Torsten Schittenhelm, CEO neocredit.ch, im Interview

Torsten Schittenhelm

Torsten Schittenhelm, CEO neocredit.ch . (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Schittenhelm, Crowdlending-Plattformen führen zwar noch ein Nischendasein – haben aber in den letzten Jahren starkes Wachstum zu verzeichnen. Für 2019 wurde ein Marktvolumen von bis zu 500 Millionen Franken erwartet. Wie beurteilen Sie den Schweizer Markt?

Torsten Schittenhelm: Der Crowdlending-Markt verzeichnet in der Schweiz insbesondere seit 2015 ein starkes Volumenwachstum. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Markt selbst durch Übernahmen, Gründung einer Swiss Marketplace Lending Association, vermehrtes Interesse von institutionellen Anlegern und nicht zuletzt den Eintritt neuer Plattformen, wie z.B. neocredit.ch, stark weiterentwickelt hat.

Wo sehen Sie das grösste Potenzial?

Besonders im Bereich der KMU-Kredite gibt es aus unserer Sicht noch grosses Potential, da einerseits stetige Innovation und der daraus resultierende Finanzierungsbedarf für Unternehmer und Unternehmerinnen ein zentraler Erfolgsfaktor ist und andererseits insbesondere kleinere Unternehmen nicht immer im benötigten Umfang Zugang zu traditionellen Finanzierungsquellen haben. So können die Banken trotz ihrer breiten Produktpalette nicht immer die passende Lösung anbieten. Zum Beispiel sind auf Grund von Kapital- und Verwaltungskosten kleinere Kredite unter 150’000 CHF ohne bankfähige Sicherheiten aus Sicht einer Bank wenig attraktiv. Hier ist Crowdlending eine sehr gute weitere Option, um Schweizer KMU Wachstum und Innovation zu ermöglichen.

Aus Sicht der Anleger, sowohl für private als auch institutionelle, ist das momentane Negativzins-Umfeld eine grosse Herausforderung. Hier bietet Crowdlending Zugang zu einer Assetklasse mit einem attraktiven Risk-Return Profil und insbesondere der Möglichkeit selektiv in lokale Unternehmen und konkrete Projekte zu investieren.

«Mittelfristig ist gesunder Mix aus institutionellen und privaten Investoren der Weg zum Erfolg.»
Torsten Schittenhelm, CEO neocredit.ch

Bei neocredit.ch sind die Vaudoise Versicherung und Credit.fr, der französische Marktführer im Crowdlending, beteiligt – ein weiterer Hinweis darauf, dass der Crowdlending-Markt für institutionelle Investoren interessanter wird. Wann werden sie ihn ganz beherrschen?

Der Trend zu institutionellen Investoren spiegelt sich auch im Markt, daher spricht man jetzt auch vermehrt von Marketplace Lending anstatt Crowdlending. Mittelfristig ist gesunder Mix aus institutionellen und privaten Investoren der Weg zum Erfolg. Auf der einen Seite können institutionelle Investoren grössere Investitionsvolumen bereitstellen, die für weiteres Wachstum zentral sind, andererseits sind private Investoren an weniger strikte Investitionsvorgaben gebunden und komplettieren das Finanzierungspektrum.

Für den Markteintritt von neocredit.ch war es wichtig, starke Partnerschaften aufzubauen. Mit dem Ziel das unternehmerische Ökosystem der Schweizer KMU zu fördern, haben sich die Vaudoise Versicherungen und Credit.fr an neocredit.ch beteiligt. Daher finanzieren die beiden Partner über einen Fonds mindestens 50 % der online gestellten Projekte, private Investoren können sich bereits ab CHF 100 beteiligen. Unsere Plattform zielt auf einen ausgewogenen Mix zwischen privaten und institutionellen Investoren.

Wie unterscheidet sich neocredit.ch von bereits länger am Markt operierenden Peer-2-Peer-Plattformen, die Anleger und KMU mit Kreditbedarf zusammenbringen?

neocredit.ch unterscheidet sich von anderen Crowdlending-Plattformen aus mehreren Gründen:

Welche Finanzierungen konnten schon erfolgreich abgeschlossen werden?

Seit der Lancierung vor 14 Wochen hat neocredit.ch erfolgreich fünf Projekte im Wert von CHF 550’000 finanziert.

«Wir haben zwei starke Partner an Bord, die ein langfristiges Interesse am KMU-Ökosystem haben und in die ausgewählten Projekte co-investieren.»

Welchen Anteil hatten daran die Darlehen von privaten Investoren?

Bei unseren ersten vier Projekten beträgt der Anteil der von Privatpersonen finanzierten Beträge zwischen 10 % und 50 %.

Wie viele Anfragen sind bereits eingegangen und welche Bedingungen müssen erfüllt sein, dass die Projekte es auf die Plattform schaffen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein?

Seit dem Markteintritt im Oktober 2019 haben wir bereits über 180 Kreditanträge erhalten und letztlich fünf Projekte online gestellt. Dies zeigt einerseits den Bedarf und andererseits unsere strikte Selektion um Risiken – so weit als möglich – zu minimieren. Damit das Projekt auf der Plattform online gestellt werden kann, muss das Unternehmen seit mindestens vier Jahren bestehen, einen Jahresumsatz von mindestens 150’000 Franken aufweisen und als GmbH, AG oder Einzelunternehmung im Handelsregister eingetragen sein.

Können Sie uns den Ablauf aus Sicht eines Unternehmens kurz schildern?

Das Unternehmen navigiert als Kreditnehmer auf neocredit.ch und erstellt dort durch Eingabe weniger Daten ein Konto (einen personalisierten Online-Bereich auf der Plattform). Der Kreditnehmer muss anschliessend weitere Informationen bereitstellen. Zentral sind hier die letzten Jahresabschlüsse sowie eine Projektbeschreibung. Der Vorgang dauert nur wenige Minuten. Das Unternehmen erhält dann innert 48 Stunden eine erste Antwort und gegebenenfalls weitere Fragen von einem Mitarbeiter von neocredit.ch. Sobald alle notwendigen Dokumente vorliegen und eine positive Beurteilung erfolgt ist, erhält der Kreditnehmer ein Angebot. Das Projekt wird dann online gestellt und unsere Investoren können die Mittel bereitstellen.

In welcher Zeit können Unternehmen im besten Fall zu ihrem Kredit kommen?

Sobald 100 % der Finanzierung erreicht ist und die Verträge unterzeichnet sind, stehen die Mittel dem Unternehmen zur Verfügung. Im besten Fall kann dies innerhalb weniger Stunden geschehen, wir planen aber grundsätzlich mit einer Finanzierungsdauer von 10 Tagen.

Auf Seiten der Anleger sind mögliche 8,8 Prozent Zins gerade in Zeiten eines sonst sehr tiefen Zinsumfelds verlockend. Andererseits gilt auch hier: Je höher der Zins, desto höher das Risiko. Wie analysieren Sie die Risiken der verschiedenen Projekte?

Eine Korrelation zwischen Risiko und Return besteht natürlich auch bei neocredit.ch, wir haben eigene Verifikations- und Bewertungsansätze entwickelt, um den Selektionsprozess zu optimieren. Den Investoren steht diese Einschätzung als ein Entscheidungskriterium zu ihrer Investition zur Verfügung. Im Rahmen unsere Analyse verwenden wir unter anderem interne Finanzdaten des Unternehmens sowie Informationen von dritten Parteien. Die vergebenen Labels 1 bis 7 können aber nicht als Bestätigung oder Kritik von neocredit.ch an dem präsentierten Projekt oder als Anlageberatung betrachtet werden.

Die Bewertung reflektiert lediglich das relative Risiko zwischen den Projekten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Projekts, d.h. ein Projekt mit einem Label von 1 sollte als weniger riskant angesehen werden als ein Projekt mit einem Label von 7, aber keines der beiden Labels soll die absoluten Erfolgsaussichten der eingereichten Projekte vorwegnehmen.

«Eine Korrelation zwischen Risiko und Return besteht natürlich auch bei neocredit.ch, wir haben eigene Verifikations- und Bewertungsansätze entwickelt, um den Selektionsprozess zu optimieren. »

Welche Informationen werden dem interessierten Anleger zur Verfügung gestellt?

Für jedes online gestellte Projekt ist eine eigene Projektseite auf unserer Website sichtbar. Hier können weitere Details zum Projekt und Kreditantrag eingesehen werden. Die Seite besteht aus:

Die Elemente sind rein beschreibend und neutral aufbereitet, um eine Entscheidung der Investoren nicht zu beeinflussen.

Transparenz ist in diesem Zusammenhang von grosser Bedeutung. Wie beurteilen Sie diese über den gesamten Schweizer Crowdlending-Markt gesehen?

Der Markt hat sich auch in diesem Gebiet positiv entwickelt, mit der Swiss Market Place Lending Association organisieren sich fast alle Crowdlending-Plattformen und melden Volumina, Ausfallraten und Returns, die dann aggregiert werden und öffentlich zugänglich sind. Daneben haben auch alle Plattformen begonnen Informationen zu Portfolios und Ausfalldaten auf Ihren Webseiten zu veröffentlichen. Dies ist sicher auch durch das vermehrte Interesse der institutionellen Investoren gestützt, die Ihre etablierten Standards zu Reporting und Transparenz im Bereich Crowdlending einfordern.

Herr Schittenhelm, besten Dank für das Interview.

Zur Person (LinkedIn)
neocredit.ch

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