Thomas Sandel, CEO Chip-ing GmbH, im Interview
Thomas Sandel, CEO Chip-ing GmbH. (Foto: zvg)
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Sandel, wie oft stehen Sie während einer Runde Golf im Rough oder in einem Waldstück und suchen Ihren Golfball?
Thomas Sandel: Leider komme ich nicht so oft zum Spielen wie ich es mit wünschen würde, daher schwankt mein Handicap zwischen 18 und 24. So kommt es halt auch häufiger vor, dass ich meinen Ball beim Abschlag nicht in der Mitte des Fairways platziere, sondern ihn oft im Rough oder bei den Büschen suchen muss. Dies passiert mir und den meisten Durchschnittsspielern gut 20-30 mal pro Runde, wobei die meisten Bälle ja wiedergefunden werden. Allerdings verliere ich auch gern mal 4-5 Bälle pro Runde.
Mit den langen Suchaktionen nach Golfbällen soll nun Schluss sein. Sie haben zusammen mit Ihrem Team den «Never Lost»-Golfball entwickelt, der sich dank Bluetooth-Technologie mit Smartphone und App wieder finden lässt. Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich glaube jeder Golfspieler hat sich schon geärgert, dass er einen Ball nicht mehr gefunden hat, den er «todsicher» gewähnt hat und für immer unauffindbar blieb. Das sind die Momente wo man sich denkt «Wir leben im 21. Jahrhundert, da muss es doch eine Möglichkeit geben, einen Golfball zu orten und wiederzufinden». Zudem möchte man ja Freude an der Runde Golf haben und ich persönlich gewinne keine positive Energie beim Bälle suchen und nicht finden.
Wie funktioniert die Technologie des «Never Lost»?
Wir haben uns gesagt, dass die Technologie sehr einfach und intuitiv sein muss und nach Möglichkeit keine zusätzlichen Geräte erfordern darf. Deshalb haben wir uns entschieden, eine Technologie einzusetzen, die erstens weit verbreitet ist (>95% der Spieler haben ein Smartphone mit auf der Runde) und zweitens sehr zuverlässig funktioniert.
Wir verwenden Bluetooth, welches jeder auf seinem Smartphone oder Smartdevice hat und sicherlich schon öfters auf die eine oder andere Art verwendet hat. Wie beim Verbinden mit der Freisprechanlage im Auto funktioniert auch die Verbindung mit dem Golfball. Der Ball wird erkannt, man gibt ihm einen frei wählbaren Namen (z.B. Tiger 1) und wählt ihn für das kommende Spiel aus. Danach bleibt das Smartphone im Golfbag und wird erst wieder hervorgeholt, sollte man den Ball nicht auf Anhieb wiederfinden. Die Suche funktioniert wie bei einem Lawinensuchgerät sehr intuitiv und gibt die Signalstärke und Nähe zum Ball optisch wieder. Nach 1-2maligem Versuchen findet man den Ball in der Regel in weniger als 90 Sekunden.
«Wie beim Verbinden mit der Freisprechanlage im Auto funktioniert auch die Verbindung mit dem Golfball.»
Thomas Sandel, CEO Chip-ing
Trotz dem integrierten Chip haben sich weder Gewicht noch Grösse der Bälle verändert, auch die Geschwindigkeit, die Flugeigenschaften oder die erreichbare Distanz sind nicht beeinträchtigt. Welches waren bei der Entwicklung die grössten Herausforderungen?
Die Entwicklung war natürlich die grösste Herausforderung, denn wir möchten ja nicht ein Spielzeug sondern ein seriöses und professionelles Spielgerät anbieten. Das grösste Geheimnis, um sämtliche Eigenschaften eines professionellen Balls beizubehalten, liegt im präzisen Gewicht und der perfekten Zentrierung des Chips. Dazu kommt natürlich auch die Challenge, die Technologie in eine kleine Kugel mit einem Durchmesser von gerade 43mm einzubringen, die dann Schläge von bis zum 300fachen der Erdbeschleunigung aushalten muss. Wir haben die Elektronik sanft eingebettet und produzieren einen hochqualitativen high-tech 3 oder 4 Layer Ball mit herausragenden Distanz- und Spin-Eigenschaften, der sich gut kontrollieren lässt.
Auf welche Distanz lässt sich ein «Never Lost»-Golfball orten und welche topographischen Verhältnisse können die Auffindbarkeit beeinflussen?
In der Regel weiss der Golfer, in welche Richtung er den Ball geschlagen hat und wo dieser zum Liegen kommt. Meistens sucht man den verlorenen Ball in einer Umgebung von 5-10 Metern. Allerdings passiert es doch oft, dass man den Schlag gänzlich überschätzt und dann 15 Meter und mehr zu weit sucht. Oder der Ball prallt an einem Baum oder Weg ab und spritzt in eine unbekannte Richtung ab. Deshalb haben wir unseren Chip mit einem leistungsstarken Sender ausgestattet, der auf eine Distanz von 100-130 Meter sendet. Man wird allerdings die Sendeleistung in der Such-App einstellen können, so dass man die Lebensdauer der Batterie optimieren kann.
Die Topographie eines Standardgolfplatzes hat praktisch keine Auswirkung auf die Distanz, ausser man spielt den Ball in eine tiefe Schlucht. Einzig Wasser ist der «Feind», aber das gilt natürlich auch für die normalen Bälle.
«Das grösste Geheimnis, um sämtliche Eigenschaften eines professionellen Balls beizubehalten, liegt im präzisen Gewicht und der perfekten Zentrierung des Chips.»
Bei Schlägen über Wasserhindernisse empfiehlt es sich aber doch, einen normalen Golfball zu verwenden, richtig?
Es gibt hierzu zwei Meinungen. Wenn man sich golferisch weiterentwickeln will, so sollte man immer mit den gleichen Bällen spielen. Man gewöhnt sich an ihre Eigenschaften und bringt eine Konstante ins Spiel, womit man über kurz oder lang sein Handicap verbessern wird. Andererseits verstehe ich natürlich auch die Bedenken der Leute, die einen relativ kostspieligen Ball nicht versenken wollen. In diesen Fällen empfehle ich tatsächlich wie vorgeschlagen einen normalen Ball zu wählen.
Bei bis zu 80 Millionen Golfspielern weltweit und bis zu einer halben Milliarde verlorenen Golfbällen jedes Jahr ist das Marktpotenzial riesig. Heute werden jährlich etwa 1,5 Milliarden Golfbälle hergestellt. Welchen Anteil will sich Chip-ing sichern?
Wir sind Schweizer und tendieren bescheiden aber realistisch zu sein. Wir möchten innert drei Jahren einen Marktanteil von 0,1-0,3% erreichen, was in absoluten Zahlen immer noch Millionen von Bällen bedeutet.
Über Ihre Website lassen sich die «Never Lost»-Golfbälle vorbestellen. Wann rechnen Sie mit der Auslieferung der ersten Generation Ihrer «nieverlorenen» Golfbälle und wie sollen die Bälle anschliessend vertrieben werden?
Wir sind in den letzten Phasen der Entwicklung und stehen jetzt vor den Herausforderungen der Serienproduktion. Wir gehen aber davon aus, dass die ersten Bälle noch diesen Sommer ausgeliefert werden und wir unsere treuen Erstbesteller bedienen können. Zukünftig werden die Bälle natürlich weiterhin über unseren Webshop bestellt werden können sowie über Golf-Reseller sowie die besseren Pro Shops auf den Golfplätzen.
Wo werden die Bälle produziert?
Die Intelligenz des Balls wird vollumfänglich in der Schweiz hergestellt, ebenso die ersten Layers des Golfballs. Für die weitere Ummantelung sowie die Aussenschicht mit den Dimples prüfen wir noch, wo der finale Produktionsprozess stattfinden wird. Uns ist daran gelegen einen soliden, guten und zuverlässigen Herstellungspartner zu haben. Wir sind in Verhandlungen mit zwei grossen Firmen in Taiwan, prüfen aber auch, die Fertigung zu 100% in der Schweiz zu machen und Jobs bei uns zu kreieren.
«Wir stossen jetzt an Grenzen, wo wir Investoren benötigen, die die nötigen Mittel einbringen können, um die weiteren Entwicklungen, Marketing und Produktion zu finanzieren.»
Sie machen sich bereits Gedanken über die nächste Generation. Welche weiteren Entwicklungsschritte sind angedacht?
Der Ideen gibt es viele, aber wichtig ist zuerst einen guten Ball mit den genannten Eigenschaften zu launchen. Für die weiteren Generationen denken wir an Themen wie GPS mit absoluter Position, wieder aufladbare Batterien, Sensorik wie Ballbeschleunigung und Spin-Rate und nach Möglichkeit Flugbahn und Flugzeit sowie Aufzeichnung und Wiedergabe sämtlicher Statistiken.
Chip-ing hat bereits viel Entwicklungsarbeit gekostet. Wie finanziert sich das Projekt bis anhin?
Es wurde in der Tat schon sehr viel Zeit und Geld investiert, um den heutigen Stand zu erreichen. Die bisherigen Investitionen wurden vollumfänglich privat eingebracht. Aber wir stossen jetzt an Grenzen, wo wir Investoren benötigen, die die nötigen Mittel einbringen können, um die weiteren Entwicklungen, Marketing und Produktion zu finanzieren.
Sie waren 25 Jahre in der Finanzbranche tätig und haben sich entschlossen, für Chip-ing eine Auszeit zu nehmen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass daraus mehr als eine Auszeit wird?
Wenn man es aus der beruflichen Sicht anschaut, so ist es tatsächlich richtig, dass ich bisher immer ‚auf der anderen Seite‘ war. Allerdings war ich mehrheitlich im Firmenkunden-Geschäft tätig. Ich habe viele Geschäftskunden betreut und diverseste Businesspläne eingesehen und geprüft. Von dem her ist mir das operative Geschäft nicht fremd. Im Weiteren agierte ich zweimal als Chief Risk Officer einer Schweizer Bank und bin von Natur aus zurückhaltender und überlege mir zweimal, welchen Schritt ich wähle.
Die Golfbranche ist faszinierend und wir glauben mit unserem NEVERLOST den Zeitgeist getroffen zu haben, der das Golfspiel revolutionieren kann. Wir wollen das Spiel nicht nur beschleunigen, sondern auch faszinierender und unterhaltsamer machen. Wir glauben deshalb an die Nachhaltigkeit unserer Idee und dass sie sich durchsetzen wird. Das positive Feedback von Golfern, Golfplätzen und Ballherstellern haben wir schon mal.
Herr Sandel, besten Dank für das Interview.