Tobias Wolf und Philipp Wustrow, Mitbegründer OnlineDoctor AG, im Interview
Von Karin Bosshard
Moneycab.com: Herr Wustrow, welche konkrete Problemstellung hat Sie vor rund drei Jahren dazu bewogen, ein Startup zu gründen?
Wustrow: Wir stellten fest, dass bei vielen dermatologischen Praxen sehr lange Wartezeiten für einen Termin vorherrschen. Das führte dazu, dass Patienten den Praxen Bilder via WhatsApp oder E-Mail zustellten, mit der Bitte um eine schnelle und digitale Ferndiagnose. Diese Form ging mit diversen Problemstellungen einher: Datenschutz und Datensicherheit, unstrukturierte und fehlerhafte Anfragen, unprofessionelle Dokumentationen, schwierige Abrechnungen – um nur einige Punkte zu nennen.
Herr Wolf, Sie haben reagiert und die OnlineDoctor AG gegründet. Wie funktioniert Ihre Plattform?
Wolf: OnlineDoctor.ch ist die Antwort auf diese Problemstellung. Wir stellen mit OnlineDoctor den Dermatologen ein digitales Tool zur Verfügung, welches ihnen den Arbeitsalltag in der dermatologischen Praxis vereinfacht. Ein Tool mit dem sie Teledermatologie betreiben können. Circa 20 Prozent der in der Schweiz niedergelassenen Dermatologen sind bis dato auf der Plattform, das sind in absoluten Zahlen ausgedrückt über 100 Dermatologen.
Wustrow: Zur Funktionsweise aus Patientenperspektive: Der Patient hat ein Hautproblem. Er geht auf OnlineDoctor.ch, eine web-app. Dort wählt er den Facharzt aus, der die Frage beantworten soll. Der Patient startet die Anfrage und wird weitergeleitet zum interaktiven chatbot, dem ein intelligentes Regelwerk hinterlegt ist. Dort beantwortet er alle Fragen zu seinem Hautproblem. Er macht drei Fotos vom Hautproblem, lädt sie hoch und bezahlt CHF 55. Innert 48 Stunden erhält er vom ausgewählten Hausarzt eine professionell dokumentierte Rückmeldung.
«Circa 20 Prozent der in der Schweiz niedergelassenen Dermatologen sind bis dato auf der Plattform, das sind in absoluten Zahlen ausgedrückt über 100 Dermatologen.»
Tobias Wolf, Mitbegründer/VRP, OnlineDoctor AG
Wer gehört zu den Zielgruppen von OnlineDoctor und wo liegt der Hauptnutzen für diese Zielgruppen?
Wolf: Unsere primäre Zielgruppe sind die Dermatologen, die zweite Zielgruppe sind die Patienten und die dritte Zielgruppe sind die sog. professionellen Anfrager, dazu zählen wir Apotheken und Spitäler ohne eigene dermatologische Klinik. Entlang dieser drei unterschiedlichen Zielgruppen ergeben sich unterschiedliche Vorteile und Nutzerversprechen.
Wustrow: Beim Dermatologen liegt der Hauptvorteil darin, dass wir ihm ein professionelles, datengeschütztes Tool zur Verfügung stellen, welches seine Praxisarbeit erleichtert und ihm die Möglichkeit gibt modere Teledermatologie zu betreiben. Der Hauptnutzen für den Patienten ist, dass er nicht mehr zwei bis vier Monate auf einen Termin warten muss und eine professionelle, strukturierte Handlungsempfehlung innerhalb kürzester Zeit erhält. Er kann auch eine Anfrage machen unabhängig von Ort und Zeit, zum Beispiel wen er in Ferien weilt und ein auffälliges Hautproblem erkennt. Bei Spitälern ohne eigene dermatologische Klinik konnten wir eine massgebliche Prozessoptimierung durch die Digitalisierung des Konsiliararztprinzips erreichen, sprich der niedergelassene Facharzt kann schneller und ohne grossen Aufwand Rückmeldungen an die anfragenden Ärzte übermitteln.
Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Wolf: Telemedizin an sich gibt es schon seit sehr vielen Jahren. Vor allem in Ländern mit grossen Distanzen, wie Australien, Kanada, Russland, wird Telemedizin eingesetzt. Dort spricht man aber primär von Live-Telemedizin. Das kann mit dem Telefon passieren oder per Video. Das Evolutionäre an unserem Ansatz ist, dass wir nicht auf Live-Telemedizin sondern auf sog. asynchrone Telemedizin setzen.
«Beim Dermatologen liegt der Hauptvorteil darin, dass wir ihm ein professionelles, datengeschütztes Tool zur Verfügung stellen, welches seine Praxisarbeit erleichtert und ihm die Möglichkeit gibt modere Teledermatologie zu betreiben.»
Philipp S. F. Wustrow, Mitbegründer/VR, OnlineDoctor AG
Wissen Sie wer Ihre Dienstleistung konkret nachfragt und wenn ja, wer gehört dazu?
Wustrow: Wir analysieren die demografischen Daten sehr genau und wissen deshalb, dass die meisten Anwender altersmässig zwischen 25 und 45 Jahre alt sind. Von den Patientengruppen her betrachtet lässt sich sagen, dass es häufig junge Mütter sind, die bspw. besorgt sind wegen einer Hauterkrankung ihres Kindes sowie Personen aus den Kategorien Business oder Young Professionell, die beruflich sehr stark eingespannt sind. Im B2B-Kontext zählen wir auch Alters- und Pflegeheime zu einer grossen Kundengruppe. Hier startet häufig eine Drittperson eine Anfrage für einen 70ig- oder 80ig-jährigen Patienten.
Adressieren Sie also insbesondere die digitalaffine junge Generation?
Wolf: Unser Anspruch ist von Anfang an gewesen, dass wir auch nicht digitalaffine Leute ansprechen. Wir wollen ein komplexes Thema so einfach wie möglich gestalten. Und wir wollen den Leuten, welche nicht digitalaffin sind, die Möglichkeit geben, OnlineDoctor zu nutzen. Wir verlangen deshalb bewusst auch kein aufwändiges Login für Patienten. Der ganze Prozess soll so einfach wie möglich sein, als würden sie ein WhatsApp schreiben. Somit ist unsere Anwendungen für alle Menschen, egal wie digitalaffin, ansprechend.
«Das Evolutionäre an unserem Ansatz ist, dass wir nicht auf Live-Telemedizin sondern auf sog. asynchrone Telemedizin setzen.»
Wie finden die Patienten zu Ihnen?
Wolf: Das ist ein wichtiger Differenzierungsfaktor für uns als start-up: Viele Dermatologen empfehlen ihren Patienten die Nutzung von OnlineDoctor. Und das können wir nur erreichen, indem wir Dermatologen begeistern in der Nutzung unserer Plattform, und indem wir auf jeder Homepage von jedem Dermatologen der bei uns mitwirkt, eine Integration von OnlineDoctor machen.
Wustrow: Zudem arbeiten wir mit strategischen Partnern zusammen, u.a. auch mit Krankenkassen wie die CSS. Und natürlich bewirbt die CSS unser Angebot gegenüber ihren Kunden. Auch so werden Patienten auf OnlineDoctor aufmerksam.
Was reizt die Dermatologen an dieser Plattform?
Wolf: Sie reizt das Thema Digitalisierung, weil sie merken, dass in der Gesundheitsbranche die Digitalisierung und die digitale Transformation sehr grosse Trends sind. Und sie merken auch, dass sie den Grossteil aller Fälle der digitalen Anfragen auch mit gutem Gewissen beantworten können. Und das ist das Schöne im Bereich der Dermatologie: Dermatologie ist eine Fachrichtung, welche sehr stark auf Oberflächenbetrachtung basiert, dh. Dinge wie bspw. Blut- oder Speichelproben sind für eine Einschätzung der Erkrankung meist nicht notwendig. Und deshalb bietet sich Teledermatologie sehr gut an.
Wustrow: Unsere digital fallabschliessenden Quote liegt bei ca. 80%. Das bedeutet, dass in über 80 Prozent aller Fälle, welche über OnlineDoctor eingereicht worden sind, der Fall digital abgeschlossen werden kann. Dazu hat es keinen physischen Besuch in der Praxis gebraucht.
Nicht selten berichten unsere Dermatologen von sog. Früherkennungsfällen. In solchen Fällen werden bspw. bösartige Muttermale mit Hilfe von OnlineDoctor frühzeitig erkannt. Lange Wartezeiten und der zeitliche Aufwand führen dazu, dass Patienten oftmals auf einen persönlichen Arztbesuch verzichten und Krankheiten verschleppen. Dieser Problematik können wir mit OnlineDoctor entgegenwirken. Dh. wenn ein Dermatologe auf einem eingesandten Bild erkennt, dass etwas kritisch sein könnte, erhält der Patient unter Umständen noch am gleichen Tag oder spätestens einen Tag später einen Termin beim Dermatologen.
Wer zählt zu Ihren Investoren und Vertriebspartnern?
Wolf: Es sind zwei verschiedene Arten von Investoren welche bei uns beteiligt sind: Institutionelle Investoren sowie business angels. Zu den Vertriebspartnern zählen wir Krankenkassen wie die CSS, Apothekenketten und Spitäler ohne eigene Dermatologie.
Sie haben mit OnlineDoctor 24 GmbH nach Deutschland expandiert. Wollen Sie noch weiter expandieren?
Wolf: Eine von drei strategischen Weiterentwicklungen ist die Expansion in neue Länder. Nach Deutschland sollen andere Länder in Europa folgen. Dann gehört es zu unserer Vision, nicht nur eine Anwendung in der Dermatologie zu haben, sondern auch in andere Fachgebiete zu diversifizieren, bspw. in die Augenheilkunde. Und ein dritter sehr relevanter Bereich für uns ist die technologische Weiterentwicklung. Es gibt sehr viele weitere Aspekte welche man in unsere Plattform einbauen könnte, zum Beispiel Bilderkennungssoftware mit Hilfe künstlicher Intelligenz.