Ulf Naumann, General Manager Arcona Living Schaffhausen, im Interview
Von Artur K. Vogel
Herr Naumann, das Arcona Living Schaffhausen, eröffnet 2014, ist das erste Haus Ihrer Gruppe in der Schweiz. Wer steht hinter der Arcona-Gruppe?
Ulf Naumann: Die Arcona Hotel Holding GmbH als alleinige Gesellschafterin der Arcona Management GmbH gehört zu jeweils 50 Prozent dem Hotelkaufmann und Hotelunternehmer Alexander Winter und der Solutions Holding GmbH, in der Stephan Gerhard sämtliche eigenen Unternehmungen der Hospitality-Branche bündelt. Winter ist seit dem Management-Buy-Out 2008 geschäftsführender Gesellschafter; Gerhard, ist President und Chairman of the Board der Beratungsfirma Treugast Solutions Group. Hauptberuflich ist er Professor für Hospitality Development der Fachhochschule des Mittelstandes in Schwerin. Prof. Gerhard hält Beteiligungen an weiteren Hotellerie- und Gastronomie Unternehmen wie z. B. 25hours Hotels.
Der Arcona-Hauptsitz befindet sich in Rostock in Mecklenburg-Vorpommern. Weshalb?
Die berufliche Laufbahn unseres geschäftsführenden Gesellschafters Alexander Winter führte ihn von Hamburg nach Rostock, wo er nun seit langen Jahren lebt.
«Wir sind in Gesprächen mit einer ganzen Reihe von Häusern und sehr zuversichtlich, das eine oder andere vertraglich zum Abschluss bringen zu können.» Ulf Naumann, General Manager des Arcona Living Schaffhausen
Sie sind nicht nur GM des Arcona Living in Schaffhausen, sondern auch für weitere Häuser verantwortlich. Wie ist denn die Gruppe aufgestellt?
Zur Entlastung und operativen Unterstützung der Geschäftsleitung wurden Mitte 2015 bei der Arcona-Gruppe drei Regionaldirektionen sowie die Position des Corporate Director of Operations eingeführt. So kam es, dass ich neben dem Hotel in Schaffhausen als Regionaldirektor Süd das Arcona Living München, das Arcona Living Batschari 8 in Baden‐Baden sowie das Stuttgarter Arcona.Mo Hotel betreue.
Hat Arcona Pläne für weitere Häuser in der Schweiz, und wenn ja: Gibt es konkrete Projekte?
Wir sind in Gesprächen mit einer ganzen Reihe von Häusern und sehr zuversichtlich, das eine oder andere vertraglich zum Abschluss bringen zu können. Die unternehmerische Planung sieht vor, dass jährlich ein bis zwei Arcona Living dazukommen.
Das Arcona Living ist Teil der städtebaulichen Entwicklung des Gebiets unmittelbar hinter dem Bahnhof Schaffhausen. Wie wichtig ist dieses Projekt?
Mit «Urbahn» hat Schaffhausen seit Oktober 2014 ein neues Stadtquartier erhalten. Es befindet sich an der Nahtstelle zwischen der Altstadt, dem Bahnhof und den angrenzenden Wohnquartieren. Die städtebauliche Lücke wurde mit einer öffentlichen und privaten Nutzung hervorragend geschlossen. Für Schaffhausen ist die Bebauung ein Meilenstein, der die Standortattraktivität und die Entwicklung der Innenstadt positiv beeinflusst. Durch die Bebauung ist nicht nur das Quartier hinter dem Bahnhof komplettiert worden, sondern es entstand auch ein Tor zum aufstrebenden Stadtgebiet Mühlental mit weiteren Entwicklungsprojekten.
Hat mit der Realisierung des Projekts, das auch Läden, Gaststätten, Wohnungen, Büroräume und den direkten Zugang zum Bahnhof umfasst, die gewünschte Belebung stattgefunden?
In den Erdgeschossen und im Altstadtgeschoss sind auf rund 3350 Quadratmetern verschiedenste Läden und Gastronomiebetriebe entstanden oder werden noch öffnen, wobei wir mit der Entwicklung in unserer Nachbarschaft noch sehr unglücklich sind. Wir wünschen uns lebhaftere Nachbarn, so dass wir uns an mehr Laufkundschaft erfreuen könnten.
Wobei Ihr Haus selber zu dieser Attraktivierung beitragen kann.
Natürlich tragen unser Asia Spa und unsere Weinwirtschaft zur Attraktivierung bei. Unsere Gäste und Besucher aus der Stadt sind begeistert von unserem Angebot.
Schaffhausen mit gut 35‘000 Einwohnern ist eine kleine Stadt. Es gab hier vor der Eröffnung Ihres Viersterne-Hauses schon etliche Hotels. Gibt es genügend Nachfrage für Ihr neues Haus mit 130 Zimmern?
Die zentrale Lage direkt hinter dem Bahnhof und die topmoderne Einrichtung in den Hotelzimmern, im Veranstaltungsbereich und in den Restaurationen stellen einen klaren Wettbewerbsvorteil für uns dar. Schaffhauserland Tourismus ist, wie wir, davon überzeugt, dass durch dieses neue Hotel erst grosse Veranstaltungen realisiert werden können, die ansonsten Städte wie Winterthur oder Zürich bevorzugt hätten.
Wie haben Ihre Mitbewerber auf das neue Hotel reagiert? Gab es politische Vorstösse?
Salopp formuliert kann man sagen, dass wir nicht im gleichen Teich fischen. Aber alle Hoteliers haben sich Gedanken über ihr Weiterbestehen neben uns gemacht, ihre Strategie entwickelt und Massnahmen getroffen. Viele haben investiert und die Ausrichtung ihrer Hotels spezifiziert. Ein solcher Prozess bringt immer viel Gutes in Gang und verbessert die Qualität für alle Gäste, egal wo sie dann in Schaffhausen übernachten. Mir ist es wichtig, dass wir die Kontakte, den Erfahrungsaustausch und das Entwickeln neuer Vermarktungsideen beibehalten und noch steigern. Nach den Irritationen um den Stellenwert unseres Schaffhauserland Tourismus und der Gefahr, dass die in den letzten acht Jahren geleisteten Aufbau- und Netzwerkarbeiten vielleicht nicht schnell genug weiterentwickelt werden, hilft jeder Schulterschluss unter Kollegen.
«Wir werden unsere Erwartungen von über 60% Belegung im zweiten Jahr erfüllen und deutlich über 2015 liegen.»
Können Sie uns etwas über die Auslastung sagen?
Wir hatten 2015 das erste volle Betriebsjahr und mussten gleich zu Jahresanfang die Aufhebung des Euromindestkurses verdauen. Auf einmal wurden alle Produkte und Dienstleistungen rund 15% teurer. Das hat gerade an Wochenenden, die geprägt sind von Urlaubsgästen, dazu geführt, dass wir Frequenz- und Margeneinbrüche hinnehmen mussten. Durch unser Kostenbewusstsein und das, den Währungsrelationen angepasste, Pricing konnten wir 2015 das Schlimmste verhindern. Für 2016 waren wir deutlich besser aufgestellt, da wir genügend Know-how im Salesbereich einbringen konnten und unsere Marketingmassnahmen intensivierten. Wir werden unsere Erwartungen von über 60% Belegung im zweiten Jahr erfüllen und deutlich über 2015 liegen.
Wer sind denn Ihre hauptsächlichen Gäste? Eher Touristen oder eher Businessleute?
Wir haben für unsere Hotelgrösse und den neu entwickelten Standort eine starke Nachfrage. Umliegende internationale Firmen benötigen eine adäquate Unterbringungsmöglichkeit für ihre Gäste und Mitarbeiter. Zusätzlich bieten wir Langzeit-Wohnmöglichkeiten an; die Zimmergösse mit 42 bis 51 m² bietet ausreichend Platz, und es gibt voll ausgestattete Kitchenettes. Deshalb erreichen wir im Bereich Geschäftsreisen und Konferenzgäste 75% Belegung. Ab Freitag nächtigen dann Freizeit- und Feriengäste bei uns. In Schaffhausen gibt es neben dem Rheinfall zahlreiche kulturelle, sportliche und landschaftliche Highlights zu entdecken.
Auf Ihrer Webseite haben Sie die Auswertung von TrustYou aufgeschaltet, welche Bewertungen aus dem Internet zusammenfasst. Was halten Sie von solchen Internet-Bewertungen, z.B. bei Tripadvisor oder Holidaycheck?
Aktuell haben wir sicherlich über 700 geprüfte Bewertungen bei Trustyou als grösste Gästefeedback-Plattform. Diese Anzahl und die durchwegs positiven Feedbacks helfen uns, mit Gästewünschen und Erwartungen umzugehen. Wir antworten übrigens in der Regel binnen 24 Stunden auf Feedbacks. Es ist bekannt, dass sich jeder zweite Urlauber durch Bewertungsportale klickt, bevor er einen Urlaub bucht. Dabei lesen 39 Prozent zwischen sechs und zehn Beiträge; da kommt ein grosser Erfahrungsaustausch zustande. Aber ehrlich gesagt, weiss ich privat nie, wer dort seine Meinung abgibt; ich kenne diese Person nicht. Dabei würde man doch gerade den Ratschlag einer vertrauten Person schätzen.
«Die Hotellerie zahlt Millionenbeträge an die Buchungsportale und verliert immer mehr die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Preishoheit.»
Und wie sind Ihre Erfahrungen mit Buchungsplattformen wie boooking.com?
Die Buchungsplattformen sind genauso wichtig wie die Bewertungsportale. Die Hotellerie zahlt Millionenbeträge an die Buchungsportale und verliert immer mehr die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Preishoheit. Wir versuchen, unsere Website-Besucher festzuhalten, mit attraktiven Angeboten und Anreizen zu begeistern und mithilfe richtiger E-Commerce-Tools zum Kauf auf der Hotel-Website zu bewegen.
Ihr Hotel erhält exzellente Bewertungen, mit einer Ausnahme: Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird kritisiert; man wirft dem Arcona Living Schaffhausen „horrende Preise“ vor. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Mit vielen positiven, aber auch kritischen Bewertungen können wir sehr gut umgehen, weil sie uns täglich die Erwartungen unserer Gäste zeigen. Punkte wie „horrende Preise“ oder „langweilige Wellness- und Sportmöglichkeiten“ können wir nur schwierig einordnen. Diese Aussage trifft objektiv betrachtet nicht zu: Das Preis-Leistungsverhältnis für unsere Hotelzimmer und die Gastronomie ist auf Schweizer Marktniveau. Manchmal versteckt sich hinter einer solchen Aussage aber z.B. die Parkgebühr der Hotelgarage. Wir weisen diese separat aus, da die Tiefgarage nicht von uns betrieben wird. Andere Hoteliers schlagen die Parkgebühren lieber auf die Zimmerrate und umgehen damit negative Bewertungen.
In Ihrem Restaurant, genannt „Weinwirtschaft“, bieten Sie Gourmet-Kreationen neben Standard-Gerichten wie Caesar’s Salad, Hamburger und Club Sandwich an. Für Ihre grosse Auswahl an Weinen haben Sie sogar eine kompetente Sommelière beschäftigt. Dasselbe Konzept wird in rund einem Dutzend Arcona-Häusern angewendet. Verstehen es Ihre Gäste?
Unsere frische, regionale und saisonale Küche ist nicht nur in Schaffhausen, sondern in allen Weinwirtschaften von Arcona ein beliebter Treffpunkt. Hingucker ist die Showküche. Unsere mediterrane Küche, kombiniert mit regionalen Spezialitäten, kommt bei unseren Gästen an. Spannend ist das Modulprinzip der Speisekarte, wobei man die meisten Gerichte als kleine oder grosse Portion bestellen kann. Zudem kann man Fleisch- und Fischgerichte mit drei verschiedenen Beilagen kombinieren, und ich bin mir sicher, dass wir den Geschmack unserer Gäste treffen. Unsere Weinkarte umfasst über 100 Positionen, wovon immer mindestens 30 im Offenausschank erhältlich sind. Ein Clou ist auch der Weinverkauf über die Gasse, rund um die Uhr und zu fairen Preise.
Gemessen an den 130 Zimmern verfügt das Arcona Living über einen grossen Fitness-, Wellness- und Spa-Bereich. Wird er von Ihren Gästen entsprechend genutzt?
Das Asia Spa mit seinen 1200 Quadratmetern ist die Ruheoase des Hotels. Wer nach einer anstrengenden Tagung Entspannung sucht, kommt hier voll auf seine Kosten. Die aus dem Züricher Sihlcity bekannte Wellnessoase hat ihre erste Zweigniederlassung und steht sowohl Hotelgästen als auch den Schaffhausern offen. Jedes Gästesegment hat unterschiedliche Ansprüche: Der Fitnessbereich ist für unsere Geschäftsreiseklientel besonders morgens vor der Arbeit, aber auch bis spätabends als Ausgleich für die Arbeit und stark frequentiert. Wohingegen die Saunen mit den Aufgusszeremonien, Hamam und Massageangebot eher den Urlaubsgast ansprechen.
Nach einer langen Laufbahn in der Hotellerie führen Sie zum ersten Mal ein Hotel in der Schweiz. Sind die Herausforderungen und Problemstellungen in der Schweizer Hotellerie anders als etwa in Deutschland?
Glücklicherweise habe ich die Chance bekommen, meine langjährige berufliche Erfahrung aus der Fünfsterne-Hotellerie in Deutschland bei Arcona einbringen zu können, und dies kurz nach der Hoteleröffnung. Sie werden schmunzeln, aber die Herausforderungen sind auf dem Schweizer Markt genau dieselben wie auf dem deutschen. Hier wie dort nehmen der Wettbewerb und damit der Innovations- und Investitionsdruck immer mehr zu. Uns allen gemeinsam ist, dass wir uns von den Mitbewerbern unterscheiden wollen.
Neu ist die Schweiz für Sie allerdings nicht: Seit Ihrer Kindheit haben Sie hier regelmässig Ferien verbracht. Was schätzen Sie denn besonders an unserem Land?
Die Zuwächse in der Hoteltouristik kommen dieses Jahr eher aus dem Schweizer Markt. Daher liege ich mit meinen 46 Jahren Urlaubserfahrung in der Schweiz voll im Trend. Seit Kindestagen habe ich die Schweiz kennen und lieben gelernt. Jetzt, mit meiner Ortsansässigkeit in Schweiz, wird sich nichts daran ändern. Die Schweiz hat die schönste Bergwelt und kann fast unberührte Naturerlebnisse aneinander reihen. Auf meinen Streifzügen durch die Schweiz, zum Trekking im Sommer und im Winter zum Skifahren, habe ich auch die hilfsbereitesten und liebenswürdigsten Menschen kennengelernt. Ich komme da immer ins Schwärmen und möchte Ihnen von einem Erlebnis in Poschiavo berichten: Am Morgen stand vor meinem Urlaubsdomizil mein am Flughafen verlorener Reisekoffer mutterseelenalleine auf dem Bürgersteig, weil der Postbus ihn dort sehr früh abgestellt hatte. In der örtlichen Molkerei wurde ich dann gefragt, ob ich mein Gepäck erhalten hätte. Ich war ob der aufrichtigen Herzlichkeit in diesem kleinen Ort gerührt und tief angetan. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen weiteren Erlebnissen in der Schweiz.
Herzlichen Dank für das Interview.
Der Gesprächspartner
Ulf Naumann, 46-jährig und seit kurzem verheiratet, ist Hotelbetriebswirt mit MBA-Abschluss. Erfahrungen hat er unter anderem bei den Steigenberger Hotels & Resorts und dem Hyatt Regency in Mainz gesammelt. Als Direktor leitete er das Radisson Blu Axelmannstein der Steigenberger Hotels & Resorts in Bad Reichenhall und das Wellness- und Golfhotel Maximilian in Bad Griesbach. Zuletzt war Naumann, gebürtig aus der hessischen Hauptstadt Wiesbaden, als Senior Partner der Eventagentur „on the way-events“ in der Betreuung von Kunden tätig, vorrangig für Corporate Events in der Schweiz. Nun führt sein Weg – ebenfalls in der Schweiz – zurück ins Hotelgewerbe. In der Freizeit betreibt Ulf Naumann Trekking, Segelfliegen und Fallschirmspringen.
Die Gruppe Arcona Hotels & Resorts
Die Gruppe Arcona Hotels & Resorts gehört zur Deutschen Hotel & Resort Holding mit Sitz in Rostock, Mecklenburg-Vorpommern, und betreibt im deutschsprachigen Raum derzeit 16 Hotels, darunter fünf Betriebe des Franchisegebers Steigenberger Hotel Group. Wachstumstreiber des Unternehmens ist die Marke Arcona Living mit ihren urbanen Hotel- und Serviced-Apartment-Häusern. Seit der Gründung 1995 bis 1. April 2008 war die Arcona-Gruppe ein Tochterunternehmen der Deutschen Seereederei GmbH, Rostock (DSR). Aus der DSR hervorgegangen sind u. a. die Kreuzfahrtreederei AIDA, die a-rosa Flussschifffahrt sowie a-rosa Resorts, a-ja Resorts, Hotel Louis C. Jacob und die Deutsche Immobilien AG. Seit 2008 ist die Arcona Hotels & Resorts-Gruppe ein selbstständiges, inhabergeführtes Unternehmen. Sie erzielte 2015 einen Umsatz von 62,88 Mio. Euro und beschäftigt durchschnittlich 765 Mitarbeiter, davon 145 Lernende. Seit Anfang 2016 kooperiert Arcona im Rahmen eines Joint Ventures mit der DSR Hotel Holding. Die neue Gesellschaft heisst Deutsche Hotel & Resort Holding mit Sitz in Rostock. Ziel des Zusammenschlusses ist das strategische Wachstum beider Gruppen. Geschäftsführer der Arcona-Gruppe und der Deutschen Resort & Hotel Holding ist Alexander Winter. http://arcona.de/