Swiss CRM Forum: Robert Seeger, Agentur für Kommunikationskunst
Robert Seeger, Agentur für Kommunikationskunst.
Swiss CRM Forum: Wo im Unternehmen sind soziale Aktivitäten am besten angesiedelt?
Robert Seeger: Die Behandlung von Kunden in sozialen Netzwerken ist ungleich schlechter als die Behandlung von Kunden am Telefon. Das fängt bereits bei der Verankerung im Unternehmen an. Für die meisten Unternehmen ist klar, dass das Thema Support per Telefon und per eMail ein Kundenservicethema ist, das beim Customer Support angesiedelt ist. Es gibt allerdings nur wenige Unternehmen, die ihre Social Media-Aktivitäten ebenfalls im Kundenservice ansiedeln – wo sie hingehören. Stattdessen laufen die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken oft in den Bereichen Marketing und/oder in der Kommunikation oder sogar im Bereich Human Resources – um beispielsweise geeignete Kandidaten für offene Stellen zu finden. Aber auf diese Weise wird das Thema Kundenbetreuung in sozialen Netzwerken ausgeklammert.
Customer Relationship Management (CRM) in sozialen Netzwerken sollte man aber keinesfalls als Betreuung einer Fan-Club-Seite verstehen, Es handelt sich um eine Business-Maßnahme, die – wenn sie nicht mit dem Fokus auf Kundenservice betrieben wird – leicht zu Prestige und Imageverlust führt.
«Customer Relationship Management (CRM) in sozialen Netzwerken sollte man aber keinesfalls als Betreuung einer Fan-Club-Seite verstehen.»
Robert Seeger, Agentur für Kommunikationskunst
Es ist schade, wenn der Wert von Social Media-Aktivitäten unterschätzt wird. Viele Unternehmen siedeln diese Aktivitäten im Marketing an und begründen dies mit der Aussage: „So wichtig ist das Thema nun auch wieder nicht!“ Daher setzen sie dann gerne sehr junge Mitarbeiter auf diese Themen an, die viele Facebook-Freunde haben, sich zwar mit diesen Medien auskennen und lustige Ideen, aber nicht die Kompetenz haben, die es braucht, um Communities im Sinne des Unternehmens zu führen oder Kundenanfragen selbstständig gut zu beantworten. Eben weil sie sich im eigentlichen Business des Anbieters meist gar nicht auskennen – was man ihnen nicht zum Vorwurf machen kann.
In Wirklichkeit ist es so: Die ersten, die einem Unternehmen in sozialen Netzwerken folgen, sind Mitarbeiter und treue Kunden, die öffentlich bekennen: „Mir gefällt dieses Unternehmen!“ Und da gehört ja schon viel dazu. Dieses Vertrauen sollten Unternehmen wertschätzen und mit gutem Service honorieren.
Lässt sich der Wert von Social Media-Aktivitäten beziffern?
Aber ja! Der österreichische Mobilfunkanbieter A1 Telekom Austria, Marktführer in Mobil- und Festnetztelefonie, hat seinen Kundenservice auf seinen Social Media-Präsenzen verankert – mit einem finanziell messbaren und damit nachvollziehbaren Return on Invest für das Unternehmen. So erspart sich A1 allein durch seine Facebook-Präsenz 16.000 Serviceanfragen pro Monat. Das lässt sich ganz leicht in Zahlen ausdrücken: Eine Kundenanfrage an ein Call Center kostet das Unternehmen etwa 1,50 Euro; ergibt also eine Einsparung von rund 24.000 Euro pro Monat oder 288.000 Euro pro Jahr.
«Im weltweiten Innovationsindex aller Branchen stehen Versicherungen auf dem vorletzten Platz. Dahinter kommt nur noch die katholische Kirche.»
Das funktioniert wie folgt: A1 hat ein Community-System aufgesetzt, in dem User anderen Usern helfen. Diese sammeln damit Punkte, die ihren Kundenkonten gutgeschrieben werden. Der Kunde ist damit Teil des Kundensupportteams.
Kundensupport via Social Media – ist das in allen Branchen darstellbar?
Grundsätzlich ja, aber in verschiedenen Ausprägungen. Marken im Top Consumer-Good- Bereich wie beispielsweise Harley Davidson oder Red Bull benötigen in dem Sinne keinen Support. Schwierig ist es auch dann, wenn das Geschäftsmodell ganz wesentlich von Risikovermeidung geprägt ist, wie zum Beispiel bei den Versicherungen. Im weltweiten Innovationsindex aller Branchen stehen Versicherungen auf dem vorletzten Platz. Dahinter kommt nur noch die katholische Kirche. Für Versicherungen ist das Reagieren in Echtzeit in einem Social Media-Kanal sehr schwer, weil solche Aktionen völlig konträr zum eigenen Geschäftsmodell laufen.
Viele Unternehmen fürchten einen Shitstorm so sehr, dass sie lieber von Aktivitäten in sozialen Netzwerken absehen …
Ja, aber das ist nicht zielführend. Gegnerschaft, die sich in einem Shitstorm aufbaut, erzeugt auf der anderen Seite Gemeinschaft, schweißt die loyalen Kunden und Follower noch enger zusammen – für das Unternehmen und gegen die Gruppe der Shitstormer. Die sind übrigens meistens in der Minderheit. Das überlebt man schon als Unternehmen – und unter dem Strich kann einem als Unternehmer doch nichts Besseres passieren, als wenn die Leute über einen reden.
Stichwort: Collaboration. Und was, wenn Blödsinn dabei heraus kommt?
Die Einbeziehung von Kunden ist gut, allerdings machen viele Firmen dabei den Fehler, einen Open Innovation-Ansatz zu fahren. Sie stellen dem Kunden eine offene Frage zu einem Produkt oder einer Dienstleistung: „Was hättest Du gerne, lieber Kunde?“ So gerät man schnell in ein echtes Dilemma. Würde beispielsweise ein Telekommunikationsanbieter ein Open Innovation Forum anbieten und Kunden fragen „Was hätten Sie gerne?“, dann würden wahrscheinlich 95 Prozent der Teilnehmer antworten, dass sie gerne das neueste Smartphone zu einem Euro hätten und als Tarif 1 Euro pro Monat.
«Innovation gemeinsam mit dem Kunden macht nur dort Sinn, wo man ihn auch führt und gezielte Fragestellungen beantworten lässt.»
Innovation gemeinsam mit dem Kunden macht nur dort Sinn, wo man ihn auch führt und gezielte Fragestellungen beantworten lässt. Sonst kommt nichts heraus oder das Ergebnis ist, dass der Kunde frustriert ist, weil seine Wünsche nicht erfüllt werden können. Es gibt immer wieder Leute, die echten Open Space für spaßige Vorschläge nutzen. Das muss man sich im Vorfeld überlegen. Auch hier ein Beispiel. Die Regionalverwaltung Bratislava hat Anfang 2012 in einer Internet-Umfrage den Namen für eine neue Brücke zwischen Österreich und der Slowakei gesucht. Einige Nutzer regten scherzhaft den US-amerikanischen Action-Darsteller Chuck Norris als Namensgeber an. Ergebnis: Binnen weniger Tage waren 89 Prozent der rund 30.000 Teilnehmer für die „Chuck-Norris-Brücke“. Demokratie in Reinkultur. Was ist dann passiert? Die Umfrage wurde als „nicht ernst gemeint“ deklariert – und die neue Verbindung heißt nun „Friedensbrücke“.
Aber Unternehmen brauchen heute doch schon Fans?
Ja, es gibt aber mehrere Aspekte. In der ursprünglichen semantischen Bedeutung ist ein Fan ein begeisterter Kunde. Jemand also, der aktiv weiter empfiehlt, der vielleicht sogar öffentlich Merchandising-Produkte trägt, der seiner Begeisterung auch in seinem Facebook-Auftritt Luft macht. Oft wird heute aber die Anzahl von Fans mit der Zahl der Likes auf Facebook verwechselt. Das eine hat mit dem anderen nicht zwingend etwas zu tun. Wenn zum Beispiel eine deutschsprachige und nur in Österreich erscheinende Zeitung viele „Likes“ aus Russland und Bangladesch erhält (das lässt sich heute alles genau analysieren), dann sagt das über die Qualität der mit „Like“ bewerteten Produkte oder des Kundenservices eines Unternehmens wenig aus …
«Social Media-Aktivitäten sollten messbar sein und ihr Nutzen visualisiert und beziffert werden können.»
Was bewegen Fans?
Fans machen Servicequalität sichtbar – gute und schlechte! Der Effekt, den ich mit einem guten Kundenservice erreiche, ist in sozialen Netzwerken sogar viel höher, weil dieser gute Service geteilt wird. Guter Service am Telefon ist zunächst einmal nur im persönlichen Gespräch erfahrbar. Es sei denn, der Kunde teilt seine Begeisterung im Anschluss in sozialen Netzwerken. Umgekehrt wird natürlich auch schlechter Service sichtbar – auch schlechter Service am Telefon sofern sich der Betreffende so ärgert, dass er seine Negativerfahrung ebenfalls in sozialen Netzwerken teilt.
Wenn eine gepostete Fan-Meinung stimmt, pflichtet ihm die Community bei; wenn nicht, spricht sie dagegen. Insofern sind diese Kanäle in jedem Fall ein Verstärker.
Was 2013 wichtig ist:
1. Content
Social Media-Kanäle müssen mit originärem Content bestückt werden. Der gemeinsame Nenner aller Social Media-Kanäle ist: Content. Ganz oft setzen heute Unternehmen immer noch «Abfallprodukte“ in ihre Social Media-Präsenzen. „Da haben wir noch etwas und das setzen wir dann da auch noch rein“. Alternativ: „Was auf der Webseite steht, setze ich auch auf Facebook.“ Das ist ein großer Denkfehler. Wer das nicht ändert, wird in sozialen Netzwerken scheitern.
2. Business Modell
Unternehmen müssen heute beginnen, aus Social Media-Kanälen echte Conversions zu ziehen. Denn irgendwann muss sich das Engagement auf diesen Kanälen rechnen. Unternehmen müssen verstehen, dass ihnen 5.000, 10.000 oder 15.000 Fans alleine nichts nutzen. Es geht darum, diese Fans zu analysieren und in die firmeneigene CRM-Lösung zu überführen und mit ihnen New Business zu generieren oder up-selling zu realisieren. Erst dann macht das Engagement wirklich Sinn.
3. Kundenservice
Social Media-Aktivitäten sollten messbar sein und ihr Nutzen visualisiert und beziffert werden können – zum Beispiel gemessen am Einsparpotenzial im Kundenservice via Call Center und eMail.