigene Fahrzeuge wie Auto, Motorrad oder Fahrrad integrieren werden in Zukunft wesentlich attraktiver sein. Die Verknüpfung von Reisemöglichkeiten mit Kundennutzen und optimierten Kosten werden die moderne Mobilität definieren und nicht mehr das Eigentum alleine.
Nicht nur die Mitglieder sind auf dem Weg in die Moderne. Wie begleiten Sie und Ihre Mitarbeiter den Wandel im Club?
Mir ist wichtig, den TCS als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Wenn sich ein Unternehmen neu positioniert, kommen auch neue Anforderungen die Mitarbeiter zu. Oft benötigt man auch zusätzliche und neue Qualifikationen, die gar nicht so leicht zu finden sind. Wir haben uns vorgenommen unsere Mitarbeiter schrittweise an eine moderne Kundenorientierung mit neuen Instrumenten und einer kreativen Grundhaltung heranzuführen, wo die Führungsverantwortung gross geschrieben wird. Auch als attraktiver Arbeitgeber für neue Mitarbeitern werden wir stärker und besser kommunizieren. Beim TCS tut sich was!
«Die Verknüpfung von Reisemöglichkeiten mit Kundennutzen und optimierten Kosten werden die moderne Mobilität definieren und nicht mehr das Eigentum alleine.»
Wie sieht der Mitarbeiter der Zukunft beim TCS aus?
Das Alter ist grundsätzlich irrelevant, aber Leistungsorientierung, Verantwortung und Geschäftssinn müssen im Zentrum stehen. Erfolgreich arbeiten heisst auch erfolgreiche Mitarbeiter zu haben, die sich jeden Tag leidenschaftlich für die Kunden des TCS einsetzen.