Tilmann Schultze, CEO DPD Schweiz, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Schultze, die Corona-Pandemie hat dem Onlinehandel hohe Wachstumsraten beschert. Wie stark sind die Volumen bei DPD Schweiz in der Pandemie gestiegen?
Tilmann Schultze: Wir haben bei DPD Schweiz während dem Lockdown im Frühling 2020 täglich durchschnittlich 110’000 Pakete zugestellt, was ein Anstieg von fast 50 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Insgesamt haben wir 2020 einen Anstieg von ca. 35 % Inlandpaketen verzeichnet im Vergleich zu 2019.
Wie hat DPD auf die rasch ansteigenden Sendungsvolumen reagiert?
Wir haben in unseren zwölf Depots Öffnungs- und Verarbeitungszeiten ausgedehnt und den Personalbestand erhöht. Der Zuwachs der Paketvolumen haben wir seit Beginn der Corona-Pandemie durch zusätzliche Zusteller bewältigt: Im Schnitt haben wir die Anzahl der Touren um über 50 % angehoben. So konnten wir das Mehrvolumen auf verschiedene zusätzliche Touren verteilen. Zudem haben wir auf nationalen und internationalen Strecken zusätzliche Kapazitäten eingeplant. Mitarbeitende zeigten grosse Flexibilität und haben sich gegenseitig ausgeholfen. So haben beispielsweise Mitarbeitende aus dem Marketing oder Sales im Kundendienst ausgeholfen.
Ihr Geschäft steht und fällt mit der Logistik resp. deren Digitalisierung. Wo steht DPD Schweiz als Teil der DPD Group in diesem Bereich?
Eine grosse Herausforderung im Paketgeschäft ist die grosse Datenmenge im Verhältnis zu der Zeit, in der die Daten ihren grössten Wert haben: Während der knapp 24 Stunden, in denen das Paket transportiert wird. Da jeder einzelne Datensatz für die Versender und Empfänger relevant ist, können diese Daten zudem nicht als reine Massendaten in einer Statistik gehandhabt werden.
In den vergangenen fünf Jahren haben wir uns bei DPD Schweiz im Rahmen der DPDgroup durch eigene Entwicklungen und Adaptionen von existierenden Lösungen zu einem Vorreiter sowohl in der Geschwindigkeit als auch in der Zuverlässigkeit der Datenverarbeitung etabliert. Da jeder Datensatz einem Kunden oder Empfänger gehört, verwenden wir diese nur sehr eingeschränkt.
«Unsere Priorität liegt derzeit in der Optimierung des letzten Schritts der Lieferkette, der sogenannten «letzten Meile» vom Auslieferungsdepot bis zum Empfänger.»
Tilmann Schultze, CEO DPD Schweiz
Welche Innovationen sind in den nächsten Jahren zu erwarten?
DPD arbeitet eng mit dem Schweizer Startup-Ökosystem zusammen. Dieses konzentriert sich auf Innovationen wie das Internet der Dinge (IoT) zur Verbesserung der Sichtbarkeit in jedem Schritt der Lieferkette, intelligente Strassentechnologien, die einen positiven Wandel hin zur Automatisierung des Zustelldienstes ermöglichen, oder autonome Fahrzeuge zur Steigerung der Effizienz bei der ersten und letzten Meile.
Unsere Priorität liegt derzeit in der Optimierung des letzten Schritts der Lieferkette, der sogenannten «letzten Meile» vom Auslieferungsdepot bis zum Empfänger, die einen grossen Teil der Gesamtkosten für den Warentransport ausmacht und gleichzeitig mit vielen Herausforderungen konfrontiert ist, wie z. B. Verkehrsstaus, CO2-Emissionen in städtischen Gebieten, Anforderungen der Empfänger und staatliche Regulierungen. Die Zustellung auf der letzten Meile ist auch der wichtigste Teil der Logistik, da sie direkt mit der Kundenzufriedenheit zusammenhängt.
Gerade in Zeiten von Homeoffice und teilweisem Lockdown sind die Heimlieferungen durch die Kuriere natürlich das Mass aller Dinge. Glauben Sie, dass dies nach dem Ende Pandemie so bleibt oder dass auf Dauer die Abholung an Pickup-Stationen, wie DPD Schweiz auch 350 betreibt, an Bedeutung gewinnen?
Die repräsentative Studie «E-Shopper Barometer» wird jährlich im Auftrag der DPDgroup durchgeführt. Der E-Shopper Barometer zeigt auf, dass die Schweizer E-Shopper sich ihre Bestellung am liebsten nach Hause liefern lassen. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend weiter anhält. Dennoch stellen unsere DPD Pickup parcelshops eine wichtige Ergänzung unserer Services dar und ermöglichen noch mehr Flexibilität.
Hygiene- und Abstandsregeln haben während der Pandemie die Arbeit Ihrer Belegschaft auch erschwert. Welche Massnahmen mussten getroffen werden?
Neben strikten Hygiene- und Abstandsregeln haben wir die kontaktlose Zustellung ermöglicht. Bei unseren Services mit Unterschrift haben die Empfänger die Möglichkeit, direkt auf dem Paketlabel zu unterschreiben. Somit können wir die Zustellung kontaktlos durchführen und die Empfänger müssen nicht auf dem Scanner unterschreiben. Der Fahrer macht ein Foto, auf dem das Label mit der Unterschrift zu erkennen ist – so können wir den Zustellnachweis weiterhin gewährleisten.
Alle unsere Depots sind mit genügend Desinfektionsmitteln ausgerüstet und es gilt Maskenpflicht, wenn der Abstand von zwei Metern nicht eingehalten werden kann. Mitarbeitende, deren Anwesenheit vor Ort nicht zwingend erforderlich ist, arbeiten seit Beginn der Pandemie im Homeoffice. Dafür wurden auch technische Massnahmen wie das Einrichten eines Arbeitsplatzes für unsere Kundendienstmitarbeiter ergriffen.
Mit Golä überrascht DPD Schweiz Senioren und pflegebedürftige Menschen, es werden Weihnachtsbäume verlost, Severin Lüthi pflanzt Jungpflanzen und neuerdings ist DPD mit einem e-LKW unterwegs. Welches Image wollen Sie der Öffentlichkeit vermitteln?
Nachhaltigkeit ist für uns nicht nur ein Wort, sondern eine Verpflichtung: Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber unserer Erde und unseren Mitmenschen sehr bewusst und nehmen diese aktiv wahr. Wir setzen uns für unsere Umwelt und unsere Gesellschaft ein.
«Wir sind bereit einen Dialog zu führen – das aggressive Verhalten von UNIA werten wir hingegen nicht als Dialog und weisen die Vorwürfe entschieden zurück.»
Nicht nur angesichts der Imagepflege können Ihnen die Schlagzeilen der letzten Wochen über die Arbeitsbedingungen Ihrer Mitarbeitenden nicht gefallen. Da ist von Seiten der Gewerkschaft Unia von «unwürdigen» Zuständen die Rede, von «schamloser Ausbeutung». Was entgegnen Sie dieser Kritik?
UNIA hat uns gegenüber bisher nur pauschale Vorwürfe ohne Evidenz angebracht. Wir können dann reagieren, wenn uns von UNIA konkrete und belegte Sachverhalte vorgelegt werden. Wir sind bereit einen Dialog zu führen – das aggressive Verhalten von UNIA werten wir hingegen nicht als Dialog und weisen die Vorwürfe entschieden zurück.
Unbezahlte Überstunden, schlechte Bezahlung, illegale Lohnabzüge – aus dem Nichts kommen diese Vorwürfe doch nicht…
DPD Schweiz ist dem Branchen-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) KEP&Mail angeschlossen. Die in diesem GAV vereinbarten Bestimmungen und Arbeitsbedingungen, beispielsweise zu den Mindestlöhnen, gelten sowohl für DPD als auch alle Vertragspartner (Subunternehmer) von DPD. Das Arbeitsinspektorat hat Kontrollen bei den Vertragspartnern bezüglich Einhaltung der Arbeitsbedingungen durchgeführt. Mehrere Vertragspartner wurden bereits auditiert und die Resultate der Behörden zeigen, dass die Regeln eingehalten werden.
Ausserdem: Innerhalb von fünf Jahren haben wir DPD Schweiz zu einem Unternehmen gemacht, das von den grössten Schweizer Unternehmen als Premium-Dienstleister anerkannt wird. Diese Qualität kann nur stimmen, wenn die Fahrerinnen und Fahrer zufrieden sind.
Auch die PostCom als Aufsichtsbehörde sieht Handlungsbedarf bei der Erfüllung der Meldepflicht von Logistikunternehmen und der Kontrolle von deren Subunternehmen. Sind Sie in Kontakt mit PostCom, oder aber auch den Gewerkschaften?
Ja, wir stehen in regelmässigem Austausch zur PostCom. Wir sind dem Branchen-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) KEP&Mail unterstellt – Syndicom und Transfair sind unsere Sozialpartner.
Kommen wir zurück zum e-LKW, der seit Mitte März unterwegs ist. Welche CO2-Einsparungen ermöglicht das Fahrzeug und welche Rolle spielt es im Rahmen Ihrer Klimaneutralitäts-Strategie?
Aufgrund seiner Konfiguration kann der e-LKW einen Lastwagen mit Verbrennungsmotor vollumfänglich ersetzen und seinen Dienst ohne Einschränkungen auf allen Linienverkehren ohne Zwischenladung versehen. Der e-LKW soll pro Jahr mindestens 80’000 Kilometer fahren. Dabei spart der e-LKW gegenüber vergleichbaren, dieselbetriebenen Lastwagen rund 90 Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer – das entspricht ca. 72 Tonnen eingespartem CO2 pro Jahr.
Der e-LKW ist ein wichtiger Schritt in unserer Klimaneutralitäts-Strategie. Von den durch den Transport verursachten CO2 Emissionen werden bis zu 50 Prozent durch den LKW-Verkehr zwischen unseren Depots generiert. In der Schweiz halten wir diesen Anteil schon lange so tief wie möglich – zum Beispiel durch den Einsatz von LKW mit den tiefsten Emissionswerten EURO 6. Der e-LKW ist also die konsequente Fortführung dieser Strategie.
«Der e-LKW ist ein wichtiger Schritt in unserer Klimaneutralitäts-Strategie. Von den durch den Transport verursachten CO2 Emissionen werden bis zu 50 Prozent durch den LKW-Verkehr zwischen unseren Depots generiert.»
Der e-LKW ist Teil des «DrivingChange»-Engagements von DPD. Welche Punkte umfasst die nachhaltige Zustellung ausserdem?
Bis Ende 2025 plant die DPDgroup eine Reduktion von 30 Prozent der verkehrsbedingten CO2-Emissionen pro Paket. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, misst sie ihren CO2 Ausstoss, reduziert diesen stetig und kompensiert alle verbleibenden CO2-Emissionen. Bisher konnte die DPDgroup die verkehrsbedingten CO2-Emissionen im Vergleich zu 2013 um 19 Prozent pro Paket reduzieren. In der Schweiz stellen wir Pakete bis 2025 in mindestens sechs Schweizer Städten emissionsfrei zu. Starten werden wir dieses Jahr in Schaffhausen, Zürich, Genf und Basel. Danach folgen Bern und Lausanne.
Des Weiteren haben wir bereits einen Teil des Volumens von der Strasse auf die Schiene verlagert, wobei abhängig von der Paketmenge bis zu zehn Lastwagenfahrten und rund zwei Tonnen CO2 pro Nacht eingespart werden können.
Herr Schultze, besten Dank für das Interview.
One thought on “Tilmann Schultze, CEO DPD Schweiz, im Interview”
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Es ist so peinlich, wie Herr Schultze in jeder Zeitung erneut versucht, die Arbeitsbedingungen der Fahrer schönzureden. Mal abgesehen, dass dies das wohl kleinste Problem ist: Kein einziger Fahrer trägt während dem Beladen der Fahrzeuge eine Maske. 2 Meter Abstand einzuhalten ist unmöglich.
Einfach einmal bei einem Depo vorbeigehen. Dann seht ihr, wann diese Fahrer von ihrer Tour zurückkommen. Arbeitstage von unbezahlten 12 Stunden sind ganz normal und keine Einzelfälle.