Thomas Kern, CEO Flughafen Zürich AG.
Von Robert Jakob
Moneycab: Herrn Kern, die wenigsten Leute wissen, dass der Flughafen Zürich noch zehn weitere Flughäfen in Indien und Lateinamerika betreibt. Wo werden sie in den nächsten Jahren stärker wachsten, daheim oder auswärts?
Thomas Kern: Wahrscheinlich auswärts – allerdings vorerst auf tiefem Niveau. Die internationalen Engagements sind Teil der Wachstumsstrategie der Flughafen Zürich AG. Die Ausprägung des Wachstums ist jedoch sehr stark davon abhängig welche strategiekonformen Projekte international für einen Operations & Management Vertrag zur Disposition stehen. Weder auf die Regierungen und deren Fahrplan für Privatisierungen oder Konzessionsvergaben noch auf unsere Mitbewerber und deren aggressives Vorgehen haben wir direkten Einfluss. Der Anteil des internationalen Geschäfts am Gesamtumsatz wird wahrscheinlich künftig grösser werden. Aber die Nachfrage nach Mobilität hier in Zürich wird ebenfalls weiter wachsen, und der Flughafen Zürich wird heute und auch morgen den weitaus grössten Teil zum Umsatz beitragen.
«Der Flughafen Zürich ist ein wichtiger Wirtschaftmotor, nicht nur für den Standortkanton Zürich, sondern für die ganze Schweiz. Die politischen Rahmenbedingungen für den Flugbetrieb sind im Vergleich mit ähnlichen Flughäfen in Europa sehr einengend.» Thomas Kern, CEO Flughafen Zürich AG
Rund 60% des Umsatzes werden im Luftfahrtgeschäft erzielt, der Rest entfällt auf Mieteinnahmen, das kommerzielle Geschäft und Parkgebühren. Deshalb ist Flughafen Zürich eigentlich eine Immobiliengesellschaft. Mit dem Entwicklungsprojekt «The Circle», einem gemischten Immobilienkomplex in der Nähe des Flughafens, wird der Anteil Mieteinnahmen an Ihrem Umsatz sicher noch steigen. Wie werden Sie die Milliardeninvestition finanzieren?
Es ist geplant, eine Projektgesellschaft zu gründen, an welcher sich die Flughafen Zürich AG beteiligen wird. Wir rechnen heute damit, dass die Flughafen Zürich AG – nicht zuletzt wegen der für den Flughafen Zürich wichtigen strategischen Lage des „The Circle“ – zusätzlich zum Land auch noch eigene Mittel einbringen wird.
Gibt es bereits erste Mietinteressenten?
Die Gespräche mit einzelnen Ankermietern verschiedener Module sind bereits weit fortgeschritten.
The Circle soll ja eine extrem breite Nutzerschicht ansprechen. Wird dieses Projekt auch zu einer Aufwertung flughafennaher Wohnzonen führen?
Davon bin ich überzeugt. Die Entwicklung der flughafennahen Wohnzonen ist im Gesamtkontext der Entwicklung der Region und der wirtschaftlichen Prosperität zu betrachten. So trägt sowohl die Erschliessung durch die Glattalbahn als auch später „The Circle“ sicher seinen Teil zu dieser Gesamtentwicklung der Region bei.
Welchen Anteil werden in Zukunft Mieteinnahmen am Gesamtgeschäft der Flughafen Zürich AG haben?
Heute machen die fixen und variablen Miteinnahmen rund 25 % des gesamten Umsatzes der Flughafen Zürich AG aus. Inklusive „The Circle“ würde dieser Anteil sicherlich steigen.
Wünschten Sie sich gerne einen höheren Streubesitz als die jetzt gut 50%?
Nein – wir sind mit unserem Aktionariat zufrieden. Der Kanton Zürich wird gemäss kantonalem Flughafengesetz immer mindestens einen Drittel plus eine der Aktien halten. Ähnlich wie Banken oder die Pharmaindustrie ist der Flughafen für die Schweiz systemrelevant. Über 100 000 Menschen leben direkt oder indirekt vom Flughafen.
«Die drei noch im Prozess verbliebenen Varianten lassen ebenfalls ungefähr 350‘000 Flugbewegungen zu, können also die prognostizierte Nachfrage nach Mobilität nicht befriedigen.»
Welche Risiken und Herausforderungen bringt diese Konstellation mit sich?
Der Flughafen Zürich ist ein wichtiger Wirtschaftmotor, nicht nur für den Standortkanton Zürich, sondern für die ganze Schweiz. Die politischen Rahmenbedingungen für den Flugbetrieb sind im Vergleich mit ähnlichen Flughäfen in Europa sehr einengend. Die Herausforderung besteht darin, das Bewusstsein zu wecken, dass der Flughafen Zürich einen vernünftigen Handlungsspielraum braucht, um dieser Rolle auch in Zukunft gerecht zu werden. Da macht mir die bevorstehende Abstimmung zur Behördeninitiative II erheblich Kopfzerbrechen. Sie verlangt nämlich, dass sich der Kanton dafür einsetzt, dass Neubauten oder Ausbauten von Pisten unterbleiben. Das würde die Entwicklung des Schweizer Tors zur Welt negativ beeinflussen und die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses von Gesellschaft und Wirtschaft mittelfristig verunmöglichen.
350 000 Flugbewegungen pro Jahr gelten aber mit dem augenblicklichen Pistensystem als Maximum. Wie könnte ein verändertes Pistensystem aussehen, wenn sich der Flughafen weiter zum europäischen Hub entwickelt?
Der Flughafen Zürich ist seit jeher ein europäischer Flugverkehrsknotenpunkt mit Lokal- und Umsteigeverkehr. Der Rahmen für die künftige Entwicklung des Schweizer Tors zur Welt wird im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt, dem sogenannten SIL, festgelegt. Das Objektblatt für den Flughafen Zürich ist in Bearbeitung. Es wird voraussichtlich im Jahr 2012 vom Bundesrat genehmigt. Die drei noch im Prozess verbliebenen Varianten lassen ebenfalls ungefähr 350‘000 Flugbewegungen zu, können also die prognostizierte Nachfrage nach Mobilität nicht befriedigen. Eine weitere Kapazitätserhöhung wäre dereinst nur mit einer Parallelpiste möglich. Die raumplanerische Sicherung einer Parallelpiste wurde allerdings vom Bund bereits im Jahr 2008 abgelehnt.
Dafür ist die Anbindung an den privaten und öffentlichen Verkehr exzellent. Gibt es da überhaupt noch Verbesserungsmöglichkeiten?
Jede Verbesserung des öffentlichen Verkehrs ist willkommen. Unsere Spezialisten überprüfen zusammen mit unserem Partnern SBB, VBG und ZVV laufend, ob bezüglich Anbindung des Flughafens Zürich noch Optimierungspotenzial besteht.
«Meines Erachtens sind die Flugpreise heutzutage bereits sehr tief und widerspiegeln den Wert der Reise kaum mehr.»
Flugreisen scheinen eine geringe Preiselastizität zu haben. Selbst die Verteuerung der Tickets wegen der hohen Sicherheitsauflagen konnten die Fluglust nicht bremsen. Wie sähe es aber aus, wenn die Steuervergünstigungen auf Kerosin dem Sparzwang zum Opfer fielen?
Meines Erachtens sind die Flugpreise heutzutage bereits sehr tief und widerspiegeln den Wert der Reise kaum mehr. Die Erhöhung der Sicherheitsgebühren, welche Teil der Passagiergebühren für abfliegende Passagiere sind, um durchschnittlich CHF 3 im Jahr 2007 führte sicherlich nicht zu einer erheblichen Verteuerung der Ticketpreise. Welcher Preis für welche Tickets bezahlt werden muss, ist alleinige Sache der Fluggesellschaften.
Der Gesprächspartner:
Thomas Kern (*1953) ist seit Anfang 2008 Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Zürich AG. Der studierte Jurist absolvierte auch einen MBA am renommierten französischen INSEAD. Er war zunächst bei der Interio AG als Expansions- und später Unternehmensleiter tätig. Von 2002 bis 2006 war er CEO der Globus-Gruppe. Kern ist im VR des Schauspielhaus Zürich und der Lorze AG sowie im Stiftungsrat des Zoo Zürich. Kern ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine Hobbys sind Sport, Reisen und Fotografieren.
Das Unternehmen:
Die Flughafen Zürich AG betreibt den Flughafen Zürich als gemischtwirtschaftliches börsenkotiertes Unternehmen und Konzessionärin des Bundes. Im Jahr 2010 flogen 22,9 Millionen Passagiere vom Flughafen aus ab. 33.3 Prozent des Aktienpaketes gehören dem Kanton und 5 Prozent der Stadt Zürich. Die Aktien der Gesellschaft sind an der SIX Swiss Exchange kotiert.