von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Bucher, der Verkauf des ALPIQ-Industriegeschäfts an den französischen Grosskonzern Bouyges hat viele überrascht. Die Zahl der weltweiten Mitarbeitenden schrumpft von 8795 per Ende 2017 auf nur noch 1504. Braucht denn ALPIQ bei einer EKQ von rund 40% so viel Geld?
Thomas Bucher: Aufgrund der herausfordernden Situation der Schweizer Stromproduktion am freien Markt hatten in den vergangenen Jahren die Kapitalmarktfähigkeit und damit die Reduzierung der Nettoverschuldung oberste Priorität. Seit 2012 haben wir den Schuldenberg von über 4 Milliarden Franken drastisch abgetragen. Mit den durch die Devestition der InTec und Kraftanlagen-Gruppe zufliessenden Mitteln wird Alpiq netto schuldenfrei sein.
Seit Frühjahr letzten Jahres haben die internationalen Strommarktpreise, allerdings auf tiefem Niveau, Boden gefunden. Ist damit die Gefahr eines „Stromgroundings“ in der Schweiz vom Tisch?
Ein Stromgrounding war für Alpiq nie ein Thema.
Alpiq beschwert sich über die ungleichen Spiesse im Schweizer Strommarkt. Ab 1.1.2018 gibt es doch auch für Grosswasserkraftanlagen Investitionsbeiträge und eine Marktprämie. Ist das nicht genügend?
Die Politik hat anerkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Die Marktprämie wird eine gewisse Entlastung bringen. Diese beiden Massnahmen reichen jedoch nicht aus, um die Schweizer Wasserkraft nachhaltig im Markt zu betreiben. In der Schweiz ist der Strommarkt nach wie vor zweigeteilt: Stromproduzenten mit gebundenen Endkunden setzen ihren Strom gewinnbringend im Monopol ab. Reine Stromproduzenten, die wie Alpiq im Markt agieren, müssen hingegen ihren Strom zu Grosshandelspreisen unter Gestehungskosten mit einem Defizit absetzen, obwohl beide Produzenten am genau gleichen Kraftwerkspark beteiligt sind. Das ist eine massive Wettbewerbsverzerrung.
«Diese Massnahmen reichen jedoch nicht aus, um die Schweizer Wasserkraft nachhaltig im Markt zu betreiben.»
Thomas Bucher, CFO Alpiq
Wäre ein Markt für die Bereitstellung von Stromkapazität die Lösung?
Nein. Die Schweiz hat keinen Kapazitätsmangel, es hat genügend installierte Leistung. Es braucht nun eine vollständige Marktliberalisierung und ein Marktmodell für die gesamte Wasserkraft. Es geht darum, die Rahmenbedingungen dahingehend anzupassen, so dass die saubere, CO2-freie Schweizer Wasserkraft wirtschaftlich betrieben und vermarktet werden kann.
Wie weit hilft der gut zehnprozentige Anstieg des Euro seit Sommer ihrem Geschäft?
Alpiq sichert Energie und Währung durchschnittlich rollierend zwei bis drei Jahre im Vorfeld ab. Den Euro-Anstieg werden wir deshalb entsprechend zeitverzögert als positiven Effekt verspüren.
Durch den Zukauf der britischen Lundy Projects wurde Alpiq gerade erst die Nummer eins in der Fahrleitungstechnik in Europa. Der öffentliche Verkehr soll ja – nicht nur in der Schweiz – in den nächsten Jahrzehnten gigantisch wachsen. Ist das nicht schade?
Lundy wird als Teil der InTec Gruppe zur neuen Eigentümerin Bouygues übergehen. Alpiq fokussiert sich auf ihr Kerngeschäft mit der Stromproduktion in der Schweiz sowie auf die internationalen Aktivitäten, welche den flexiblen, diversifizierten Kraftwerkspark, die neuen erneuerbaren Energien sowie die starke Marktpräsenz im Energiehandel umfassen. Dabei legen wir ein spezielles Augenmerk auf die Digitalisierung. Wir setzen auf unser Kerngeschäft und die Digitalisierung mittels künstlicher Intelligenz, um so unser eigenes Kerngeschäft noch effizienter aufzustellen.
«Wir setzen auf unser Kerngeschäft und die Digitalisierung mittels künstlicher Intelligenz, um so unser eigenes Kerngeschäft noch effizienter aufzustellen.»
In Rumänien wird eine Steuerforderung von 194 Mio. CHF erhoben, die von Alpiq angefochten wird, was nun gerichtlich geklärt wird. Alpiq hat in den letzten Jahren stark nach Osteuropa expandiert. Wie gross ist dort die Rechtssicherheit?
Die osteuropäischen Staaten sind Teil der EU. Alpiq ist in Osteuropa ein starker Player im Bereich des Energiehandels. Diese Position haben wir in den letzten Jahren gezielt ausgebaut. Im Geschäftsjahr 2017 übertraf das Ergebnis des Geschäftsbereichs Digital & Commerce das Vorjahr, ein Treiber hierfür war die erfolgreiche Nutzung von Preisvolatilitäten in Osteuropa. Die strategische Bedeutung der Region ist gegeben.
Trotz Schuldenabbau fiel der EBITDA von ALPIQ von 325 auf 245 Millionen. Bei allen Anstrengungen der letzten Jahre lässt das nur den Schluss zu, dass in Zukunft alles bei ALPIQ von anziehenden Strompreisen abhängt…
Den Strompreisen sind wir schon heute ausgesetzt. Wir gehen von einer mittel- bis langfristigen Erholung der Strom- und CO2-Preise aus.
Macht das Ihr Geschäft nicht auch riskanter?
Alpiq ist gut diversifiziert. Bereits heute liefert das internationale Energiegeschäft mehr als 60 Prozent des Ergebnisses und stützt damit die Schweizer Produktion. Zudem werden wir, wie erwähnt, die Digitalisierung vorantreiben.
Sind EBITDA-Margen wie in der Vergangenheit von acht Prozent einmal wieder möglich?
Zur Entwicklung von Margen geben wir keine Prognosen ab.
Welchen EBIT-Beitrag wird der Einstieg ins Power-to-Gas-Geschäft leisten?
Die Power-to-Gas-Technologie ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Dekarbonisierung der Gesellschaft zu sehen. Das heisst, dass insgesamt vermehrt energieeffizientere Lösungen benötigt werden. In diesem Zusammenhang entstehen auch neue, sektorenübergreifende Industriekooperationen und Geschäftsopportunitäten.
Das Fälligkeitsprofil für die nächsten zehn Jahre ist harmlos. Sind die Ratings mit BBB- für Alpiq nicht eindeutig viel zu streng, und wie lange brauchen eigentlich die Rating-Agenturen, bis sie reagieren?
Den Fälligkeiten von Alpiq steht eine solide Liquidität gegenüber. Das langfristig gestaffelte Fälligkeitsprofil ist ohne signifikante Spitzen und ein weiterer kontinuierlicher Abbau der Fremdverschuldung ist absehbar. Alpiq ist jetzt fit für die Zukunft.
Zum Gesprächspartner:
Der Schweizer Thomas Bucher ist seit 2015 Mitglied der Alpiq-Geschäftsleitung. In gleicher Funktion war er von 2008 – 2014 bei der Gategroup AG tätig. Von1992 – 2008 hielt er verschiedene Tätigkeiten bei Ciba-Geigy Switzerland/South Africa und Ciba Speciality Chemicals inne. Thomas Bucher hat einen Master of Arts in Wirtschaftswissenschaften der Universität St. Gallen und ein International Executive Program des INSEAD in Fontainebleau und Singapur absolviert. Weitere Tätigkeiten in Aufsichtsgremien: VR-Mitglied Alpiq InTec Management AG, Zürich; Grande Dixence SA, Sion; Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG; Kernkraftwerk Leibstadt AG; Tareno AG, Basel. Thomas Bucher ist Aufsichtsratsvorsitzender der Kraftanlagen München GmbH und Vorstandsmitglied der Solothurner Handelskammer.