Torsten Greiner, CEO Feintool, im Interview

Torsten Greiner, CEO Feintool, im Interview
Feintool-CEO Torsten Greiner. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Greiner, Feintool blickt auf ein schwieriges Geschäftsjahr 2024 zurück. Der Umsatz ging um 15 Prozent zurück und hauptsächlich wegen Restrukturierungskosten resultierte ein Betriebsverlust von 49,3 Mio Franken. Wie schwer wogen die Folgen des nicht in die Gänge kommenden E-Auto-Geschäfts in Europa?

Torsten Greiner: Die Elektrifizierung der Mobilität hat sich aufgrund unsicherer politischer Rahmenbedingungen verlangsamt, insbesondere in Deutschland. Die Folgen waren Überkapazitäten bei einzelnen Herstellern, die in Kombination mit Verschiebungen oder Stornierungen von Aufträgen für Feintool zu signifikanten Umsatzeinbussen in Europa führten. Dazu kommt, dass die Nachfrage nach Elektromotorenkernen für Industrieanwendungen aufgrund der aktuellen Baisse des Sektors auf tiefem Niveau verblieb.

Wir haben deshalb ein nachhaltiges Zukunftskonzept zur Anpassung von Kapazitäten an den Markt in Europa entwickelt. 2024 initiierte Feintool eine Neuaufstellung in den Bereichen Feinschneiden und Umformen sowie Elektroblechstanzen. Dies mit der Priorität, unsere Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, den Technologiewandel aktiv mitzugestalten und parallel dazu Kosten zu senken.

Wenn die EU-Kommission wie angekündigt den Automobilherstellern mehr Zeit einräumen will, um EU-Vorgaben einzuhalten, wird der Durchbruch der Elektroautos wohl noch länger auf sich warten lassen. Welche Auswirkungen hätte das auf Ihr Geschäft?

Auch wenn 2024 das Komponentengeschäft für E-Antriebe in Europa den gesamten Zulieferersektor nicht zufriedenstellen konnte, ist der weltweite Trend zur Elektromobilität ungebrochen. Allerdings vollzieht sich diese Entwicklung insbesondere in Europa langsamer als erwartet – bei weiterhin positiven Wachstumsraten.

Dabei ist wichtig: Feintool ist Technologie-offen positioniert. Wir richten unser Angebot auf die Zukunftsmärkte aus, während wir parallel mit dem angestammten Geschäft die Profitabilität absichern und damit die Wettbewerbsfähigkeit gruppenweit steigern.

«Feintool ist Technologie-offen positioniert. Wir richten unser Angebot auf die Zukunftsmärkte aus, während wir parallel mit dem angestammten Geschäft die Profitabilität absichern.»
Torsten Greiner, CEO Feintool

In den USA hat Feintool einen Rekordumsatz von 194,3 Mio. Franken erreicht und mit dem weitgehend abgeschlossenen Ausbau des Standorts in Nashville stehen zusätzliche Produktionskapazitäten bereit. Wie viel Ungewissheit bringen Donald Trumps Pläne und Verordnungen, um die Elektromobilität in den USA auszubremsen?

Aufgrund der Technologie-offenheit unseres Angebotes schauen wir zuversichtlich in die Zukunft und orientieren uns an den Bedürfnissen des US-Marktes. Wir werden unsere starke strategische Position weiter ausbauen. Feintool betreibt in Nashville und Cincinnati zwei Produktionsstandorte in den USA und bezieht seinen Stahl ebenfalls in den Vereinigten Staaten. Einfuhrzölle betreffen uns deshalb auch nicht direkt.

Den umgekehrten Weg geht China, dem eigentlichen Epizentrum der weltweiten Elektroauto-Produktion. Wie stark profitiert Feintool vom raschen Fortschritt der Elektromobilität in China?

Das Zentrum der globalen Automobilproduktion verlagert sich zunehmend nach Asien und eröffnet gerade auch in China neue Chancen.

Die chinesischen Kunden haben technologisch höchste Anforderungen und erwarten von uns wettbewerbsfähige Preise. Wir gestalten diese Dynamik aktiv mit, denn heute zeigt sich: Wer in China wettbewerbsfähig ist, ist dies weltweit. Es freut uns deshalb besonders, dass wir an unserer Bilanzmedienkonferenz einen neuen Grossauftrag für einen Elektroautoantrieb in China kommunizieren konnten.

Im Gegensatz zu Europa und den USA gewinnt die Wasserstofftechnologie in China an Bedeutung, ein Gebiet, wo sich Feintool schon vor Jahren positioniert hat. Gegen Jahresende 2024 konnte sich Feintool einen Grossserienauftrag zur Produktion von Bipolarplatten sichern. Wie gross ist das Potenzial in diesem Gebiet?

Im Bereich der Wasserstofftechnologie rechnen Analysten mit einem jährlichen Marktwachstum von über 70 % bis 2030. 2024 konnten wir sowohl in China wie auch in Europa Serienaufträge für Komponenten für Brennstoffzellen und Elektrolyseure gewinnen. Ausserdem haben wir an unserem Schweizer Standort in Lyss das Kompetenzzentrum Wasserstoff in Betrieb genommen, um die Innovation entlang den Bedürfnissen unserer Kunden aktiv voranzutreiben.

«2024 haben wir an unserem Schweizer Standort in Lyss das Kompetenzzentrum Wasserstoff in Betrieb genommen, um die Innovation entlang den Bedürfnissen unserer Kunden aktiv voranzutreiben.»

Um die Profitabilität zu verbessern, wurde im Mai 2024 beschlossen, die Serienfertigung von Lyss nach Most in Tschechien zu verlagern. Ausserdem soll die Produktion vom deutschen Standort Sachsenheim nach Tokod in Ungarn verlagert werden. Welches Sparpotenzial haben diese Schritte?

Die erwarteten Kosteneinsparungen belaufen sich nach Umsetzung der geplanten Massnahmen auf 20 bis 25 Mio. Franken pro Jahr.

Welche Rolle spielt für das Schweizer Unternehmen Feintool der Standort Lyss in Zukunft noch?

Lyss ist der Hauptsitz der Feintool International Holding und beheimatet die zwei neu geschaffenen Kompetenzcenter Feinschneiden und Wasserstoff. Der Werkzeugbau für unsere Feinschneidproduktion ist mit seiner geballten Kompetenz ein entscheidender Erfolgsfaktor für Feintool.

Vor einem Jahr wurde mit der Gründung von «Feintool System Parts India Pvt Ltd» die Basis für das erste Feintool-Werk in Indien gelegt. Wann kann die Produktion starten?

Das neue Werk in der indischen Metropolregion Pune geht Anfang 2026 in Betrieb und produziert in einem ersten Schritt Sitzverstellerkomponenten für führende Automobilhersteller. In einem zweiten Schritt können wir in Pune jene Technologien und Dienstleistungen anbieten, die am indischen Markt nachgefragt werden.

Wie sind die Aussichten für das laufende Jahr und mittelfristig?

Für Nordamerika und Asien sieht Feintool für 2025 weiterhin eine positive Geschäftsentwicklung. Aufgrund der unverändert geringen Visibilität in Europa verzichtet Feintool im Jahr 2025 auf eine Guidance.

Die mittelfristigen Perspektiven für die Zielmärkte in allen Kerntechnologien sind weiterhin positiv. Der Elektromobilitätsmarkt wächst weltweit, wenn auch in Europa langsamer als ursprünglich prognostiziert. Sobald sich die europäische Wirtschaft erholt, wird auch eine steigende Nachfrage nach Elektromotoren für industrielle Anwendungen erwartet. Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass wir das mittelfristige Ziel einer EBIT-Marge von über 6 % erreichen werden.

«Die mittelfristigen Perspektiven für die Zielmärkte in allen Kerntechnologien sind weiterhin positiv. Der Elektromobilitätsmarkt wächst weltweit, wenn auch in Europa langsamer als ursprünglich prognostiziert.»

Letzte Frage: Wie herausfordernd ist es, ein Unternehmen wie Feintool ständig auf die sehr dynamische geopolitische Lage einzustellen, flexibel zu handeln und die Risiken zu managen?

Als global tätiges Unternehmen sind wir uns gewohnt, mit Unsicherheiten in verschiedenen Märkten umzugehen. Entscheidend ist, dass wir unsere Kompetenz durch Kundenähe und systematische Innovation weiterentwickeln, um stets wettbewerbsfähig zu sein. Feintool profitiert auch davon, dass wir in all unseren Märkten weltweit gut verankert und gleichzeitig global vernetzt sind.

Wichtig ist, dass Feintool mit einer Eigenkapitalquote von 55.7 % und einem Free Cashflow von CHF 4.4 Mio. finanziell grundsolide dasteht. Das gibt uns die nötige Flexibilität und ermöglicht ein langfristig strategisches Vorgehen.

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