von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Strobl, es ist Frühling – die Bienen fliegen wieder. Nun denken wir häufig in erster Linie an Honigbienen, die meisten sind aber Wildbienen. Wo liegen die Unterschiede?
Tom Strobl: Wildbienen zeichnen sich, wie es der Begriff sagt, dadurch aus, dass sie wild leben. Sie sind also nicht domestiziert und werden nicht als Nutztiere von Menschen gehalten, wie dies bei der Honigbiene der Fall ist.
Wie viele Wildbienenarten gibt es und was leisten sie für unser Ökosystem?
In der Schweiz gibt es über 600 verschiedene Wildbienenarten, auf der Welt sogar über 20’000. Unter ihnen gibt es zahlreiche Lebensformen – von solitär lebenden Bienen bis hin zu komplexen sozialen Konstellationen ist alles dabei. Über 80% von unseren Pflanzen sind für ihren Fortbestand auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen, wovon die Bienen den “Löwenanteil” übernehmen. Sie sind daher unverzichtbar für das Gleichgewicht unserer Ökosysteme und damit den Erhalt unserer Biodiversität.
«Wildbienen sind unverzichtbar für das Gleichgewicht unserer Ökosysteme und damit den Erhalt unserer Biodiversität.»
Tom Strobl, Co-Founder Wildbiene und Partner (Beehome)
Das Bienensterben ist wieder etwas aus den Schlagzeilen verschwunden. Wie schlimm ist die Situation Ihrer Einschätzung nach?
Die Situation ist dramatisch. In der Schweiz sind bereits über 10% der Wildbienenarten ausgestorben und aktuell über 40% bedroht. Die Medien haben sich vor allem mit Problemen rund um die Honigbiene beschäftigt, welche mit der Varroa Milbe oder dem plötzlichen Sterben von Honigbienen-Völkern zu tun hatten. Diese Problematik ist immer noch da, aber die Imker haben Wege gefunden, die Varroa Milbe unter Kontrolle zu halten. Dies hat aber nichts mit der Situation der Wildbienen zu tun, welche auf intakte natürliche Ökosysteme angewiesen sind. Diese sind immer noch stark unter Druck und werden laufend kleiner.
Sie liefern Wildbienenhäuschen mit Startpopulationen an private Kunden aus. Wie viele «Beehomes» sind es bis heute?
In den letzten 10 Jahren konnten wir bereits über 100’000 Menschen mit unseren BeeHomes in den Bann der Wildbienen ziehen. Das ist eine unglaubliche Zahl und beweist, dass bei sehr vielen Leuten der Wille da ist, aktiv etwas für unsere Natur zu machen.
Sie haben mit den Bienenhäuschen viele Nachahmer gefunden. Was ist das Besondere an Ihren Beehomes?
Unsere BeeHomes sind von höchster Qualität und werden in lokalen sozialen Werkstätten von Hand angefertigt. Die Röhrchen sind alle sauber geschnitten, hinten verschlossen und gut vor Regen geschützt. Es gibt auf dem Markt leider erstaunlich viele schlechte Nisthilfen, wenn man zum Beispiel die günstigen Häuschen aus dem Discounthandel anschaut. Zudem können wir unseren Kunden mit der Startpopulation immer ein Erfolgserlebnis und faszinierende Erlebnisse bieten.
«Es gibt auf dem Markt leider erstaunlich viele schlechte Nisthilfen, wenn man zum Beispiel die günstigen Häuschen aus dem Discounthandel anschaut.»
Wie viele Wildbienen umfasst die Startpopulation?
Das sind rund 30 Kokons, es ist also nicht zu vergleichen mit einem Honigbienenvolk wo bis zu 50’000 Bienen unterwegs sind. Man wird sich über jeden einzelnen Besucher freuen.
Wie sieht der ideale Standort für ein Beehome aus?
Grundsätzlich haben es Wildbienen gerne warm und sonnig. Ausrichtung Richtung Ost bis Süd und etwas gedeckt ist ideal. Allerdings sind unsere Häuschen so gebaut, dass auch eine andere Exponierung kein Problem ist und die Bienen dann einfach etwas später am Tag aktiv werden.
Im Rahmen der Wildbienen-Pflege können die Innenboxen der Beehomes im Herbst eingesandt werden. Was passiert bei der kostenpflichtigen Pflege und wie viele Besitzer nutzen die Dienstleistung?
Letztes Jahr hatten wir über 17’000 Bienenfreunde, die uns ihr Häuschen zur Pflege eingeschickt haben. Dabei werden die Häuschen analysiert und eine Statistik über die Bewohner geführt, welche danach online eingesehen werden kann. Dort wir dann ersichtlich, wie viele Mauerbienen sich vermehrt oder welche anderen Wildbienenarten sich eingenistet haben. Ebenfalls geben wir Bescheid über den Grad der Parasitierung, denn bei künstlichen Nisthilfen siedeln sich gerne auch Parasiten wie Milben an, welche wir durch die Pflege unter Kontrolle halten und so die Mauerbienen-Population gesund halten.
Lässt sich feststellen, welchen Effekt Sie mit den Beehomes bisher erzielen konnten?
Auf jeden Fall! Vor 10 Jahren, als wir angefangen haben, war das Thema Wildbienen noch sehr exotisch, heute merke ich in täglichen Gesprächen, wie das Thema in grossen Teilen der Bevölkerung angekommen ist. Ich bin überzeugt, dass wir da mit unserer engagierten Community auch einen Grossteil dazu beigetragen haben. Auch dass man Gärten naturnah und insektenfreundlich gestalten möchte, ist ein reales Anliegen geworden. Zudem arbeiten bereits fast 30% der Kirschproduzenten in der Schweiz heute zusätzlich mit Mauerbienen und fördern auch andere Wildbienenarten.
«Vor 10 Jahren, als wir angefangen haben, war das Thema Wildbienen noch sehr exotisch, heute merke ich in täglichen Gesprächen, wie das Thema in grossen Teilen der Bevölkerung angekommen ist.»
Im Zusammenhang mit den Wildbienen setzen Sie sich sehr für Biodiversität ein. So bauen Sie zum Beispiel für die ZKB an deren Standorten Wildbienenparadiese. Gibt es weitere Beispiele?
Seit dem Beginn unserer Tätigkeiten 2013 haben wir Wildbienenparadiese umgesetzt, welche an unterschiedlichsten Lagen entstanden sind – zum Beispiel an verschiedenen Standorten der Migros, der Stadt Zürich, an Schulen, beim Mosterei-Museum von Möhl oder auch im Rockresort in Laax. So sind über die Zeit bereits über 15’000m2 Wildbienenparadiese entstanden.
Wie präsentieren sich diese Lebensräume für die Wildbienen?
Vielseitig und bunt. Denn die über 600 verschiedenen Wildbienenarten haben auch viele verschiedene Anforderungen, damit sie sich wohlfühlen. Es sind strukturreiche Orte mit offenen Böden für bodennistende Arten, Totholz, Steinhaufen, Sandlinsen und vorallem ganz vielen einheimischen Wildstauden und Blumen. Nur wenn für die Bienen das Angebot von Wohnung, Nahrung und “Baumaterialen” vorhanden sind, können sie richtig florieren.
Herr Strobl, besten Dank für das Interview.